03. März 2023 / 08:00 Uhr

Kaiserslautern-Trainer Dirk Schuster über Fan-Choreos: Ganz sicher kein "Feind von Pyrotechnik generell"

Kaiserslautern-Trainer Dirk Schuster über Fan-Choreos: Ganz sicher kein "Feind von Pyrotechnik generell"

René Wenzel
RedaktionsNetzwerk Deutschland
Dirk Schuster übernahm im Mai 2022 den Trainer-Posten beim 1. FC Kaiserslautern.
Dirk Schuster übernahm im Mai 2022 den Trainer-Posten beim 1. FC Kaiserslautern. © IMAGO/Thomas Frey (Montage)
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Trainer Dirk Schuster hat Drittliga-Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern auch in der 2. Bundesliga zum Aufstiegskandidaten geformt. Im SPORTBUZZER-Interview spricht der 55-Jährige unter anderem über die Chancen der Pfälzer auf den Sprung ins deutsche Oberhaus, die eigenen Fans und den Einsatz von Pyrotechnik.

Der 1. FC Kaiserslautern spielt als Zweitliga-Neuling um den Bundesliga-Aufstieg mit. Trainer Dirk Schuster denkt aber noch nicht den Durchmarsch. Vor dem Spiel beim 1. FC Magdeburg am Freitagabend (18.30 Uhr, Sky) spricht der 55 Jahre alte Chef-Coach im Interview mit dem SPORTBUZZER, dem Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) über die Aufstiegschancen, Vergleiche mit der Zeit in Darmstadt und die FCK-Fans.

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SPORTBUZZER: Herr Schuster, die Option Bundesliga-Aufstieg ist nach dem Sieg gegen Greuther Fürth wieder etwas näher gerückt. Wie groß ist die Sehnsucht in der Pfalz nach der Bundesliga? Das letzte Spiel im Oberhaus liegt schon fest elf Jahre zurück…

Dirk Schuster (55): So richtig gespürt habe ich das noch nicht. Mir wurde es nur zugetragen, dass es ab und an diese Wünsche gibt. Denn natürlich ist die Sehnsucht nach Erfolg groß, das ist vielerorts so. Aber hier haben die Fans in den vergangenen Jahren auch die nötige Demut gelernt..

Sie haben zuletzt gesagt, dass sich der Verein erstmal in der 2. Bundesliga etablieren sollte. Würden Sie also einen Aufstieg ablehnen?

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Das ist Quatsch. Aber wir werden jetzt nicht anfangen, unsere Ziele umzuformulieren. Dazu gibt es gar keinen Grund. Hier steht ehrliche Arbeit an erster Stelle. Wir bereiten die Mannschaft jeden Tag so vor, dass sie konkurrenzfähig ist. Und bis jetzt haben wir uns sehr teuer verkauft. Klar ist, dass für uns erstmal nur die 40-Punkte-Marke zählt.

Dann fehlen Ihnen nur noch zwei Zähler…Es sind aber auch nur fünf Punkte bis zum Relegationsplatz. Mit einer Relegation haben sie erst im vergangenen Sommer Erfahrung gesammelt. Wäre das ein Vorteil?

Lassen Sie uns jetzt nicht mit solchen Themen befassen. Wir werden jetzt nicht unsere Zeit und Energien für solche Dinge verballern. Oft kommt es eh anders, als man es denkt.

Das war in Darmstadt damals ähnlich. Dort hat auch niemand vor der Saison mit den Lilien gerechnet – am Ende wurden Sie zweiter und sind aufgestiegen. Erkennen Sie Parallelen?

Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Wir als Trainerteam haben damals schon sehr lange mit der Mannschaft zusammengearbeitet. Wir sind hier jetzt erst seit knapp zehn Monaten, hatten einige Veränderungen im Sommer und haben an verschiedenen Stellschrauben gedreht. Ich denke, dass wir uns in dieser Liga, die im Vergleich zu damals etwas stärker ist, sehr wacker schlagen. Am Ende der Fahnenstange sind wir aber noch lange nicht angekommen.

