Marokkos Nationalspieler bildeten einen Kreis und hüpften über den Rasen des Al-Thumama-Stadions. Sie liefen zu ihren Fans, die zu den lautesten der WM gehören, und machten mit ihnen die Welle. Sie warfen ihren Trainer Walid Regragui in die Luft. Einige Profis wurden von ihren Gefühlen überwältigt und weinten. Es war ja auch schwer zu verarbeiten, was die Mannschaft geschafft hatte. Durch den 2:1-Erfolg gegen Kanada im abschließenden Vorrundenspiel sicherten sich die "Atlas Lions" sensationell den Gruppensieg in Staffel F vor Vizeweltmeister Kroatien und dem amtierenden WM-Dritten Belgien, der die Heimreise antreten muss.
Marokko steht zum zweiten Mal nach 1986 in einem WM-Achtelfinale – nun gegen Spanien. Die Mannschaft hat mit dem ersten WM-Gruppensieg eines afrikanischen Landes in diesem Jahrhundert bewiesen, dass sie ein unbequemer Gegner ist, der auch etablierten Fußballnationen Sorgen bereiten kann.
Das Herzstück des Teams ist die Defensive mit den Außenverteidigern Noussair Mazraoui vom FC Bayern und dem Ex-Dortmunder Achraf Hakimi, der mittlerweile bei Paris Saint-Germain sein Geld verdient. Bei der WM traf noch kein Gegner gegen Marokko. Der einzige Gegentreffer war das Eigentor von Nayef Aguerd beim 2:1 gegen Kanada. Trainer Regragui sah sich in der Vergangenheit den Vorwürfen ausgesetzt, zu defensiv spielen zu lassen, doch der Erfolg in Katar gibt ihm Recht. Außerdem hatte er nicht viel Zeit, seine Mannschaft auf Offensive zu trimmen – er trat seinen Posten erst vor drei Monaten an und löste den erfahrenen Vahid Halihodzic ab.
Chelsea-Star Ziyech kehrt nach Trainerwechsel zurück
Zum Verhängnis geworden war diesem unter anderem ein Zerwürfnis mit Hakim Ziyech, dem prominentesten Spieler, der unter Halihodzic außen vor gewesen war. Nach dem Trainerwechsel kehrte der Flügelstürmer des FC Chelsea aus dem Nationalmannschaftsexil zurück, spielt eine starke WM und traf gegen Kanada zum frühen 1:0 (4. Minute). Dabei fehlt ihm Spielpraxis. Bei Chelsea kommt er wegen der großen Konkurrenz nur selten zum Einsatz. Die niederländische Legende Marco van Basten rät Ziyech zu einem Wechsel: "Es ist schade für den ganzen Fußball, dass er auf der Bank sitzt. Wir schauen Fernsehen und gehen ins Stadion, um Spieler wie ihn zu sehen. Er sollte in einer anderen Mannschaft spielen, um die Fans zu unterhalten."
Auch andere Profis können für Marokko den Unterschied machen. Beispiele sind Mittelstürmer Youssef En-Nesyri vom FC Sevilla, der zum 2:0 (23.) traf, und der offensive Mittelfeldmann Abdelhamid Sabiri, der in Frankfurt aufwuchs und für die deutsche U21 spielte.
Marokko gelingt mit Achtelfinal-Einzug bei der WM eine monumentale Leistung
In Katar gewann Marokko genau so viele Spiele wie in der ganzen bisherigen WM-Historie des Landes – nämlich zwei. Der Einzug ins Achtelfinale ist eine monumentale Leistung: "Diese Generation verdient es, Geschichte zu schreiben", sagte Hakimi. Und Trainer Regragui entgegnete auf die Frage, ob jetzt sogar der WM-Titel möglich sei: "Warum sollten wir nicht davon träumen?"
Ausgeträumt haben die Belgier, die gegen Kroatien nicht über ein 0:0 hinauskamen, dabei zahlreiche Chancen nicht nutzten. Nach dem ersten WM-Vorrundenaus seit 1998 erklärte Trainer Roberto Martínez seinen Rücktritt. "Das war heute mein letztes Spiel als Nationaltrainer. Das ist natürlich sehr emotional", sagte der Spanier.
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