Die Szene vor dem Elfmeterschießen des ersten Halbfinals zwischen Italien und Spanien sagte so viel aus: "Capitano" Giorgio Chiellini flachste und lachte mit dem spanischen Pendant Jordi Alba und dem deutschen Schiedsrichter Felix Brych. Er strahlte nach 120 intensiven Minuten Lockerheit und ein Selbstvertrauen aus, das bezeichnend ist für die neue Squadra Azzurra. Natürlich gewann Chiellini die Seitenwahl und drückte den verdutzten Alba feste an sich, kniff ihm in die Wange, nach dem Motto: "Siehste, Junge – hab’s dir doch gesagt. Und jetzt schießen wir euch raus."
Ein solches Auftreten kann man natürlich nicht lernen, 33 Partien und fast drei Jahre ohne Niederlage helfen. Dennoch ist das "neue Italien" ein Vorbild für viele, vor allem auch für Deutschland. Als das DFB-Team 2018 in Russland krachend scheiterte, war der viermalige Weltmeister nicht mal qualifiziert. Roberto Mancini, zuvor als Trainer auch nicht durchgehend erfolgreich unterwegs, übernahm und formte eine Einheit, die am Sonntag erstmals seit 1968 Europameister werden kann. Er mixte dafür die Vergangenheit mit der Zukunft, personell wie taktisch. Italien hat keine ganz großen Stars mehr, keinen Baggio, Pirlo oder Vialli. Italien spielt keinen Catenaccio mehr – zumindest nicht ausschließlich –, sondern ist die variabelste Mannschaft des Turniers.
Die wichtigste Zutat aber: Italien steht zusammen! Das Team, die Betreuer, die Nation. Jeder für jeden, komme was wolle. Dieses Team hat Herz und steht deshalb auch völlig zu Recht im EM-Finale.