Sie haben damals mit Darmstadt im ersten Jahr den Klassenerhalt geschafft, im zweiten Jahr stieg der Klub nach Ihrer Entlassung ab. Ist das ein gutes Beispiel dafür, dass es Klubs mit geringen finanziellen Mitteln in der Bundesliga nicht lange "überleben"?


Die Kluft ist schon enorm. Aber diese Saison zeigt erneut, dass man für Erfolg nicht das große Geld benötigt. Schauen Sie sich Union Berlin, den SC Freiburg oder auch Mainz 05 an - das sind alles Klubs, die mal als kleiner Fisch aufgestiegen sind und sich inzwischen zu einem großen Fisch entwickelt haben.

Wenn es mit Lautern nicht funktionieren sollte – träumen Sie persönlich von einer Bundesliga-Rückkehr?

Natürlich ist das immer ein Ziel., das ich damals als Spieler verfolgt und jetzt als Trainer im Auge habe. Man möchte immer am liebsten maximal weit oben arbeiten. Aber in diesem Land leben über 83 Millionen Menschen. 36 davon haben ein Trainerjob in der 1. oder 2. Bundesliga. Und ich bin einer davon. Ich bin sehr glücklich und froh, dass ich hier beim 1. FC Kaiserslautern mit dieser Mannschaft arbeiten darf. Die tägliche Arbeit macht mir richtig viel Spaß.

Viel Freude dürfte bei Ihnen auch aufkommen, wenn Sie über die FCK-Fans sprechen. Auch am Freitag nach Magdeburg wird das Team wieder von mehreren tausend Anhängern begleitet. Wie nehmen Sie die Stimmung in den Stadien wahr?

Die Unterstützung ist fantastisch. Das geht schon los, wenn wir uns den Platz anschauen. Da stehende tausende Fans auf der Tribüne und geben der Mannschaft ein besonderes "Hallo". Das motiviert und verursacht auch bei mir eine Gänsehaut. Auch was die Fans für Choreos machen, ist einfach unglaublich.

Schuster: "Man sollte sich an die Regeln halten"

Und Pyrotechnik gehört auch oft dazu…

Es ist zwar nicht erlaubt, aber es ist teilweise schon schön anzuschauen, ehrlich gesagt. Ich würde mir wünschen, dass es kontrollierte Bestimmungen dafür gebe, die die Sicherheitsaspekte berücksichtigen. Solange es verboten ist, sollte man sich an die Regeln halten. Aber ein Feind von Pyrotechnik generell bin ich ganz sicher nicht.

Sie kennen die Lautern-Fans und den Betze bereits aus Ihrer aktiven Zeit als Spieler sowie Trainer einer gegnerischen Mannschaft. Zählt dieser Ort für einen Fußballer zu den "schlimmsten" in Deutschland?

Als wir früher mit dem Bus hier den Berg hochgefahren sind, dann hat sich das rechts und links angefühlt wie eine rot-weiße Mauer. Es war teilweise auch nicht so freundlich, wenn man hier als Auswärtsmannschaft angekommen ist (lacht). Das hat mich schon damals sehr beeindruckt. Es wird einem schon auf dem Weg zum Stadion vermittelt, was einen erwartet. Ich würde nicht sagen, dass ich Angst hatte, aber ich hatte mindestens großen Respekt.

Die Heimstärke wäre wichtig, wenn man auch um die vordersten Plätze mitspielen möchte. Entscheidet sich der Aufstieg unter den ersten vier Teams?

Davon gehe ich aus. Darmstadt wird sicherlich aufsteigen. Die Mannschaft wirkt sehr gewachsen und ist auch individuell top aufgestellt. Der HSV, Heidenheim und Paderborn werden den zweiten und dritten Platz unter sich ausmachen.

