Max Kruse hatte fürs Wochenende gleich zwei Einladungen vorliegen. Wobei Frankfurts Trainer Oliver Glasner ihn ja nur spaßeshalber gebeten hatte, lieber an einem Pokerturnier teilzunehmen, anstatt Fußball zu spielen, um Unheil von seiner Eintracht abzuwenden. Offenbar ahnte der Österreicher, was kommen würde: Ehe der Winterzugang des VfL Wolfsburg der Bitte zu einem Besuch im ZDF-Sportstudio in Mainz nachkam, hatte Kruse den 2:0-Auswärtssieg in Frankfurt auf den Weg gebracht. Aus der Position der Stärke konnte das Pokerface danach bestens argumentieren, warum es kürzlich einen Emporkömmling wie Union Berlin gegen einen kriselnden Werksklub eingetauscht hat.
Erstmals sprach der 33-Jährige über Meinungsverschiedenheiten mit Union-Trainer Urs Fischer. "Ich hatte eine sehr intensive und geile Zeit bei Union, keine Frage. Aber für mich lief das zweite Jahr nicht mehr so wie das erste." Die Beziehung zu dem Schweizer Fußballlehrer sei zwar "nicht komplett zerbrochen oder schlecht" gewesen, "aber ich habe mir da einfach etwas anderes auf kurz oder lang vorgestellt". Sein Verständnis für wettbewerbsübergreifend 18 Auswechslungen in der Hinrunde hielt sich arg in Grenzen. Ein Freigeist wie er will immer von der ersten bis zur letzten Minute spielen. Der selbstbewusste Kruse ("Ich habe bei jedem Verein meinen Stempel hinterlassen") betonte, die Entscheidung habe schon länger festgestanden, Union im Sommer zu verlassen. Dann schlug der VfL schon im Winter zu – recht spontan.
Kruses neuer und alter Trainer Florian Kohfeldt hatte "einen Riesenanteil" daran. Beide schätzen sich aus Bremer Zeiten. Und so spielte die neue Nummer neun der Niedersachsen am Samstag durch – und unterstrich ihre Fähigkeiten. Clever zockte Kruse erst Frankfurts Abwehrspieler Tuta ab, ehe der herbeigeführte Zusammenstoß mit Martin Hinteregger dazu führte, dass Schiedsrichter Frank Willenborg nach Intervention aus dem Kölner Keller für diese "50:50-Situation" (O-Ton Kruse) auf der Strafraumlinie einen Elfmeter verhängte. Kruse verwandelte mit ein bisschen Glück (28.). Dodi Lukebakio traf zum 2:0 (90.+3). "Wir dürfen jetzt nicht so tun, als wenn alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre. Wir sind noch nicht unten raus", warnte Kruse. Aber auf den richtigen Weg hat der neue Anführer die "Wölfe" allemal geführt, die sich mit einer disziplinierten Haltung den zweiten Befreiungsschlag nach dem 4:1 gegen Fürth verdienten. "Die Mentalität war top, das Verteidigen ordentlich, das Spiel mit dem Ball ausbaufähig", so Kohfeldt, der sich auf der Pressekonferenz anfänglich weigerte, Kruse in den "Himmel zu loben, weil er einen Elfmeter verwandelt hat".
Teamkollege Ridle Baku sagte über Kruse: "Er ist ein witziger Typ und hat eine besondere fußballerische Qualität." Ehrlich ist Kruse noch dazu. Im ZDF führte er aus, auch aufs Geld geschaut zu haben: "Wenn ich den Lebensstandard, den ich jetzt habe, weiter führen will, habe ich auf keinen Fall ausgesorgt. Ich habe ein Faible für Autos, bei Immobilien bin ich auch dabei. Ich bin jemand, der im Hier und Jetzt lebt. Mir bringt es nichts, wenn ich mit 60 einmal Millionen von Euros auf dem Konto habe. Man ist nur einmal jung und lebt nur einmal." 5 Millionen Euro Ablöse hat dieser schrille Vogel den VfL Wolfsburg gekostet – in ähnlicher Größenordnung dürfte sein Jahresgehalt veranschlagt sein. Dass Max Kruse am Samstagabend noch mal schnell vier Treffer an der ZDF-"Sportstudio"-Torwand landete, war eigentlich etwas, worauf man hätte wetten können.