Ein Sportlehrer der Potsdamer Steuben-Gesamtschule bewies gutes Gespür. Er erkannte das Talent in Jean Paul Bredau. „Ich bin Herrn Krell sehr dankbar, dass er damals den Hinweis gab“, sagt Bredau. Krell war beeindruckt von den athletischen Fähigkeiten des Jugendlichen und stellte den Kontakt zur hiesigen Sportschule her. Nach einer Sichtung in der letzten Woche der Sommerferien wurde Bredau 2017 kurzerhand an der Eliteeinrichtung im Luftschiffhafen aufgenommen und begann seine Karriere als Leichtathlet. Jetzt, lediglich vier Jahre später, steht er davor, zu den Olympischen Spielen zu rennen. Bredau ist Sprinter. Passend zu seiner rasanten Entwicklung.
Zwei Chancen in den Staffeln
In Tokio wird erstmalig die Mixed-Staffel über 4x400 Meter ausgetragen. Bei den deutschen Meisterschaften Anfang des Monats in Braunschweig holte der Aktive des SC Potsdam im Männer-Langsprint Silber. 46,10 Sekunden standen auf der Anzeigentafel, persönliche Bestzeit, die ihn im nationalen Ranking des Jahres 2021 auf Platz drei führt. Weil sich die deutsche Mixed-Staffel jüngst mit einer starken Leistung in der Qualifikationsliste sehr aussichtsreich positionierte und je drei Frauen und Männer für diesen Olympia-Wettbewerb nominiert werden können, stehen Bredaus Chancen auf ein Ticket gut. „Dabei zu sein, selbst wenn vielleicht nur als Ersatzmann, wäre schon super“, sagt er. „Aber vielleicht ist ja sogar mehr möglich.“
Diese Brandenburger holten Gold bei Olympia und Paralympics
Die Einzelnorm von 44,90 Sekunden ist noch zu fern. Am Sonntag, Bredaus 22. Geburtstag, greifen er und seine Kollegen bei einem Meeting in Leverkusen allerdings die Qualifikation für die männliche 4x400-Meter-Staffel an. Vier Tokio-Plätze werden noch über die internationale Rangliste vergeben. Deutschland ist derzeit Zehnter der Wertung. 3:03,63 Minuten brachten Bredau & Co. Ende Mai bei den Team-Europameisterschaften in Polen auf die Bahn. Spanien als Vierter ist aktuell 0,53 Sekunden entfernt. „Nicht einfach, aber machbar. Wir sind gut in Form“, urteilt der Potsdamer, der eine lange Lücke schließen kann. „Seit DDR-Zeiten war kein Brandenburger Sprinter mehr bei Olympia dabei“, ordnet Kai-Uwe Meier ein.
Schmerzen und Glücksgefühle
Er ist Bundesstützpunktleiter in Potsdam und betreut mit Trainer Frank Möller den Schnellaufsteiger Bredau, „ein Riesentalent“, meint Meier. Vor seiner Entdeckung in der Steuben-Schule war Bredau eher mäßig sportlich unterwegs. „Ein bisschen Volleyball, freizeitmäßig etwas Fußball kicken“, erinnert er sich, „weit entfernt vom Leistungssport.“ Diesem verschrieb sich der 1,90 Meter große und 80 Kilogramm schwere Athlet dann aber sofort leidenschaftlich. „Paul lebt dafür, ist sehr fleißig und bewusst. Er achtet auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung“, lobt Meier. Und der Youngster nennt die herausragenden Trainingsbedingungen im Luftschiffhafen sowie seine einstige Förderung im Sportschulsystem als entscheidende Faktoren für die beachtlichen Leistungssprünge.
Rasch kristallisierte sich seine läuferische Qualität heraus. Die 400 Meter wurden zu seiner Spezialdisziplin. Eine gefürchtete Strecke. Bredau spricht selbst von einer „Hassliebe“ wegen der enormen Schmerzen, aber zugleich des Glücksgefühls beim Kampf gegen sich selbst. „Bis 300 Meter kommen viele, die letzten 100 machen den Unterschied“, erklärt Meier. „Paul kann das. Bei ihm ist gutes Tempo mit willensstarkem Stehvermögen kombiniert.“
Schnellster Deutscher in der U23
Bislang stellte das Mitglied der Brandenburger Polizei-Sportfördergruppe das schon mit mehreren nationalen Nachwuchsmeistertiteln unter Beweis. Bei den U20-Weltmeisterschaften 2018 kam er bis ins Halbfinale, mit der Staffel auf Platz sechs. Ein Jahr danach erhielt er als Vorlaufstarter bei der U23-EM sogar Edelmetall, was das deutsche Finalquartett golden erkämpft hatte.
Vom 8. bis 11. Juli findet nun das diesjährige U23-Kontinentalchampionat in Estland statt. Bredau als deutsche Nummer eins wäre ein heißer Kandidat, lässt an diesem Wochenende aber schon die nationale Meisterschaft in Koblenz zugunsten des olympischen Staffelprojekts aus. Und auch auf die U23-EM wird er wohl verzichten müssen. „Eigentlich schade, eine Finalteilnahme würde ich mir zutrauen“, sagt er, weiß jedoch, dass im Falle der Olympia-Nominierung die Vorbereitung auf Tokio dann Vorrang hätte. „Aber damit“, sagt er und lacht, „könnte ich gut leben.“
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