Ganz Fußball-Deutschland wartete seit vergangenem Sonntag auf das Bundesliga-Comeback von Trainer-Urgestein Felix Magath. Bis Hertha BSC und besagtes Fußball-Deutschland am Donnerstag die Hammermeldung ereilte: Der 68-jährige Interimstrainer, der den Hauptstadtclub in den letzten acht Spieltagen vor dem Bundesligaabstieg retten soll, wurde positiv auf Corona getestet und wird in der Bundesligapartie am Samstag gegen Hoffenheim (15.30 Uhr/im SPORTBUZZER-Liveticker) nicht an der Seitenlinie stehen können.
„Felix hat mich direkt angerufen, als er den Verdacht hatte. Ich hab zunächst an einen Witz geglaubt, ich kenne ja seinen Humor. Aber es hat sich bestätigt“, so Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic am Freitag, „ich bin froh, dass die Geschäftsstelle noch steht und noch kein Komet rauf gestürzt ist. Aktuell nehmen wir wirklich alles mit.“ Und so kommt es, dass eine Woche nach der Entlassung von Tayfun Korkut nicht Magath am Kopfende der Berliner Trainerbank sitzen wird, sondern sein Co-Trainer Mark Fotheringham.


Der 38-jährige Schotte wird den wenigsten Hertha-Fans ein Begriff sein und ist im deutschen Fußball dennoch kein gänzlich Unbekannter. 2005/06 schnürte Fotheringham für den SC Freiburg unter Volker Finke in der 2. Liga eine Spielzeit lang seine Töppen. Spät am Ende seiner Karriere kam es beim FC Fulham dann zum Aufeinandertreffen mit dem Trainer Magath, den er ehrfurchtsvoll nur den „Boss“ nennt. „Als ich mit dem Boss in Fulham war, war das nicht normal für die Championship. Wir haben auf Spitzenlevel trainiert. Ich habe alle Trainingseinheiten dokumentiert und gesammelt. Ich bin froh, mit ihm arbeiten zu können“, sagt Fotheringham am Freitag in gutem, aber dennoch gebrochenem Deutsch.
Unter Magaths ehemaligem Co-Trainer Thomas Oral machte der Schotte nach der Spielerlaufbahn seine ersten Schritte im Trainergeschäft. Beim Karlsruher SC (2016/17) und zweimal beim FC Ingolstadt (2018/19 und 2020/21) assistierte er Oral in Deutschlands 2. Liga. „Ich habe mich ins Konzept des deutschen Fußballs verliebt“, sagt er und fügt an: „Deutschland gefällt mir, die Stimmung im Stadion, die Fans. Ich hoffe, ich kann hier noch lange bleiben.“
"Wir haben Qualität und eine gute Mischung im Team"
Wie lange der Sohn einer Arbeiterfamilie aus dem schottischen Dundee in Berlin bleiben darf, hängt ganz elementar von den Ergebnissen der kommenden Wochen ab. Schließlich ist die sportliche Lage, die er und Magath in Berlin vorgefunden haben, eine angespannte. Hertha steht mit 23 Punkten auf einem direkten Abstiegsplatz und wartet im Jahr 2022 noch gänzlich auf einen Sieg. Gegen Hoffenheim soll nun zumindest ein erster Achtungserfolg her, sprich, mindestens ein Punkt. Wie schwierig dies gegen den Champions-League-Aspiranten werden dürfte, konnte sich Fotheringham bereits vor Ort anschauen.
„Wir müssen Hoffenheim viel Respekt geben, das ist eine gute Mannschaft. Ich bin in diesem Jahr mit einem Kumpel extra aus Schottland angereist, um sie spielen zu sehen“, sagt er, „ sie sind sehr flexibel. Aber wir müssen uns darauf konzentrieren, was wir machen. Wir haben Qualität und eine gute Mischung im Team.“
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Überhaupt fand der bullige Coach mit dem militärischen Haarschnitt viele lobende Worte für seine neuen Spieler, die er in der gesamten Woche federführend in den Trainingseinheiten anleitete. „Ich muss den Jungs ein Kompliment machen. Die Spieler waren in der ersten Trainingswoche hellwach. Wichtig ist aber, dass wir das am Wochenende auch auf den Platz bringen“, so Fotheringham, der die Namen und Spitznamen aller Spieler bereits auswendig gelernt hatte, ehe er am Dienstag erstmals auf die Mannschaft traf – „aus Respekt vor den Spielern“, wie er selbst sagte.
Im Vergleich zum autoritären Magath wirkt Fotheringham fast wie der nette Typ von nebenan, ein "Magath light". Gleiche Ansichten in Sachen Training oder Disziplin - nur die Ansprache ist deutlich emphatischer. Was durchaus zu den Worten passt, die Magath bei seiner Vorstellung fand: „Ich habe bei der Co-Trainer-Auswahl vor allem darauf Wert gelegt, dass ich im Gegensatz zu mir einen Mann an meiner Seite habe, der ein bisschen jünger ist, der, denke ich mal, näher an den Spielern von der Befindlichkeit dran ist, als ich.“
Felix Magath wird auch aus der Quarantäne Einfluss nehmen
Fotheringham machte bei seinem ersten Auftritt vor den hiesigen Medien einen extrem höflichen, teilweise fast schon devoten Eindruck. Er sei „einfach sehr dankbar für die Chance, die er in Berlin bekommt“. Nervosität sei bei ihm jedoch nicht im Spiel, so der kernig wirkende Schotte, der in der Jugend von Celtic Glasgow ausgebildet wurde. „Warum nervös? Das ist mein Leben. Ich mache das seit ich zehn Jahre alt bin. Ich habe sehr hart gearbeitet für diese Chance, um mit einem der bekanntesten Trainer der Welt zu arbeiten“, sagt er.
Ganz wird er auf die Unterstützung dieses bekannten Trainers namens Felix Magath – trotz dessen Corona-Quarantäne – auch nicht verzichten müssen. Egal, ob Torwart- oder System-Frage – Fotheringhams Antwort lautete am Freitag stets: „Das muss ich mit dem Boss besprechen.“ Denn auch, wenn Fredi Bobic betonte, dass der Schotte die volle Rückendeckung des Clubs genieße, letztlich wurde Magath als Retter geholt und kein anderer. Es verwundert also nicht, dass Bobic ankündigte: „Felix Magath wird sich zur Mannschaft schalten lassen. Er wird auch einzeln zu den Spielern sprechen über Telefon. Es ist wichtig, dass er über die digitalen Mittel, die zur Verfügung stehen, mitsteuert.“ Das große Bundesliga-Comeback von Magath wird es am Samstag noch nicht geben, einen ersten Eindruck von seinem Einfluss auf die Berliner gibt es dennoch.
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