Für Senegals Stürmer El-Hadji Diouf ist an diesem 31. Mai 2002 klar: "In ganz Afrika ist heute Feiertag." Gerade hatten der Angreifer vom RC Lens in Frankreich und seine Teamkollegen aus dem westafrikanischen Staat Titelverteidiger Frankreich im Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft mit 1:0 geschlagen. 500 Millionen Zuschauer verteilt über den Globus hatten zugesehen, wie der Außenseiter, dessen Spieler mit Ausnahme der beiden Ersatztorhüter alle in Frankreich beschäftigt waren, im südkoreanischen Seoul die satten Superstars der "Équipe tricolore" blamiert hatte. Senegals – französischer – Trainer Bruno Metsu sagt: "Das ist der größte Erfolg, den Senegal je errungen hat."
Schaufenster WM-Eröffnungsspiel: Am Sonntag (17 Uhr, ZDF und Magenta TV) kommen erneut zwei Nationalmannschaften in den Genuss, sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Ein amtierender Weltmeister wie 2002 ist nicht dabei. Stattdessen duellieren sich zum Auftakt dieser wohl umstrittensten Endrunde der Geschichte die Auswahlteams des Gastgebers Katar und Ecuadors, heißt auch: Platz 50 der FIFA-Weltrangliste gegen Platz 44. Nur Saudi-Arabien (Platz 51) und Ghana (Platz 61) sind in dieser Rangliste aus dem Feld der 32 qualifizierten Teams schlechter platziert als die Kontrahenten im Eröffnungsspiel.
Eröffnung ohne Stars
Kein Messi, kein Mbappé, kein Ronaldo: Prickelnde Fußballweltklasse sieht anders aus. Größter Star Ecuadors ist der 33 Jahre alte Enner Valencia von Fenerbahce Istanbul, der es mal auf 75 Einsätze (und elf Tore) in der englischen Premier League gebracht hatte. Aus der Bundesliga bekannt sind der 20 Jahre alte Verteidiger Piero Hincapié von Bayer Leverkusen und Mittelfeldspieler Carlos Gruezo vom FC Augsburg.
Und mit Verlaub: Die Namen der ausnahmslos in der katarischen Liga beschäftigten 26 Profis des Gastgebers dürften selbst totalen Fußballnerds unbekannt sein. Als wertvollsten Spieler mit einem Marktwert von vier Millionen Euro listet das Portal transfermarkt.de Linksaußen Akram Afif, 26 Jahre alt, 83 Länderspiele, 24 Tore, auf. Für Sporting Gijon kam er mal zu neun Einsätzen in Spaniens erster Liga. Für Ecuadors argentinischen Nationaltrainer Gustavo Alfaro spielt das keine Rolle. "Ich dachte: Wow, dieses Spiel werden sich alle anschauen, für uns ist das wie ein Endspiel", sagte er, als feststand, dass sein Team die WM eröffnen darf.
Es ist ein Dilemma: Nicht nur, dass die Eröffnung dieser Endrunde wenig WM-Glanz versprüht. Richtig zufrieden konnte der Fußball-Weltverband FIFA mit den bisherigen Starts in die Turniere selten sein. Mehr als drei Jahrzehnte lang wurden zunächst mehrere Spiele gleichzeitig angepfiffen. Seit der Einführung der herausgehobenen Eröffnungsspiele zur WM 1966 gab es nur einmal ganz großes Spektakel zu bestaunen: 2006 legte Deutschland den Grundstein für das Sommermärchen mit dem 4:2-Sieg gegen Costa Rica. Philipp Lahm schoss das erste Tor mit einer beispiellosen Mixtur aus Willenskraft, Cleverness, Verspieltheit, Technik und Übersicht, bereitete damit den Boden für die anschließend rauschhafte Zeit.
"Die Kleinen" ärgern "die Großen"
Die ersten vier Eröffnungsspiele indes – 1966, 1970, 1974, 1978 – endeten alle 0:0. Erst 1982 erzielte der Belgier Erwin Vandenbergh mit dem 1:0 – der Endstand – gegen Titelverteidiger Argentinien das erste Tor in der Historie der Eröffnungsspiele. Er begründete damit auch eine kleine Geschichte der Sensationen: 1986 konnte Titelverteidiger Italien gegen Bulgarien nicht gewinnen (1:1), 1990 verlor Diego Maradonas Argentinien gegen Kamerun – und 2002 schlugen eben El-Hadji Dioufs Senegalesen gegen Frankreich zu.
Und wer schießt am Sonntag das erste Tor? Eins ist vorher klar: Zu einem Favoritensturz wird der Treffer, wenn er denn überhaupt fällt, aufgrund der Paarung Katar gegen Ecuador nicht führen. Denen, die zuschauen, bleibt zumindest die Hoffnung auf ein unterhaltsames Spiel.
Anzeige: Erlebe die gesamte Bundesliga mit WOW und DAZN zum Vorteilspreis