Der beste deutsche Skispringer sah sich das berühmte Bergisel-Springen von Innsbruck diesmal im Hotelzimmer am Fernseher an. Welche Erkenntnisse der sensationell in der Qualifikation gescheiterte Karl Geiger dabei gewonnen hat, ist nicht überliefert. Sein Wunsch, dass die Teamkollegen die dritte Station der 71. Vierschanzentournee "gescheit rocken" sollen, wurde jedoch nicht erfüllt. Stattdessen gab es vor 18.700 Fans ein Debakel mit einem der schlechtesten Tournee-Ergebnisse aller Zeiten: Bester Deutscher war bezeichnenderweise Nachwuchstalent Philipp Raimund auf Platz 13.
Eine hochklassige Flugshow boten dafür andere. Nach zwei souveränen Siegen von Halvor Egner Granerud bei den beiden Tournee-Springen in Deutschland wurde der Norweger am Bergisel von Dawid Kubacki geschlagen. Der Gesamtweltcup-Spitzenreiter triumphierte dank eines starken ersten Sprungs mit 3,5 Punkten Vorsprung vor dem zweitplatzierten Granerud, der mit 133 Metern im zweiten Durchgang erneut die Bestweite schaffte.
Damit nimmt der Überflieger 23,3 Punkte Vorsprung (umgerechnet knapp 13 Meter) im Duell gegen Kubacki mit in das Finale in Bischofshofen am Freitag (16.30 Uhr, ZDF und Eurosport) und steht damit vor dem ersten norwegischen Tournee-Gesamtsieg seit 16 Jahren. Der in Innsbruck auf Rang 18 abgestürzte Doppel-Olympiasieger Andreas Wellinger ist Achter in der Gesamtwertung mit 101,4 Punkten Rückstand – umgerechnet 56,33 Meter.
"Das tut sehr weh. Wir sind mit anderen Zielen hier angetreten und nach einem ordentlichen Beginn in Oberstdorf weit zurückgefallen. Das ist eine schwierige Situation", räumte Bundestrainer Stefan Horngacher ein. Vor allem in der Flugphase als auch in Sachen Selbstbewusstsein sind die Deutschen momentan weit weg von der absoluten Weltelite. Manche Experten sprechen auch von Materialnachteilen.
Horngacher erklärte, "definitiv nicht ratlos" zu sein, aber man müsse jetzt die "fehlenden Meter suchen und finden". Das verdeutlichten auch die restlichen deutschen Platzierungen in Innsbruck: Markus Eisenbichler, der vor vier Jahren an gleicher Stelle Einzel-Weltmeister und mit Geiger Team-Weltmeister geworden war, landete auf Rang 22. Wirklich zufrieden konnte somit nur Raimund nach dem besten Weltcup-Ergebnis seiner Karriere sein: "Die Tournee macht mir so richtig Spaß, zumal ich ohne große Ziele hergekommen bin."
Karl Geiger wollte um den Tournee-Sieg mitspringen und hat nach dem Scheitern in der Qualifikation endgültig alle Chancen eingebüßt. Damit bestätigte der Bergisel von Innsbruck seinen Ruf als Schicksalsberg für die deutschen Skispringer: Severin Freund (2016) und Richard Freitag (2018) mussten ihre Hoffnungen auf den Tournee-Gesamtsieg jeweils nach Stürzen begraben. Eisenbichler (2019/2021) und Geiger (2020/2021) nach schwächeren Sprüngen bei schwierigen Windbedingungen.
Die Deutschen verpassten einmal mehr die Podestplätze deutlich, im gesamten Winter gab es nur eine Top-3-Platzierung. Bundestrainer Stefan Horngacher steckt damit in der größten Krise seiner Amtszeit. "Wie die Tournee bisher gelaufen ist, ist sicher eine Enttäuschung. Wir haben eine höhere Anspruchshaltung", erklärte Horst Hüttel. Der Weltcup-Sportdirektor für Skispringen im Deutschen Skiverband (DSV) will aber keine Zweifel am Chefcoach aus Österreich aufkommen lassen.
Schließlich steht in diesem Winter noch die Nordische Ski-WM im slowenischen Planica (23. Februar bis 5. März) auf dem Plan, wo die deutschen Flieger im Teamwettbewerb und im Mixed als Titelverteidiger antreten.
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