Budapest/Leipzig. Die Ausgangslage war schwierig für RB Leipzig. Das 0:2 gegen den Liverpool FC schien eine Herkules-Aufgabe zu sein. Längst nicht alle glaubten daran, dass die Roten Bullen es noch schaffen könnten. „Wir haben das Hinspiel verloren und sollten demütig auftreten“, sagte Trainer Julian Nagelsmann vor dem Duell. Ein demütiger Auftritt wurde es dann auch. Die Folge: ein weiteres 0:2 und das Aus in der Champions League.
„Spieler sind auch Menschen“
Schaut man auf die Statistiken der Partie, war RB die fleißigere Mannschaft: 60 Prozent Ballbesitz, 60 Prozent Zweikampfquote, 83 Prozent Passquote (Liverpool hatte 73 Prozent). An der Arbeit lag es also nicht. Es fehlte die Leidenschaft, die Leipzigs „alter Hase“ Kevin Kampl zuletzt nach dem 3:0 in Freiburg noch so gepriesen hatte. Die Leistungen, die die Kicker vom Cottaweg Woche für Woche unermüdlich in der Liga auf den Platz bringen, erreichten sie gegen den LFC nicht. „Wir haben heute unser Leistungsoptimum nicht erreicht. Es wäre nicht verdient, wenn wir weiterkommen. Liverpool hat es sich hingegen voll verdient. Das muss man an einem solchen Tag akzeptieren, egal wie schwierig oder unschön das ist“, gab Nagelsmann zu.
Denn RB fehlte sichtlich die Emotion, der Mut nach vorne, die Aggressivität, kurz der unbedingte Glauben daran, dass sie das Achtelfinale würden drehen können. „Uns hat der Punch gefehlt, um die nötigen Tore zu erzielen“, räumte Nagelsmann nach dem Abpfiff ein. Und das trotz des starken Laufs in der Bundesliga und im DFB-Pokal. „Verunsichert waren wir vielleicht nicht wirklich, aber wir haben am Anfang nicht den nötigen Mut entwickelt. Wir haben etwas zu verkopft gespielt, um emotional zu werden“, analysierte der Bullen-Coach. „Spieler sind auch Menschen. Im Hinspiel haben wir zwei große Fehler gemacht. Es ist normal, dass man darüber nachdenkt.“
DURCHKLICKEN: Einige Bilder aus dem Rückspiel
Vorteil in der Bundesliga und im DFB-Pokal?
Ob das Ausscheiden, mit etwas Abstand betrachtet, immer noch so schlimm ist wie im ersten Moment? Vielleicht nicht, wenn man den Blick nach vorn richtet. Denn mit der Bundesliga und dem DFB-Pokal mischt RB noch in zwei Wettbewerben mit, und zwar aussichtsreich. Zwei Punkte Rückstand auf den FC Bayern und das am Oster-Wochenende anstehende Heimspiel gegen den Rekordmeister versprechen einen spannenden Titelkampf, auch wenn viele dennoch die Münchener im Vorteil sehen. Nagelsmann selbst schaut gar nicht so weit in die Zukunft: „Wir haben davor noch ein paar Bundesligaspiele. Und es ist nicht in Stein gemeißelt, dass wir sie alle gewinnen und die Meisterschale gegen Bayern auf dem Tablett liegt.“
„Vielleicht kann es für Leipzig in Bezug auf die Kräfte von Vorteil sein“, kommentierte Sky-Experte Lothar Matthäus das Ausscheiden. „Andererseits schöpft man auch Kräfte aus erfolgreichen Champions-League-Spielen. Das geht ihnen verloren. Aber Julian Nagelsmann wird das richtig einsetzen. Er hat jetzt Zeit, die Mannschaft auf das Wochenende und die Bundesligaspiele vorzubereiten“, so der ehemalige Bayern-Spieler. Dennoch: „Ich glaube, Leipzig hätte sich gerne gegen Liverpool behauptet, um weiterzukommen und diese positive Energie in die Bundesliga mitzunehmen“, vermutete Matthäus.
RB will „großer Herausforderer“ in der Liga und im Pokal sein
Am Sonntag wartet auf die Roten Bullen ein hartes Heimspiel gegen die Eintracht aus Frankfurt, am Freitag darauf schon das nächste Auswärtsspiel bei Arminia Bielefeld. „In der Liga müssen wir immer an die Grenze gehen und Vollgas geben.“ Das hätten die letzten Partien gezeigt, so der RB-Coach, der im Königsklassen-Aus keinen Vorteil erkennen konnte. „Es wäre ja nicht, wie in der Gruppenphase, wo wir sechs Spiele haben. Es wären nur noch zwei weitere Partien gewesen. Das hätten wir schon verkraftet.“ Jetzt seien aus dem verlorenen Achtelfinale Lehren zu ziehen. „Wir müssen neuen Hunger schaffen. Wir haben noch einen Weg zu gehen und wollen immer auf dem Niveau mithalten. In der Champions League haben wir es nicht geschafft. Aber in der Liga und im Pokal versuchen wir weiterhin, ein großer Herausforderer zu sein.“



Seinen Jungs wolle er die nötige Zeit lassen, die Niederlage sacken zu lassen. „Es gehört dazu, mal 20 Stunden lang traurig und wütend zu sein. Erst dann werden wir uns mit neuer Energie mit dem nächsten Gegner befassen“, so Nagelsmann. Man müsse die Enttäuschung zulassen, dann aber abhaken. „Und dann geht es wieder nach vorne“, so der 33-Jährige.