Leipzig. Von wegen alt und verstaubt: Das Spiel der Könige erlebt zur Zeit eine echte Renaissance. Bedingt durch die Corona-Pandemie und die gefeierte Netflix-Serie „Das Damengambit“, in der das Mädchen Elizabeth Harmon ihr Schach-Talent in einem Waisenhaus entdeckt und sich von dort an die Weltspitze kämpft, schießen die Anmeldezahlen auf Online-Schach-Plattformen in die Höhe.
Eigene Erwartungen bei weitem übertroffen
Bei der Schachgemeinschaft Leipzig merkt man von diesem Hype indes (noch) nichts. „Wir können momentan ja nicht vor Ort präsent sein“, meint Jugendtrainer Matthias Liedtke. Doch im Netz sorgt auch die SG Leipzig für Furore. Mit der maximalen Ausbeute von drei Siegen aus drei Runden sind die Leipziger in der Deutschen Schach-Online-Liga (DSOL) ganz vorne mit dabei – und das, obwohl sich Gegner wie der Bundesligist Werder Bremen in ihrer Gruppe befinden. „Wir sind selbst überrascht“, gesteht Liedtke lachend. „Unser Ziel war es eigentlich, nicht abzusteigen.“



Die Möglichkeit mit seinem Team an dem Online-Turnier teilzunehmen, kam dem 51-Jährigen sehr gelegen. Denn die Lust auf Schach ist auch während des Lockdowns ungebrochen. „Hier können die Jungs das Gelernte aus dem Training gleich praktisch anwenden und wir werten die Spiele im Anschluss aus“, erklärt Liedtke. Bereits die Premiere der DSOL, die im Zuge der coronabedingten Zwangspause vom Deutschen Schachbund und der Softwarefirma ChessBase ins Leben gerufen wurde, stieß auf große Resonanz. 250 Mannschaften meldeten sich im vergangenen Jahr an. Bei der zweiten Auflage, die im Januar gestartet ist, war der Andrang mit 385 Teams und 3000 Spielerinnen und Spielern sogar noch mal deutlich größer. Neben Liedtkes Team nehmen noch weitere Mannschaften aus Leipzig und Umgebung teil.
Internet-Verbindung kann über Partien entscheiden
Je nach Spielstärke sind diese in 13 Ligen eingeteilt, das Schach-Team der SG Leipzig tritt trotz seines jungen Alters bereits in der obersten Liga an. „Bei uns sind die meisten um die 16 Jahre jung, der Jüngste sogar erst zehn“, erzählt Liedtke. Einer seiner Schützlinge ist Laurin Haufe. Der 15-Jährige kennt die Besonderheiten des Online-Schachs, weiß, worauf es ankommt: „Das wichtigste ist eine gute Internet-Verbindung.“ Bricht diese während des Spiels ab, kostet das wertvolle Zeit. Denn die 45-minütige Bedenkzeit läuft währenddessen weiter. „Das kann schon mal Partien entscheiden“, weiß Haufe. Normalerweise wird Online-Schach mit einer sehr kurzen Blitzbedenkzeit gespielt, dass diese bei den Partien der DSOL deutlich länger ist, gefällt ihm. „Es macht Spaß, dort anzutreten, und sich mit unterschiedlichen Gegnern zu messen.“
Vorbereitung auf vier mögliche Gegner – Entscheidung kurz vorher
Da die Spieltage Mannschaftswettkämpfe sind, treten immer vier Spieler aus den jeweiligen Teams gleichzeitig gegeneinander an. Welches Team am Ende die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt. Die Aufstellungen werden am Spieltag eine Stunde vor Wettkampfbeginn eingereicht, anschließend werden die Paarungen bestimmt. Eine gezielte Vorbereitung auf einen Gegner ist dadurch schwierig. Für Haufe ist das jedoch kein Problem. „Ich bereite mich einfach auf alle vier möglichen Gegner vor“, erklärt der Schüler. Aus einer Schachdatenbank, in der Millionen von Partien gespeichert sind, pickt er sich die Spiele seiner Gegner heraus, und versucht, Schwachstellen in deren Spiel zu finden, die er nutzen kann. Auf jeden potenziellen Gegenspieler bereitet Haufe sich eine knappe Stunde vor. Ein Aufwand, der sich auszahlt: Bislang konnte der 15-Jährige jede seiner Partien für sich entscheiden.
Noch ist das junge Team um Haufe übrigens die einzige Mannschaft der SG Leipzig, die an der DSOL teilnimmt. Trainer Liedtke hofft aber, auch die anderen Mannschaften des Vereins für die nächste Auflage zu überreden. Noch lieber wäre ihm allerdings, wenn alle bald wieder von Angesicht zu Angesicht Schach spielen könnten. Dann im neuen Vereinsheim, das gerade gebaut wird.
Anzeige: Erlebe die gesamte Bundesliga mit WOW und DAZN zum Vorteilspreis