Manchmal klappen Dinge eben erst im zweiten Anlauf. So wie bei Melissa Kössler. Auf keine Fußballerin des 1. FFC Turbine Potsdam passt der Begriff „Eigengewächs“ besser als auf die 22-jährige Angreiferin. Sie wurde in Potsdam geboren, spielte – zumindest in Deutschland – nie für einen anderen Club. Doch erst nach einer Saison am College in den USA (2019/20) gelang ihr bei ihrem Heimatverein so richtig der Durchbruch. Bei Turbine ist sie – erst recht nach der schweren Verletzung von Stürmerin Selina Cerci – nun die Tor-Hoffnung im Bundesliga-Endspurt, der bereits am Samstag (13 Uhr/Magenta Sport) mit dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln beginnt.
Turbines Trainer Sofian Chahed will den Eindruck tunlichst vermeiden, dass auf seiner Angreiferin nun noch mehr Verantwortung lastet. „Es ist wie vorher auch: Mit Melissa stehen noch zehn andere Spielerinnen auf dem Platz“, sagt der Trainer und schiebt hinterher: „Sie muss ihr Spiel machen, einfach weiter ihren Stiefel runterspielen.“
Die Frauen von Turbine Potsdam bezwingen den 1. FC Köln im DFB-Pokal mit 2:0.
Ihre Rolle habe sich durch Cercis Verletzung nicht verändert, bemerkt Melissa Kössler. „Aber natürlich fehlt mir meine Sturmpartnerin, das hat gut funktioniert. Jetzt bin ich zwar die einzige verbliebene richtige Stürmerin, aber wir machen das schon irgendwie“, sagt sie lachend. Es ist auch dieses Selbstverständnis, das die U17-Europameisterin von 2017 derzeit so stark macht. Seit sie wieder in Potsdam spielt habe sie viel Erfahrung und Selbstvertrauen sammeln können. „Das hat mir sehr geholfen.“ Neun Saisontore und acht Vorlagen sind ein Ausdruck dieser Entwicklung. Mit ihrer derzeit verletzten Teamkollegin Selina Cerci sowie Lea Schüller (FC Bayern) und Nicole Billa (TSG Hoffenheim) ist sie die aktuelle Top-Scorerin der Bundesliga. Doch ihr Vertrag in der Landeshauptstadt läuft aus. Zu ihrer Zukunft gibt es derzeit keine Wasserstandsmeldungen.
Als Chahed vor knapp zwei Jahren aus dem Hertha-Nachwuchs an den Potsdamer Luftschiffhafen wechselte, kehrte auch Melissa Kössler von ihrem USA-Abenteuer zurück. Seither habe die 1,78 Meter große Offensivspielerin eine „sehr gute Entwicklung“ erlebt. Dass sie von ihrem Jahr im amerikanischen Collegefußball vor allem athletisch profitiert habe, hatte die Kickerin schon bei ihrer Rückkehr betont. Man habe ihr dann auch die spielerische Komponente vermittelt, erinnert sich Chahed. Inzwischen ist die Potsdamerin zur kompletten Stürmerin gereift. „Sie ist mit ihrer Athletik und der Dynamik immer brandgefährlich“, weiß der Coach.
Kössler hat in dieser Saison schon gegen Köln getroffen
Und sie hat gezeigt, wie man es gegen die FC-Frauen macht: Beim 3:1-Sieg im Hinspiel traf Kössler doppelt. Auch im DFB-Pokal hat man die Kölnerinnen in dieser Saison schon besiegt (2:0). „Das sind immer schwierige Spiele“, weiß sie. Man wolle aber keinesfalls wie im Hinspiel einem Rückstand hinterherlaufen. Chahed sagt: „Köln ist sehr gut drauf, ist individuell stark besetzt und hat sich jetzt auch mannschaftlich gefunden.“ Die Schnelligkeit wolle man nutzen, betont Melissa Kössler. Und die ist ja bekanntlich auch eine Stärke von Turbines neuer Tor-Hoffnung.
Auch die heimischen Fans sollen im vorletzten Heimspiel dieser Saison wieder zu einem Faktor werden. "Wir freuen uns darauf und hoffen, dass viele Zuschauer kommen", so Chahed. Und Kössler weiß: "Die Fans sind das wichtigste. Sie verpassen uns den letzten Schub." Als Anreiz verlost Turbine Potsdam zwei Originaltrikots, die von der kompletten Mannschaft signiert wurden, unter allen Teilnehmern des Ergebnis-Tippspiels, wie der Verein im Vorfeld der Partie mitteilte. Dabei sei es unerheblich, ob das richtige Resultat getippt wurde.
Mit einem Erfolg würden die Potsdamerinnen übrigens die Vorjahres-Punktemarke knacken. Es war das erklärte Ziel von Coach Chahed und seiner Mannschaft. Ob man danach seine Ambitionen anpassen werde, ließ der Trainer offen: "Darüber haben wir noch nicht gesprochen."