Während die Bundesliga am vergangenen Wochenende als erste große Liga in Europa nach zweimonatiger Coronavirus-Zwangspause wieder in den Spielbetrieb startete, schaute man in Frankreich nicht ohne Neid auf das Nachbarland. Denn anders als in Deutschland wird die französische Fußball-Saison 2019/20 nicht mehr fortgesetzt. Nicht jetzt - und auch zu keinem späteren Zeitpunkt. Am 28. April wurde die Saison in der Ligue 1 abgebrochen. Ein abruptes Ende, das in Frankreich seitdem für hitzige Diskussionen sorgt - und jetzt sogar die Regierung erreicht hat.



Rückblick: Am 28. April wurde die französische Profifußballsaison von Liga-Verband LFP offiziell für beendet erklärt, obwohl noch zehn Spieltage der Ligue 1 ausstanden. Die französische Regierung um Premierminister Edouard Philippe und Sportministerin Roxana Maracineanu hatte zuvor sämtliche Sportveranstaltungen - auch mit Geisterkulisse - wegen der Coronavirus-Pandemie bis zum 1. August untersagt. Eine Saison-Fortsetzung bis zum vermeintlichen Ende einer UEFA-Frist für nationale Ligen am 3. August schien unter diesen Umständen undurchführbar. Nun kommt durch einen geleakten Brief von UEFA-Präsident Aleksandar Ceferin an Lyons Klubchef Jean-Michel Aulas - dessen Klub durch das Saisonaus erstmals seit 20 Jahren die internationalen Plätze verpasst - ans Licht: Offenbar haben Regierung und LFP sich auf unzutreffende Informationen gestützt.
Ceferin in Brief an Lyon-Boss Aulas: "Daten nur vorläufige Empfehlungen"
Am 5. Mai sagte Maracineanu: "Die Aussage, die ich in meinem Büro habe, ist: Eine Saison muss bis zum 3. August beendet sein. Das ist das Datum, das von der UEFA festgelegt wurde." Der Zeitung Le Parisien liegt ein Brief von Ceferin an Aulas vor, der gegen das vorzeitige Saisonende in Frankreich Klage erhoben hat. Darin schreibt der UEFA-Präsident am 14. Mai: "Ob die UEFA ihren Mitgliedsverbänden tatsächlich eine Frist bis zum 3. August eingeräumt hat, um ihre nationalen Meisterschaften zu beenden, sollte die folgende Klarstellung beantworten. Die Daten vom 20. Juli und vom 3. August (darunter fällt Frankreich, d. Red.) wurden bei Treffen mit Sekretären und Präsidenten von 55 UEFA-Mitgliedsverbänden am 21. April und bei Treffen zwischen der UEFA, der European Club Association und den Arbeitsgruppen der Union of European Leagues in den Präsentationen genannt." Der folgende Satz ist zentral: "Wir haben bei diesen Treffen jedoch immer erwähnt, dass diese Daten nur vorläufige und keine offiziellen Empfehlungen sind. Ich hoffe, dass diese Erklärungen ausreichende Antworten auf Ihre Fragen liefern."
Demnach hat die französische Regierung sich bei ihrer Entscheidung auf keine endgültige Beschlussfassung der UEFA gestützt, sondern lediglich auf eine vorläufige Handlungsempfehlung. Warum? Das bleibt unklar. Möglicherweise wurden die UEFA-Empfehlungen falsch an die Regierung überstellt. Seit Wochen werden in der französischen Sportpresse aber auch Vorwürfe erhoben, nach denen einige Klubchefs bei der Regierung Macron Lobbyarbeit für einen vorzeitigen Abbruch der Saison geleistet haben sollen.
Fortsetzung oder Abbruch: So ist der Stand in den internationalen Topligen
Aulas hofft auf Neustart: "Wir sind auf dem falschen Weg"
Im Lichte des Neustarts in der Bundesliga hatte Aulas öffentlich gefordert, das die Entscheidung des Abbruchs in der Ligue 1 revidiert wird. "Wir sind auf dem falschen Weg. Es ist vielleicht nicht zu spät, sich vorzustellen, (...) was politisch machbar ist", sagte Aulas Anfang Mai der L'Equipe. Es wäre möglich gewesen, die Saison bis Ende August oder Anfang September zu beenden.
Aulas, der kurz vor dem Abbruch eine Saison-Fortsetzung über Playoffs ins Spiel gebracht hatte, beziffert den finanziellen Schaden für die Liga auf rund 700 Millionen Euro. "Die Entscheidungen können den französischen Fußball in eine katastrophale Situation bringen", betonte der Klub-Boss, der bemängelte, dass er keinen Zugang zu den Unterlagen erhalten habe, die die Liga-Verantwortliche zum Saisonabbruch motiviert haben.