Für Nico Schlotterbeck lief alles nach Plan. In den wenigen Situationen, in denen der Länderspiel-Debütant am Samstagabend beim 2:0 gegen Israel defensiv gefordert wurde, agierte er konsequent, vorausschauend und abgeklärt. Die Zeit, die dem Innenverteidiger für Offensivaktionen blieb, nutzte er phasenweise bärenstark. Tolle Pässe, gute Laufwege. Ein rundum gelungener erster Abend im Trikot der deutschen Nationalmannschaft also? Nicht ganz. Ein Aussetzer in der Nachspielzeit hätte fast noch zu einem Gegentreffer geführt – und veranlasste Ex-Nationalspieler Per Mertesacker zu einem harten Urteil.
Was war passiert? Mit demonstrativer Gelassenheit ließ Schlotterbeck den Ball im eigenen Strafraum ein wenig unbeaufsichtigt, Yonatan Cohen sprintete dazwischen und der Freiburger brachte den Gegenspieler zu Fall – Foulelfmeter. "Das war ein kleiner Arroganz-Anfall", mäkelte ZDF-Experte Mertesacker, um diese harten Worte umgehend zu relativieren und doch mit einer klaren Forderung zu verbinden: "Er hat ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht und ist ein sehr guter Spieler – aber er muss aus diesen Situationen lernen." Man müsse auch bei klarer Dominanz und ungefährdeter Führung bis zum Ende wachsam sein, betonte der Weltmeister von 2014.
"Auf diesem Niveau muss man einfach 90 Minuten voll konzentriert sein", meinte auch Bundestrainer Hansi Flick und befand, dass eine derartige Aktion bei der WM "tödlich sein" könne. Der Coach lobte aber auch: "Bis dahin hat er das sehr gut gemacht." Schlotterbeck gab sich nach seinem Debüt zerknirscht und kritikfähig – von einem "Arroganz-Anfall" wollte der 22-Jährige aber nichts wissen. "Das würde ich nicht sagen. Ich glaube, dass es in der Situation einfach schlecht war. Es war eine Unkonzentriertheit, die mir nicht passieren darf", meinte Schlotterbeck, der erleichtert war, dass Kevin Trapp den Strafstoß von Cohen parierte: "Ich muss mich bei Kevin bedanken."
Deutschland in der Einzelkritik gegen Israel
Trotz dieses Wirbels in den Schlussminuten geht Mertesacker davon aus, dass man den angeblich vom FC Bayern und Borussia Dortmund umworbenen Schlotterbeck "nun öfter im Nationalteam" sehen werde. Vielleicht schon am Dienstag, wenn es in Amsterdam gegen die Niederlande geht? "Das könnte ich mir vorstellen", meinte der frühere Weltklasse-Innenverteidiger.