Schon auf dem Parkplatz vor dem Glaspalast in Sindelfingen wird deutlich, welche U19-Mannschaft die meiste Unterstützung mitgebracht hat. Es ist das Team von Galatasaray Istanbul. Rund 400 Fans haben sich versammelt, mit Trommeln, Bannern und lautstarken Gesängen empfangen sie den Bus der Talente des türkischen Rekordmeisters. Ankunft wie bei den Stars.
Sie sind am Samstag zum Auftakt des zweitägigen Junior Cups gekommen. Nach zweijähriger Pandemie-Pause steht die 31. Auflage an. Bei diesem Hallenturnier im rund 20 Kilometer von Stuttgart entfernten Sindelfingen treten acht Top-Nachwuchsteams auf. Neben Istanbul sind es die Bundesliga-Vertreter VfB Stuttgart, FC Augsburg, 1. FC Köln und RB Leipzig sowie Benfica Lissabon, Manchester United und Titelverteidiger Rapid Wien.
Das Eröffnungsspiel zwischen Lokalmatador Stuttgart und Galatasaray kennt nur einen Sieger: die Fans auf den Tribünen. In der mit rund 6000 Zuschauern ausverkauften Halle übertönen die Fans des Istanbuler Nachwuchsteams alles. "Sie kommen mit Bussen aus ganz Europa", erklärt ein Sprecher von Autobauer Mercedes Benz, der den Junior Cup organisiert und sponsert. Trommeln, Singen, Springen - mit diesem Dreiklang treiben sie die A-Jugendlichen ihres Vereins nach vorn. "Egal ob U12, U14, U19 oder Profis, wir sind immer da, denn wir lieben Galatasaray", sagt Semih Karlitepe, der selbst aus der Region Stuttgart kommt.
Nicht nur die Fans von "Gala" wissen, dass man beim Hallenturnier im Umland der baden-württembergischen Hauptstadt einige Stars von morgen zu Gesicht bekommen kann. Die Liste der Nachwuchskicker, die später im Weltfußball durchgestartet sind, ist lang. 13 ehemalige Junior-Cup-Teilnehmer waren bei der WM in Katar dabei, darunter Joshua Kimmich, Leroy Sané und Manuel Neuer aus Deutschland sowie der Engländer Marcus Rashford. Auch Weltmeister und Ex-Nationalspieler Mesut Özil zauberte hier schon. Insgesamt hat der Veranstalter 143 Nationalspieler aus 48 Ländern aufgelistet.
Schirmherr Cacau: "Beste Spieler bei den Profiteams"
Schirmherr des Events ist erstmals Cacau (41), der von 2003 bis 2014 für den VfB Stuttgart spielte und aktuell Markenbotschafter beim schwäbischen Bundesligisten ist. Der gebürtige Brasilianer selbst war aktiv nie beim Junior Cup dabei, weiß aber um den Stellenwert des Turniers. "Gerade der Austausch mit internationalen Topmannschaften ist wichtig, um sich weiterzuentwickeln", sagt der 23-malige deutsche Nationalspieler, der bei der WM 2010 mit dem DFB-Team Dritter wurde. In diesem Jahr, nach zwei ausgefallenen Austragungen wegen Corona, sind auffällig viele Top-Talente nicht mit dabei. "Die besten Spieler sind mit den Profiteams im Trainingslager", erklärt Cacau.
Zahlreiche Scouts sind trotzdem gekommen. Nach SPORTBUZZER-Informationen allein drei, die nur für Manchester United auf dem europäischen Festland nach kommenden Stars fahnden. Ein ehemaliger Chefscout von zwei Bundesligisten sieht den Umstand, dass einige der besten Nachwuchsspieler diesmal fehlen, als große Chance - sowohl für die Spieler auf dem Feld als auch für die Talentsucher auf den Tribünen. "Andere spielen sich in den Vordergrund, haben hier die Möglichkeit, ihre Qualität zu zeigen", sagt er im Gespräch in einer Kabine. Namentlich genannt werden möchte er nicht. Es gehört zum guten Ton in der Branche, in diesem Bereich will man im Hintergrund arbeiten. "Hier werden nun vielleicht Spieler entdeckt, die plötzlich aus dem Schatten treten, wenn andere mal nicht dabei sind", betont er.
Jens Nowotny schaut ebenfalls genau hin. Der 48-Jährige tut das im Gegensatz zu den Scouts aber ohne Geheimnis. Nowotny lief von 1997 bis 2006 im Trikot der Nationalmannschaft auf, stand auch bei der Heim-WM vor 16 Jahren noch im Kader. Der ehemalige Profi von Bayer Leverkusen ist nun Co-Trainer der U19 beim DFB. Er sieht den Junior Cup als "Gelegenheit, sich in Ruhe mit den Nachwuchsspielern auszutauschen", sagt Nowotny dem SPORTBUZZER, dem Sportportal des RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), am Rande des Turniers. Das Format in der Halle sieht Nowotny dabei als "ideal, um die Stärken im modernen Fußball zu trainieren".
Rapid Wien gewinnt mit Bajlicz als bestem Spieler des Turniers
Neben Nowotny, Cacau und den Scouts geben sich zahlreiche (Ex-)Trainer aus der Bundesliga die Ehre, etwa Tayfun Korkut (Stuttgart, Hannover, zuletzt Hertha BSC) und Marco Pezzaiuoli (ehemals TSG Hoffenheim und DFB-Nachwuchs). Unter den Augen der namhaften Gäste auf der Tribüne schnitt aus deutscher Sicht der FC Augsburg als Dritter am besten ab: Der FCA schlug Manchester United im "kleinen Finale" mit 1:0.

Am überzeugendsten trat Rapid Wien auf. Die U19 aus der österreichischen Hauptstadt hatte schon bei der bislang letzten Austragung im Jahr 2020 den Titel geholt. Und ist auch dieses Mal wieder erfolgreich. Der Titelverteidiger gewann alle Spiele, darunter 9:0 gegen Benfica - die Portugiesen gewannen mit ihrer A-Jugend der vergangenen Saison immerhin die Youth League, die Champions League für den europäischen Klub-Nachwuchs. Auch der beste Spieler kam von Rapid: Nicolas Bajlicz wurde Torschützenkönig und erhielt von Schirmherr Cacau die Trophäe für den besten Spieler des Turniers - ebenso wie ein gewisser Joshua Kimmich im Jahr 2013. Der 18 Jahre alte Stürmer spielte in der Vergangenheit für die Jugend des 1. FC Köln, wechselte im Sommer aber nach Wien.
Im Finale am Sonntagabend siegte Rapid um Bajlicz mit 4:0 gegen Galatasaray. Das türkische Team wurde immer noch von einigen Anhängern im Glasplast unterstützt. Es waren aber weniger als an Turniertag eins. Der wahrscheinlichste Grund: Zeitgleich lief das Istanbul-Derby zwischen Fenerbahce und Galatasaray (1:3) – nicht ausgeschlossen, dass bei diesem Spitzenspiel in der Zukunft auch Spieler von lautstarken "Gala"-Anhängern unterstützt werden, die an diesem Wochenende noch in Sindelfingen aufgelaufen sind.
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