Das Erstrundenspiel hatte der damals 19-jährige im Dress der KSV Holstein Kiel zwar mit 1:3 verloren. Doch die Kieler Nachrichten widmeten dem Nachwuchsspieler, der ab seiner Einwechslung in der 71. Minute den Kieler Offensivaktionen erst Leben einhauchte und das Kieler Tor vorbereitete, gar eine Schlagzeile. „Heine im siebten Fußball-Himmel“ hieß es in der Montagausgabe, und Holsteins Cheftrainer Werner Moors sicherte Heine für die Partie eine Woche später gegen den FC St. Pauli seinen ersten Punktspieleinsatz und einen Platz in der Startelf zu. Doppelspitze zusammen mit dem Brasilianer Daniel Teixera. Der Ritterschlag. Eine großartige Zukunft als Profifußballer wurde Heine prophezeit.
Doch die Schlagzeilen waren da schon überholt. 24 Stunden zuvor waren alle Träume wie eine Seifenblase geplatzt: Kreuzbandriss, Knorpelschaden, Meniskus eingerissen. Was war passiert? Der Abiturient, der gegen Leverkusen nur 19 Minuten gespielt hatte, musste am Sonntag noch bei den Amateuren ran. Im Zweikampf geschah es dann. „Im ersten Augenblick realisiert man gar nicht, was passiert ist. Schon gar nicht, wenn man so jung ist“, erinnert sich Heine. Fortan ging es nicht um Angebote oder Einladungen – die volle Konzentration galt der langwierigen Reha.
Impressionen aus der Fußballkarriere von Jirka Heine
Nicht nur in Kiel war der Angreifer in den Wochen und Monaten zuvor in aller Munde gewesen. Dieter Hecking, damals Trainer des VfB Lübeck, war durch einen Hattrick, den der 1,87 Meter große Stürmer in einem Testspiel gegen die Hansestädter erzielt hatte, aufmerksam geworden. Der SC Freiburg klopfte ebenso an die Tür wie Arminia Bielefeld. Und Bundestrainer Horst Hrubesch sprach eine Einladung für die Vorbereitung des U20-Nationalteams auf die WM im November 2003 in den Emiraten aus.
Alles passé. Heine behielt Geduld, bolzte über Monate Kraft und Kondition. „Irgendwie wurde es aber nicht wirklich besser. Das Knie ist immer wieder dick geworden“, erinnert sich Jirka Heine, der sich im Vollbesitz seiner Kräfte auch hinter dem späteren Nationalspieler David Odonkor nicht zu verstecken brauchte. „Wenn wir mit der Landesauswahl gegen NRW gespielt haben, wurde ich als Manndecker eingesetzt. Im Sprint kam David nämlich nicht an mir vorbei. Ich war immer einen Schritt schneller. Vielleich habe ich die Gene von meiner Mutter geerbt. Die war nämlich mal finnische Meisterin im 100-Meter-Sprint“.
Kurz vor Abschluss der Reha erfolgte dann der zweite gesundheitliche Tiefschlag, der auch das Karriere-Aus bedeutete: Erneuter Kreuzbandriss im betroffenen Knie. „Ich habe viele Fachärzte aufgesucht. Unter anderem in Münster und Berlin. Die waren alle der Meinung, dass ich den Traum vom Profifußball an den Nagel hängen müsste. Es war eine ganz schwere Zeit. Schließlich habe ich seit meinem vierten Lebensjahr nichts anderes als Fußball gemacht. Da sind auch Tränen geflossen. Und während der Reha, und das war ja dann die zweite, ist man ja meist allein. Da ist der Physio oft auch Psychotherapeut“, erinnert sich der 36-jährige an seinen Leidensweg.
Halt gab ihm dann die berufliche Karriere. Das Angebot der Provinzial Versicherung, ihm eine Ausbildung als Betriebswirt im dualen Studium zu ermöglichen und der Abschluss 2009 an der Berufsakademie, waren wichtige Schritte zurück ins normale Leben abseits des Fußballs.
Seinem Lieblingssport ist der fußballverrückte Heine aber heute noch verbunden: seit 2008 als Co-Trainer des Preetzer TSV und nach der Freistellung von Trainer Dmitrijus Guscinas im März 2016 als hauptverantwortlicher Interimscoach des damaligen SH-Ligisten.
Heute ist Jirka Heine wieder ins zweite Glied gerückt. Zusammen mit Chefcoach Andreas Möller strebt er als Co-Trainer den Aufstieg der Schusterstädter in die Landesliga an. Und manchmal, wenn Not am Mann ist, läuft er sogar noch mal für ein paar Minuten auf. „Das Knie wird zwar auch heute noch dick. Ich darf es nicht übertreiben. Aber wenn man erst mal wieder auf dem Platz steht, dann ist es fast so wie in alten, jungen Tagen.“