10. Dezember 2022 / 11:58 Uhr

Historischer Karten-Rekord: Rafati kritisiert "selbstverherrlichenden" Schiedsrichter-Auftritt

Historischer Karten-Rekord: Rafati kritisiert "selbstverherrlichenden" Schiedsrichter-Auftritt

René Wenzel
RedaktionsNetzwerk Deutschland
SPORTBUZZER-Kolumnist und Ex-Referee Babak Rafati (rechts) blickt auf die desolate Leistung von Schiedsrichter Antonio Mateu Lahoz im WM-Viertelfinale zwischen Argentinien und den Niederlanden.
SPORTBUZZER-Kolumnist und Ex-Referee Babak Rafati (rechts) blickt auf die desolate Leistung von Schiedsrichter Antonio Mateu Lahoz im WM-Viertelfinale zwischen Argentinien und den Niederlanden. © Getty Images/RND (Montage)
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Der Auftritt des spanischen Referees Antonio Mateu Lahoz im WM-Viertelfinale zwischen Argentinien und den Niederlanden war wohl der bisher schlechteste bei diesem Turnier in Katar. SPORTBUZZER-Kolumnist und Ex-Referee Babak Rafati findet deutliche Worte.

Das Viertelfinalspiel bei der Weltmeisterschaft in Katar zwischen Argentinien und den Niederlanden hatte einiges zu bieten. Gestört wurde es nur von einer "desolaten Leistung" des Schiedsrichters Antonio Mateu Lahoz aus Spanien, wie es der der ehemalige FIFA-Referee Babak Rafati im Gespräch mit dem SPORTBUZZER, dem Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), nach dem 4:3-Sieg im Elfmeterschießen für die Südamerikaner auf den Punkt brachte.

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In einem dramatischen Duell sorgte der, um es vorsichtig auszudrücken, sehr unglücklich agierende Unparteiische sogar für einen WM-Rekord. Insgesamt 15 Verwarnungen für Spieler beider Teams gab es nach Angaben des Statistik-Dienstleisters "Opta" zuvor noch bei keinem Match in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften. Zudem zeigte der Spanier Argentiniens Co-Trainer Walter Samuel und Chef-Coach Lionel Scaloni jeweils Gelb und Niederlande-Verteidiger Denzel Dumfries nach dem Elfmeterschießen sogar noch Gelb-Rot. "Das war echt der Wahnsinn, wie Mateu Lahoz mit seiner Spielleitung aus der Reihe gefallen ist. Es war bisher eine so kartenarme WM – und dann kommt dieses Duell, wo der Schiri komplett den Überblick verliert und für ein Karten-Beben sorgt. Man dachte echt, dass er vorher noch nie ein Spiel gepfiffen hat", sagt Rafati.

Der ansonsten oft sehr sympathisch und kommunikativ wirkende 45 Jahre alte Sportlehrer aus Valencia trat mit großen Erwartungen bei dieser WM an. Und er machte es auch gar nicht schlecht, wie er beispielsweise die aus politischen Gründen brisante Partie zwischen dem Iran und den USA mit seiner Erfahrung, Empathie und Umsicht leitete. Doch nach dem Auftritt am Freitagabend ist sich Rafati sicher: "Diesen Schiedsrichter werden wir bei einem großen Turnier nicht mehr sehen."

So bietet Mateu Lahoz noch mehr Angriffsfläche

Mateu Lahoz kam bei dieser WM insgesamt dreimal zum Einsatz. Für das schnelle Kartenzücken war er bereits im Spiel zwischen Gastgeber Katar und Senegal (sechs Verwarnungen) kritisiert worden. Doch im Viertelfinale-Duell fiel der 45-Jährige nicht nur aufgrund der 15 Gelben Karten auf. "Mit seinem selbstverherrlichenden Auftreten hat er noch mehr Angriffsfläche geboten. Er hat in puncto Kommunikation völlig übertrieben und viel zu viele Gespräche geführt. Mateu Lahoz hat mit seinen gefühlt über einhunderttausend Pfiffen versucht, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber die Spieler haben ihn überhaupt nicht mehr für voll genommen", sagt Rafati.

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Der spanische Unparteiische musste auch aus dem Lager des Siegers viel Kritik einstecken. Superstar Lionel Messi wurde in seiner Analyse zwar nicht ganz so deutlich in seiner Wortwahl, wirkte aber extrem angefressen: "Ich möchte nicht über Schiedsrichter sprechen, weil du bestraft werden kannst. Du kannst nicht sagen, was du denkst. Wir hatten vor dem Spiel Angst, weil wir wussten, wer er ist.“ Was der Weltstar damit meint? Die Beziehung zwischen Messi und Mateu Lahoz war bereits vor der Partie angekratzt. Der Spanier hatte dem damals (November 2020) für den FC Barcelona spielenden Weltfußballer für einen Jubel mit einem Trikot des verstorbenen Diego Maradona mit Gelb bestraft.

Argentinien-Held über Lahoz: Schlechtester WM-Schiri

Und man hatte auch im Viertelfinalspiel das Gefühl, dass der Referee es wieder genoss, die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Er hat zehn Minuten Nachspielzeit gegeben. Er wollte, dass sie den Ausgleich erzielen. Die Wahrheit ist, er ist mit Abstand der schlechteste Schiedsrichter der Weltmeisterschaft", schimpfte Argentiniens Elfmeterheld Emiliano Martínez.

Rafati kann all diese Aufregung verstehen und wundert sich mit Blick auf die Partie auch über eine Rudelbildung, bei der aus seiner Sicht Leandro Paredes und Virgil van Dijk vom Platz hätten fliegen müssen. "Paredes hätte erst Gelb für das Foulspiel und dann auch noch Gelb für das Schießen des Balles zur Auswechselbank sehen müssen – in der Summe ist das Gelb-Rot. Und van Dijk hat Paredes mit voller Wucht nach einem Sprint über fast den ganzen Platz umgestoßen – das war eine Tätlichkeit und hätte mit Rot bestraft werden müssen", meint der frühere FIFA-Referee.

Lahoz konnte nicht mehr lachen

Die Aufregung um Mateu Lahoz war so groß, dass es wohl klar sein dürfte, dass er nach dieser Leistung die Heimreise aus Katar antreten muss. "Er lacht ja sonst immer so viel und versucht einiges humorvoll zu lösen. Am Ende konnte er aber nicht mehr lachen. FIFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina wird mit ihm noch nach dem Spiel telefoniert und eine gute Heimreise gewünscht haben", vermutet Rafati. Andere europäische Top-Schiris wie Michael Oliver (England), Clément Turpin (Frankreich), Daniele Orsato (Italien) oder Szymon Marciniak (Polen) verzeichnen aktuell deutlich bessere Chancen auf einen Halbfinal- oder sogar Final-Einsatz.

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