Leipzig. Es waren einmal zwei Bundesliga-Vereine, die alles hatten, was das Herz begehrt. Ein schlossähnliches Zuhause. Unterstützer, die gerne gaben und die Macher vor Ort machen ließen. Hier Red Bull, da VW. Die beiden Clubs erfreuten ihre Fans mit märchenhaftem Erfolg und bekamen im Gegenzug Füllhörner voller Liebe.
Am 33. Spieltag der Saison 2020/21 begab es sich, dass sich die Brüder im Geiste, RB Leipzig und der VfL Wolfsburg, in der Red-Bull-Arena zum vorfinalen Bundesligaspiel trafen. Die von Oliver Glasner trainierten Wölfe führten 2:0, Julians Nagelsmänner egalisierten. Am Ende lagen sich alle in den Armen, rauschten hier wie dort viele lange Scheine an. Prämie fürs Erreichen der Champions-League.
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Es waren einmal zwei Bundesligavereine, die eines Tages von ihren Königen verlassen wurden. Halb hatte es sie nach München und Frankfurt gezogen, halb waren sie hingesunken. Die Verlassenen trugen nicht lange Trauer und wollten auf der Suche nach Nachfolgern nicht zig Frösche küssen. Die Neuen sollten anders sein und einen anderen Ansatz verfolgen.
Ballbesitzfußball oder Balljagd?
In Wolfsburg hielt mit Saisonbeginn Mark van Bommel Hof, trieb seinen Untertanen die beim Vorgänger betriebene Balljagd aus und sprach den Ballbesitz heilig. Bommels Männer fremdelten, verschmähten den Ball, vermissten das schnelle Spiel in die Box. Eines Tages ließ der VfL die Zugbrücke herunter, wies Bommel den Weg nach draußen und Florian Kohfeldt den nach drinnen. Der 39-Jährige steht nach anfänglichen Erfolgen und einer sich anschließenden Horror-Serie mit dem Rücken zur Wand.
Auch in Leipzig wollte man Veränderung, aber systemisch andersrum als in Wolfsburg. Die Roten Bullen wollten weg vom Nagelsmannschen Ballbesitz-Fußball und zurück zur Red-Bull-DNA (die Glasner übrigens nach Wolfsburg transportiert hatte). Jesse Marschs Mantra: Balljagd, Balleroberung, unverzüglich und steil in die Spitze. Marschs Spieler fremdelten, verschmähten den steten 180er Puls, vermissten das Zurechtlegen des Gegners via Pass-Orgien. Eines Tages ratterte auch in Leipzig die Zugbrücke. Jetzt soll es Domenico Tedesco richten. DT, 36, liebt es, den Ball zu haben.
Leipzig und Wolfsburg, zwei vom Wege abgekommene Clubs mit klarem Auftrag: Zurück in die Zukunft. Mit dem Fußball, der zum Kader passt und erfolgreich gemacht hat.
Vor 1000 Fans
Am Sonntag, 15.30 Uhr, kreuzen RB-Tedesco und VfL-Kohfeldt die Klingen. Vor 1000 Fans in der Red-Bull-Arena. Vor dem Abpfiff wird dem verstorbenen Dresdner Fußball-Helden „Dixie“ Dörner gedacht. Dass der VfL zuletzt Anfang November gewonnen hat, interessiert Tedesco nicht. Man könne diesen VfL gar nicht unterschätzen, „die haben Topspieler auf jeder Position“. Einen davon wollte RB im Sommer nach Leipzig holen. Der Deal mit Abwehrmann Maxence Lacroix scheiterte an der Ablöse.
Er selbst werde „eine sehr gute Elf“ ins Rennen schicken, ließ Tedesco nahezu tief blicken. Dominik Szoboszlai, Nordi Mukiele, Konrad Laimer, Dani Olmo erweitern seinen Handlungsspielraum.