30. Januar 2022 / 14:26 Uhr

Vom Volkshelden zum Sündenbock: Warum James Rodriguez in Kolumbien nicht mehr geliebt wird 

Vom Volkshelden zum Sündenbock: Warum James Rodriguez in Kolumbien nicht mehr geliebt wird 

Tobias Käufer
Hannoversche Allgemeine / Neue Presse
James Rodríguez war die Enttäuschung nach der Niederlage gegen Peru anzusehen.
James Rodríguez war die Enttäuschung nach der Niederlage gegen Peru anzusehen. © Getty Images
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James Rodriguez und Kolumbien drohen die WM in Katar zu verpassen. Nun entlädt sich mit voller Wucht der Volkszorn gegen den ehemaligen Profi des FC Bayern München.

Nur mit Mühe können die Ordner die schützenden Hände nach oben reißen. Von den wütenden Fans auf der Tribüne prasseln nicht nur jede Menge übelste Beschimpfungen auf James Rodriguez ein, sondern auch so mancher Getränkebecher. Kurz zuvor hatte der ehemalige Weltstar dem weiten Rund im Stadion "Metropolitano Roberto Melendez" wiederum seine Meinung über das gellende Pfeifkonzert kundgetan. "Undankbares Scheißpack" ließ James das Publikum wissen und fuchtelte wild mit den Armen in der Luft herum. "Hurensohn" schallte es von der Tribüne zurück. Seitdem ist in den sozialen Netzwerken der Teufel los.

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Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das Tischtuch zwischen den kolumbianischen Fußball-Fans und ihrem abgestürzten Wunderkind zerschnitten ist, dann dieser Freitagnachmittag bei brütender Hitze in Barranquilla. Kolumbien verlor das so wichtige WM-Qualifikationsspiel gegen Peru im eigenen Stadion mit 0:1. James zeigte wieder einmal eine durchwachsene Leistung, die Schützlinge von Trainer Reinaldo Rueda sind nun seit 556 Minuten ohne eigenen Torerfolg in den "Eliminatorias" und rutschten drei Spieltage vor Schluss aus den ersten vier Plätzen, die eine direkte Qualifikation bedeuten würden. "Wir haben noch drei Spiele, es gibt noch neun Punkte", versucht Rueda seine Mannschaft aufzurichten.

Sündenbock ist für die Fans vor allem James Rodriguez. Der hatte sich im vergangenen Jahr mit seinem Wechsel vom FC Everton zum katarischen Klub Al-Rayyan SC freiwillig in die sportliche Drittklassigkeit verabschiedet. Evertons damaliger Trainer Rafael Benitez ließ danach kein gutes Wort an seinem Spieler und fällte ein ungewöhnlich deutliches wie vernichtendes Urteil: "James präferiert Geld und ein komfortables Leben. Das ist ihm wichtiger als der Wettkampf und der Erfolg im Fußball."

Jetset-Leben ohne professionelle Einstellung?

Inzwischen steht James vor den Trümmern seiner Karriere. Zum Weltstar wurde er 2014 bei der WM in Brasilien als er Kolumbien mit Traumtoren ins Viertelfinale führte und sich selbst als WM-Torschützenkönig zu Real Madrid schoss. Doch die ganz großen Trainer fremdelten mit James: Zinedine Zidane oder Rafael Benitez trauten ihm nicht und bemängelten seinen Trainingsfleiß. Lief es irgendwo nicht nach Wunsch, konnte James seine Trainer auch mal vor der Mannschaft bloß stellen wie in seinen Jahren beim FC Bayern (2017 bis 2019) als er seinen Trainer Niko Kovac gedemütigt haben soll mit den Worten: "Wir sind hier nicht in Frankfurt."

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Inzwischen hat sich auch die Stimmung in Kolumbien gegen den Weltstar gewendet. Weil James ein Jetset-Leben führt, aber es ganz offenbar an der professionellen Einstellung vermissen lässt, hat er immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Der Wechsel nach Katar brachte ihn nun endgültig aus dem Tritt. Die Medien kritisieren James scharf, die kolumbianischen Fans sind sauer, weil sie nicht mehr den jungen, talentierten Weltstar zu sehen bekommen, sondern einen satten, verbrauchten Spieler, der Dankbarkeit für Geleistetes erwartet. Doch Dankbarkeit ist auf dem Fußballplatz keine Währung, die zählt.

Am Dienstag muss Kolumbien nun nach Argentinien. Der zweimalige Weltmeister um Lionel Messi ist bereits qualifiziert und gut in Form. Wenn der Spieltag ganz dumm läuft für Kolumbien, haben James und Co. danach nur noch theoretische Chancen auf die WM. James weiß was auf dem Spiel steht. Es geht nun darum, wie er künftig in Kolumbien wahrgenommen wird. Seinen rund 50 Millionen Followern auf Instagram gab er unter einem Foto das ihn am Boden zeigt ein Versprechen ab: "Ich habe nie aufgegeben, ich werde nie aufgeben. Ich vertraue meinen Teamkollegen. Wir werden bis zum Ende kämpfen und unsere Seele geben."

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