Duisburg/Dresden. Wenn Olympiasieger Tom Liebscher (KC Dresden) bei Meisterschaften antritt, gilt er eigentlich als Medaillen- oder sogar Titelgarant. Doch in diesem Jahr ist alles ein wenig anders. Bei der Deutschen Meisterschaft der Rennkanuten in Duisburg – in Corona-Zeiten so etwas wie der Saison-Höhepunkt – erreichte der 27-Jährige im Sprint über 200 m Platz sechs und über die 1000 m kam der mehrmalige Weltmeister über diese Distanz auf den achten Rang. Für den erfolgsverwöhnten Dresdner ungewohnt. Und er redet auch nicht um den heißen Brei herum: „Ich habe das diesmal in den Sand gesetzt. Da muss ich mir ein, zwei Gedanken machen. Man sieht, dass der Druck von den jüngeren Athleten größer wird und dass man in so einem Feld schnell unter die Räder kommen kann“, gibt er vor allem mit Blick auf die 1000 m zu. Da sei der Leistungsabfall am Ende doch zu groß gewesen.
Allerdings macht Heimtrainer Jens Kühn das Ergebnis seines Topathleten weniger Probleme: „Wir wollten über 200 m seinen Start verbessern, haben dafür seine Spezialstrecke, die 500 m, weggelassen. Als der Zeitplan rauskam, hatte er dann am Sonnabend ein Mammutprogramm über die beiden Distanzen und das bei schweinischen 35 Grad Hitze. Deshalb ist das nicht überzubewerten. Bei den beiden Leistungstests zuvor hat er sich sehr gut verkauft.“ Tom selbst aber will die Bedingungen und seine vielen Rennen nicht als Entschuldigung sehen: „Ich bin kein Freund von Ausreden. Ich denke, ich kann einiges davon ableiten. Man lernt einiges zu schätzen, was zum Beispiel die ganze Planbarkeit angeht, die dieses Jahr nicht gegeben war. Und man sieht, wie schnell ein System ins Wanken kommen kann.“ Mut aber machen ihm die Ergebnisse der Trainingsgruppe. „Die Jungs haben gezeigt, dass die Gesamtausrichtung stimmt.“



So präsentierte sich Jonas Dräger über 200 m in ganz starker Form, erkämpfte sich nach seinem Sieg im Vorlauf im Finale hinter Top-Favorit Ronald Rauhe (Potsdam) überraschend die Silbermedaille, schaffte es auch über 500 m ins A-Finale und belegte dort Platz sieben. „Jonas hat richtig Eindruck hinterlassen“, freute sich Jens Kühn. Die Belohnung folgte noch am Sonntagabend: Der Verband nominierte Dräger für den einzigen Weltcup in Szeged, den fast das gesamte A-Team allerdings auslässt. Ebenfalls für Szeged nominiert wurde Jakob Kurschat (WSV „Am Blauen Wunder“), der im Vorfeld gute Leistungen zeigte, bei der DM wegen Infekt fehlte.
Was Liebscher und natürlich Jens Kühn besonders freute, waren die guten DM-Ergebnisse des Dresdner Nachwuchses. So holte sich Tobias Hammer (WSV) am Sonntag den Junioren-Titel über 500 m, zuvor war er über 1000 m als Vierter noch knapp an Edelmetall vorbei gepaddelt. Über 200 m gewann Ben Lehmann (WSV) Bronze, dazu kamen weitere vordere Platzierungen von Tim Stieberitz (KCD), Albert Fritzsche, Estella Damm (beide WSV) und Lisa Marie Kieschnick (Laubegast). „Es zeigt, wir sind mit den Talenten gut durch die Corona-Krise gekommen“, so Kühn. Für Hammer, Stieberitz, Fritzsche, Lehmann und Damm geht es bereits am Montag ins Trainingslager nach Kienbaum zur Vorbereitung auf die Olympic Hopes im September in Szeged. „Tobias Hammer, Albert Fritzsche und Estella Damm sind dafür schon fest nominiert. Ich hoffe, die anderen beiden schaffen es auch noch ins Team“, so der Coach.
Für die Leistungsklasse steht in drei Wochen ein Abschluss-Wettkampf in München an. Liebscher muss allerdings an diesem Mittwoch erst noch die letzte Semester-Prüfung im Studium hinter sich bringen.