Jörg, du hast ja im Pokal-Halbfinale 1992 gegen Bremen den entscheidenden Elfmeter verwandelt – hättest du im Finale auch einen geschossen?
Ja, wenn Michael (Schjönberg, d. Red., hier im Interview) nicht getroffen hätte, wäre ich wieder als sechster Schütze dran gewesen. Es ist zum Glück nicht dazu gekommen.
Warst du gegen Bremen als Elfmeterschütze eingeteilt?
Das kann man sich heute ja gar nicht mehr vorstellen, dass mitten im Elfmeterschießen der Trainer auf den Platz rennt. Ich dachte mir: Was will er denn, dass ich einen halten muss, weiß ich selber. Da stand Michael Lorkowksi und fragte: Willste schießen? Ich sagte: Okay, dann mache ich das. Dann legst du dir den Ball zurecht, schaust auf und erschreckst dich: Das Tor ist ja wirklich so klein, wie alle sagen.
Du warst ja nicht gerade als Elfmeterschütze bekannt und gefürchtet…
Ich habe mal in der Jugend Elfmeter geschossen, aber sonst auch nicht. Davor im Herrenbereich nicht – und danach auch nie wieder. Ich habe lieber Elfmeter gehalten.
Heute informieren sich Torhüter mit Youtube-Videos über die bevorzugten Ecken der Elfmeterschützen, 2006 bekam Jens Lehmann vorm Elfmeterschießen im WM-Viertelfinale gegen Argentinien vom Torwarttrainer einen Zettel zugesteckt, wohin welcher Argentinier vermutlich schießt – hast du dich 1992 auch auf die Gladbacher Elfmeterschützen vorbereitet?
Nein, früher gab es das in dieser Form nicht, dieses absolute Datensammeln und alles auswerten. Jeder glaubt ja, dass man bei Elfmetern an irgendetwas erkennen kann, wo jemand hinschießt. Das ist Quatsch. Das funktioniert nicht. Gerade heutzutage, wenn ein Spieler weiß, dass er dreimal in eine Ecke geschossen hat – ob er dann das vierte mal wieder dahinschießt, das bezweifele ich einfach. Es ist sehr schwer mit den Daten die man hat, umzugehen. Ich bin da sehr vorsichtig.

Hast du damals vor den gehaltenen Elfmetern von Karlheinz Pflipsen und Holger Fach irgendwas gesehen - vielleicht die Angst in den Augen der Schützen?
Nein, darauf habe ich nicht geachtet. Ich habe einfach immer nach Bauchgefühl entschieden. In meiner ganzen Karriere. Das hat ganz gut funktioniert.
Wie wird man eigentlich als Zweitligist Pokalsieger?
Wir wissen bis heute nicht, wie wir das geschafft haben. Wir waren in der Zweitligasaison nicht gerade überragend. Für uns war ja schon unfassbar, dass wir überhaupt nach Berlin gekommen sind. Das war ja nicht zu glauben. Heutzutage hat man als Zweiligist gegen einen Erstligisten fast keine Chance mehr. Die Schere ist eher noch weiter auseinandergegangen.
Im Mai 1992 schaffte Hannover 96 Einmaliges: Als Zweitligist gewannen die Niedersachsen das Pokalfinale in Berlin gegen den hohen Favoriten Borussia Mönchengladbach. Hier die besten Fotos:
Warum folgte nach dem Pokalsieg nicht gleich der Aufstieg, sondern 1996 sogar der Abstieg in die dritte Liga?
Weil es dem Verein sehr schlecht ging, das Geld aus der Pokalsaison wurde in erster Linie dazu benutzt, um Altlasten in Ordnung zu bringen. In die Mannschaft ist wenig geflossen, es wurde wenig investiert für die neue Saison. Dann ist der Karsten Surmann (hier im Interview) zu St. Pauli gegangen, der Michael Lorkowski hat ihn mitgenommen – also hatten wir mehr Abgänge als namhafte Zugänge.
Du wirst immer Pokalheld bleiben, aber du bist mit 96 auch noch 2002 in die erste Liga aufgestiegen. Welchen Erfolg würdest du ganz oben ansiedeln?
Ich stelle zwei Dinge auf eine Stufe: Das ist der Pokalsieg und der Aufstieg in die zweite Liga 1998. Das war für den Verein zwingend notwendig, wenn wir das damals nicht geschafft hätten, würden wir heute hier nicht in der HDI-Arena stehen, dann würde das alles hier in der Form so nicht geben. Das war überlebenswichtig für den Verein.
Welchen Anteil hat Trainer Michael Lorkowski am Pokalsieg?
Er hat das damals alleine gemacht, hatten keinen großen Stab, noch nicht mal einen Ko-Trainer. Er hat es geschafft, eine Mannschaft zu formen, die auch als Mannschaft aufgetreten ist. Und er hatte in den Pokalspielen das Glück, das du dann auch brauchst. Das ist auch eine Qualität.
Dafür hat er dreimal soviel Prämie bekommen wie ihr...
Es konnte ja keiner ahnen, dass wir so weit kommen. Und dann muss man auf den letzten Drücker Prämienverhandlungen führen. Aber ist schon okay so, es war ja auch zu einem großen Teil der Erfolg des Trainers.
Noch mehr lesenswerte Interview mit den Helden von 1992 lest Ihr auf unserer Themenseite zum Pokalsieg 1992 von Hannover 96.
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