Naunhof. Seit Monaten stand Katrin Schuhmann mit ihren Frauen nicht mehr auf dem Platz, seit Monaten hat der SV Klinga-Ammelshain keine Punktspiele in der Landesklasse Nord bestritten. „Corona macht die Vereine kaputt, Corona zerstört die Motivation“, sagt die Trainerin, „ich sehe darin eine existenzielle Gefahr gerade für den Frauenfußball.“ Generell würden immer weniger Mädchen dem runden Leder nachjagen, es gebe immer weniger Mannschaften und fast überall Mitgliederschwund. Die Pandemie verschärfe dieses Problem noch. „Viele denken sich doch mit der Zeit, dass es auch ohne Sport geht, und wer einmal die Lust verliert, der ist weg, und es kommt im Gegensatz zu den Männern auch kaum etwas nach“, meint Katrin Schuhmann.
„Rund 80 Prozent machen mit"
Deshalb versucht sie gegenzusteuern und ihre Schützlinge bei Laune zu halten. Jeden Mittwoch um 19 Uhr schaltete sich Kathrin Schuhmann via Teams-App mit ihren Spielerinnen zum heimischen Online-Training zusammen. Sie macht die Fitness-Übungen vor und sieht auf dem Bildschirm, wer wie mitzieht und kann korrigieren. „Die Resonanz ist gut, rund zwei Drittel der Landesklasse-Frauen und unserer B-Jugend-Mädchen sind dabei. Das ist wichtig, denn dann müssen wir nicht wieder bei Null anfangen. Die Vorbereitungszeit wird wahrscheinlich kurz sein und die Verletzungsgefahr groß, wenn wieder gespielt werden darf.“



Doch weil sich der Spaßfaktor ohne Wettkämpfe in Grenzen hält, hat die Trainerin zusätzlich eine „Challenge“ auf freiwilliger Basis ins Leben gerufen. Heißt: Die Spielerinnen können unter 15 Aufgaben auswählen – unter anderem Joggen, Radfahren, Hometrainer und Jonglieren – und dabei Punkte erkämpfen. „Wir haben Gruppen zu je fünf, sechs Frauen gebildet,. Die jeweiligen Teamkapitäne melden mir am Wochenende, wer welche Übungen absolviert hat“, erzählt Katrin Schuhmann, „ich fasse dann alles zusammen und erstelle ein Punkte-Ranking. Das erhöht den Ehrgeiz und wird ebenfalls gut angenommen. Rund 80 Prozent machen mit.“
Schuhman investiert viel Zeit in den Fußball
Katrin Schuhmann war selbst leidenschaftliche Fußballerin. Sie wuchs in Leipzig auf, ihr Vater war Trainer bei Rotation und nahm sie früh mit auf den Rasen. „Ich habe schon als Sechsjährige begonnen und in Jungsmannschaften gespielt, bis ich zwölf war und nicht mehr durfte.“ Inzwischen nach Brandis umgezogen, entdeckte sie mit 17 erneut die Lust aufs Kicken. „Ich habe zufällig in der Zeitung gelesen, dass in Tresenwald Mädchen gesucht werden und wieder angefangen.“ Als sie wegen einer Verletzung pausieren musste, wurde sie mit 19 Trainerin, mittlerweile besitzt sie den B-Schein.
Lange Jahre war sie Spielertrainerin, zunächst in Tresenwald, dann in Brandis und Polenz. Dass sie mit dem kompletten Team mehrfach den Verein wechselte, hatte unterschiedliche Gründe. Manchmal fühlten sich die Frauen wegen mangelnder Unterstützung als fünftes Rad am Wagen, mitunter fehlten aber auch einfach Trainingsplätze. Erst beim SV Klinga-Ammelshain fand sie 2008 mit ihrer Mannschaft gute Bedingungen, wagte zudem den Schritt vom Klein- aufs Großfeld. Zwei Jahre später wurde sie mit ihren Frauen Bezirksmeister – und hängte danach wegen Knieproblemen die Schuhe an den Nagel.
Aber sie blieb Trainerin. Katrin Schuhmann wohnt in Brandis, arbeitet in Leipzig bei einer Versicherung und investiert immer noch viel Zeit in den Fußball, obwohl sie drei Kinder hat. Ihre neun- und siebenjährige Töchter nimmt sie mit zum Training, ihr einjähriger Sohn wird dann zu Hause von ihrer Frau betreut. Als Spielerin hatte sie früher Anfragen von höherklassigen Vereinen. „Aber ich wollte nicht alles dem Sport unterordnen, zumal selbst Erstliga-Spielerinnen nicht vom Fußball leben können. Man muss entscheiden, was man will und was wirklich wichtig ist.“
Gratwanderung zwischen Spielerinnen-Anforderungen
Der Fußball ist für sie ein schönes Hobby, das sie nicht missen möchte, aber auch ein ständiger Kampf um Spielerinnen, darum, die Mannschaft Woche für Woche voll zu bekommen. „Frauen müssen sich in ihrem Team wohl fühlen, das ist das wichtigste, da braucht man auch im Training viel Fingerspitzengefühl.“
Eine Spielerin, die gerade vom Schichtdienst in der Altenpflege komme und erschöpft sei, benötige andere Anreize und eine andere Ansprache als eine Schülerin, die den ganzen Tag gesessen habe und sich auspowern wolle. „Manchmal ist es schwierig, angesichts des unterschiedlichen Leistungsniveaus technisch-taktische Dinge zu üben, andererseits soll das Team am Wochenende fit sein und Spiele gewinnen. Das ist eine Gratwanderung, der ich gerecht werden muss.“
„Deshalb müssen wir jetzt kreativ sein“
Für ihr Freizeit-Team sei die Landesklasse das Optimum, mit dem derzeitigen sechsten Platz ist Katrin Schuhmann zufrieden. Ein Aufstieg in die Landesliga sei unrealistisch. „Wir müssten da bis Görlitz, Bautzen oder Hoyerswerda fahren, das wäre schon zeitlich nicht zu stemmen, und das will auch keiner.“
Was sie und ihre 17 Spielerinnen eint: Sie wollen Spaß haben, sich wohl fühlen und ihrem Hobby so gut wie möglich nachgehen können. „Deshalb ist Corona so gefährlich für den gesamten Amateursport“, glaubt Katrin Schuhmann, „deshalb müssen wir jetzt kreativ sein.“ Online-Training und interne Challenge-Wettkämpfe sind aber auch für sie nur Notlösungen, die auf Dauer nicht reichen werden, um alle bei der Stange zu halten. „Wenn wir nicht bald wieder auf den Platz dürfen, wird es sehr schwer, dann werden wohl viele abspringen.“
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