Der Torhüter Loris Sven Karius hat schon in jungen Jahren groß gedacht. Im Juli 2009 wechselte der damals 16-Jährige von der U17 des VfB Stuttgart, die nun auch keine ganz kleine Nummer ist, zur U18 Manchester Citys. Und glaubt man Harald Karius, Loris‘ Vater, hätte sein Sohnemann auch bei anderen Topclubs unterschreiben können. „Es gab viele Angebote aus England und Deutschland. 70 Prozent aller Premier-League-Vereine wollten Loris. Vom Namen her sogar größere als Manchester City“, sagte der Senior 2009.
Wie viele Angebote es in dieser Transferperiode für Loris Karius gab, weiß vermutlich nur sein Berater. 70 Prozent aller Premier-League-Vereine dürften es allerdings nicht gewesen sein – und vom Namen her größere als Manchester City eher auch nicht. Was vor allem daran liegt, dass es nur einen Club in England gibt, der nochmal eine Stufe über den Citizens steht: der FC Liverpool.
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Just vom englischen Meister ist der 1,89 Meter große Karius nun aber zum 1. FC Union Berlin gewechselt. Am Montag hat der 27-Jährige den obligatorischen Medizincheck absolviert und anschließend einem Leihgeschäft zugestimmt. Dem Vernehmen nach übernimmt Liverpool den Großteil von Karius‘ Gehalt.
Mit Karius steigt der Glamour-Faktor in Köpenick, die in Berlin lebende Freundin Sophia Thomalla bedient gerne den Boulevard. Sportlich gesehen könnte der Reiz-Faktor im Team steigen. Mit Andreas Luthe haben die Berliner bereits einen Torwart verpflichtet, der bei seinen ersten Auftritten voll überzeugt hat. Dass der aus Augsburg geholte Luthe freiwillig seinen Stammplatz räumt, darf deshalb bezweifelt werden. Trainer Urs Fischer wird deshalb eine schwere Entscheidung treffen müssen - und das womöglich schon vor dem Heimspiel am Freitag gegen Mainz 05, Karius' alten Arbeitgeber.
Andererseits passt die Personalie in die Reihe prominenter Transfers, die Oliver Ruhnert seit dem Aufstieg abgewickelt hat. Vor der vergangenen Saison hatte der Manager mit Christian Gentner und Neven Subotic zwei Spieler nach Köpenick gelockt, die je zweimal Deutscher Meister geworden sind und bei ihren Herzensclubs in Dortmund (Subotic) respektive Stuttgart (Gentner) Legendenstatus genießen.
Bundesliga-Debüt für Mainz 05 gegen Hannover 96
In dieser Saison fährt mit Max Kruse ein weiterer Ausnahmekicker in seinem gelben Porsche An der Alten Försterei vor, der auf den ersten Blick nur schwer in den bodenständigen Südosten Berlins zu passen scheint. Jörg Schwanke, Unions früherer Kapitän, hat den zweiten Blick. „Das ist keiner, der nur mitläuft. Er eckt an, nimmt Dinge in die Hand. Das kann auch mal schiefgehen. Aber solche Typen passen zu Union, sie sind ein Riesengewinn für den Verein“, sagt der Brandenburger.
Künftig parkt also auch Karius auf Unions Gelände – was der Torhüter vor wenigen Jahren sicher als großen Rückschritt empfunden hätte. Nach der Station Manchester City folgte im August 2011 der Wechsel in die Bundesliga zu Mainz 05, Karius war gerade mal 18 Jahre alt. Mit 19 kam er erstmals in der Bundesliga zum Einsatz, als Mainz 05 am 1. Dezember 2012 2:1 gegen Hannover 96 gewann. Einen Tag später siegte auch Union Berlin – 1:0 in der Zweiten Liga gegen Energie Cottbus.
In Mainz stieg Karius zur Nummer eins auf, Anfang 2015 verlängerte er seinen Vertrag vorzeitig bis 2018. „Es war keine einfache Entscheidung für mich, aber auf jeden Fall die richtige und am Ende auch eine Entscheidung des Herzens“, kommentierte er den Deal. Der damalige Mainzer Manager Christian Heidel lobte die "Ausstrahlung" und "beachtliche Ruhe" des 21-Jährigen, "er hat in den vergangenen Monaten in seinem Spiel auch immer weiter an Qualität gewonnen", sagte Heidel.



2016, nach insgesamt 91 Bundesligaspielen für die Mainzer, wollte auch Jürgen Klopps FC Liverpool von Karius' beachtlicher Ruhe profitieren. Der Rest der Geschichte ist ein einziges Drama, gipfelnd im Champions-League-Finale 2018. Als die ganze Welt zusah, patzte Karius zweimal schwer, Liverpool verlor das Endspiel 1:3 gegen Real Madrid. Bittere Tränen flossen.
Seither ist Karius der berühmteste Pannen-Keeper der Welt und offenbar keiner mehr für die ganz großen Clubs von Welt. Dem FC Liverpool gehört der Torwart zwar noch bis 2022, doch nach dem Finale 2018 übernahm Alisson Becker den Stammplatz zwischen den Pfosten, Karius wurde an Besiktas Istanbul verliehen. Auch dort griff der Torwart trotz seiner nachgewiesenen Klasse hin und wieder daneben. „Irgendetwas stimmt mit ihm nicht“, sagte 2019 Besiktas‘ damaliger Trainer Senol Günes. Eine Zukunft am Bosporus verhinderten indes Gehaltszahlungen, die der Verein nicht wie abgemacht auf Karius' Konto überwiesen haben soll.
Internationale Pressestimmen zur Final-Diagnose von Loris Karius
In einem Interview mit der „Sport Bild“ sagte Karius im April diesen Jahres: „Das Wichtigste ist für mich, dass mich der Verein unbedingt will, eine klare Vision hat und beide Seiten den absoluten Willen haben, etwas zu erreichen. Vor allem muss ich bei den Verantwortlichen ein gutes Gefühl haben.“ Zu diesem Zeitpunkt galt auch Hertha BSC als mögliche Option.
Nun ist es der Stadtrivale der Charlottenburger geworden - und die Vision in Köpenick ist ziemlich klar: Union will mit seinem neuen Torhüter erneut den Klassenverbleib schaffen. Ob der frühere Mainzer dabei als Stammtorwart helfen darf, muss sich noch zeigen. Fest steht nur, dass im Hause Karius erstmal ein bisschen kleiner gedacht wird.
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