Sie sprechen sehr überzeugt von ihrem Ex-Klub Darmstadt. Als Trainer standen Sie bei den Lilien in 179 Pflichtspielen an der Seitenlinie, sind mit dem Klub in die Bundesliga marschiert. Sind Sie nach den vielen Jahren ein Fan des Vereins?

Als Fan würde ich mich nicht bezeichnen. Eher als ein Sympathisant und Beobachter, der etwas genauer dorthin schaut. Ich fiebere da jetzt nicht so extrem mit, knabbere nicht an den Fingernägeln. Aber ich würde mich freuen, wenn sie erneut den Aufstieg schaffen.

Sie haben sich in Darmstadt auch privat sehr wohlgefühlt. Wie geht´s Ihnen in Kaiserslautern?

Ich habe meinen Hauptwohnsitz in Karlsruhe – dort wohnen auch meine Frau und meine Tochter. In Kaiserslautern habe ich zusätzlich noch eine kleine Wohnung. Die Menschen hier sind sehr aufgeschlossen und direkt. Mit dem Dialekt habe ich keine Probleme. Aber mein Co-Trainer Sascha Franz besitzt ein pfälzisches Wörterbuch (lacht).

Apropos Co-Trainer. Gehen Sie mit ihm eigentlich immer noch die obligatorische Strecke laufen einen Tag vor den jeweiligen Spielen?

Natürlich. Ein Tag vor den Spielen sind es immer die zehn Kilometer. Wir gehen mit einigen aus unserem Trainerteam ein bis zweimal die Woche laufen. Mit unserem Videoanalysten bin ich zuletzt erst noch einen Halbmarathon gelaufen.

Und dann schön mit einer 5er-Pace?

Nein, wir sind jetzt auch nicht mehr die Jüngsten (Schuster ist 55 Jahre alt, Anm. d. Red.). Wir laufen eher sechs Minuten pro Kilometer im Schnitt.

Schuster über das Stadion als "Wohnzimmer"

Wie lenken Sie sich sonst noch ab?

Für viele andere Dinge habe ich leider keine große Zeit. Ich bin von früh bis spät mit der Mannschaft beschäftigt. Wir führen auch mit den Verantwortlichen viele vereinsinterne Gespräche und reden dabei unter anderem über die Strukturierung der Mannschaft. Mein Tag beginnt früh am Vormittag und endet am späten Abend. Das Stadion ist dabei unser Wohnzimmer.

Sie lassen sich auch immer wieder spezielle Dinge einfallen. In Darmstadt musste der Trainingsschlechteste ein pinkes Shirt mit der Aufschrift "Tussi" und "Fehleinkauf" tragen. Gibt´s das in Kaiserslautern auch?

Das war damals eine lustig gemeinte Geschichte in Darmstadt, aber sowas machen wir heute nicht mehr. Bei uns müssen die Spieler, die den schlechtesten Punkteschnitt im Monat haben, der Mannschaft ein Frühstück kredenzen und natürlich auch selbst zahlen. Manche bezahlen einen Cateringservice, andere kochen auch selbst und servieren beispielsweise Rührei.

Rührei mit Bacon – das klingt nach einem "American Breakfast". Im kommenden Sommer geht´s für ein Trainingslager in die USA. Schwingt da nicht ein wenig Kommerz mit?

Wir treten diese Reise an, um dort ein Trainingslager abzuhalten. Und zwei Testspiele. Wir fliegen dort zum Arbeiten hin. Natürlich wird es auch den ein oder anderen öffentlichen Auftritt geben und wir werden den Deutschen Fußball dort vertreten. Aber das Hauptaugenmerk liegt klar auf dem Sportlichen.

Es ist also keine Maßnahme, um sein eigenes Produkt besser zu vermarkten? So machen es inzwischen viele Klubs…

Natürlich gehört auch der Punkt Vermarktung mit dazu. Das bringt nun mal die Gesellschaft und auch die Entwicklung mit sich. Man muss eine gute Balance finden und sicherlich in diesen Bereichen etwas machen, um auf Dauer konkurrenzfähig zu sein. Man darf es aber nicht übertreiben.

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