Leipzig. Almedin Civa braucht einen Moment, um sich zu sammeln. „Es ist ein Unding, dass es diesen Krieg gibt. Es ist unglaublich traurig, mir fehlen dafür die Worte“, sagt der Trainer des 1. FC Lok Leipzig sichtlich gerührt. Der 49-Jährige kommt immer wieder ins Stocken, braucht Zeit, um seine Gedanken zum schrecklichen Krieg in der Ukraine zu ordnen. Wenn Civa über seinen Lieblingssport spricht, passiert ihm das nie. Der Fußball-Lehrer aus Bosnien-Herzegowina ist sonst ein Mann der vielen Worte, kommt gerne von einem Detail ins nächste, redet über die Entwicklung seiner Spieler, die kommenden Kontrahenten, die vergangenen Trainingseinheiten. Doch bei der ersten Presserunde nach drei Wochen Corona-Zwangspause beim Regionalligisten rücken die sportlichen Themen in den Hintergrund.
„Es sind original dieselben Bilder wie ’92. Man sieht Frauen und Kinder auf der Flucht, man sieht Brüder, die geblieben sind“, sagt Civa, bei dem schmerzhafte Erinnerungen an den Bosnienkrieg wach werden. Der ehemalige Fußball-Profi lebte zu dem Zeitpunkt längst in Berlin, kickte für Drittligisten Tennis Borussia, mit dem er ein Jahr später den Aufstieg schaffte. Auch seine Familie hatte damals den Geflüchteten geholfen, hatte so viele Menschen aufgenommen wie irgend möglich. Der 49-Jährige beschreibt: „Ich lag in meinem Zimmer, hab am nächsten Tag gegen Union Berlin gespielt – das Spiel Erster gegen Zweiten. Wir haben in einer Drei-Zimmer-Wohnung mit 18 Leuten gewohnt, ein Kind hat die ganze Nacht durchgeweint. Da sagt man nicht, dass er ruhig sein muss, weil man am nächsten Tag ein Spiel hat. Nein, da fragt man sich bloß, aus was für einem Elend dieser Junge kommen muss. Man freut sich nur, dass man irgendwie helfen kann.“



Entsprechend nahe gingen dem Trainer die Bilder der Hilfsbereitschaft und Demonstrationen in der Hauptstadt. „Ich bin heilfroh, dass es so viele Menschen gibt, die unterstützen, helfen, spenden und gegen diesen Krieg demonstrieren. Ich habe als Berliner Gänsehaut bekommen, als ich gesehen habe, dass 500. 000 Menschen gemeinsam gegen diesen Krieg demonstrieren.“ Nun hoffe er, dass diese Hilfsbereitschaft noch lange andauere, denn auch in den kommenden Monaten werde sie dringend gebraucht. Civa bringt es auf den Punkt: „Es gibt sehr viele gute Leute auf der Welt und ein paar schlechte, die alles ruinieren.“
Doch die vielen Spenden, Demonstrationen und Unterstützer sieht der Lok-Coach auch aus einem anderen Blickpunkt: „Das Schlimme ist, dass es vor diesem Krieg auch andere Kriege gab – aber das Gehör nicht so groß war. Das macht mich auch traurig.“ Alle Geflüchteten sollten doch die selbe Unterstützung und die selbe Gastfreundschaft erfahren, doch das sei oft nicht der Fall. „Es sind dieselben Flüchtlinge, wie vor ein paar Monaten und Jahren, nur aus anderen Ländern. Egal ob Afghanistan, Syrien oder Ukraine: Kind ist Kind, Flüchtling ist Flüchtling. Da gibt es keine Trennung“, appelliert der Trainer und bittet darum, auch weiterhin die Menschen mit offenen Armen zu empfangen, die vor Krieg und Zerstörung flüchten.
Anzeige: Erlebe die gesamte Bundesliga mit WOW und DAZN zum Vorteilspreis