Saalfelden. Die Wetterlage im Saalfeldener Öis-Camp der Roten ist heiter bis wolkig, ab und an regnet es, mehr als 24 Grad sind nicht geboten. Das Ganze ist vor allem für die Sportler erträglich – und kein Vergleich zum nasskalten 2017er Trainingslager in Seefeld, als einzig Regenwürmer und Coach Ralph Hasenhüttl von Glückseligkeit durchdrungen waren. Bei „Hasi“ könnte das daran gelegen haben, dass sein Ferienhaus wenige Radminuten vom Teamhotel Nidum entfernt war und einlud zur Einkehr und Gattin.
Nach dem Vormittag-Training am Dienstag in Saalfelden stellte sich Neuzugang Brian Ebenezer Adjei Brobbey, niederländisch-ghanaischer Ex-Stürmer von Ajax Amsterdam, einem Frage-und-Antwort-Spiel. Der 19-Jährige wusste, was auf ihn zukam bzw. was ihn eingeholt hatte. Es ging um ein Interview, aus dem das Gegenteil von unbändiger Lust auf RB herauszulesen war. Weitere Besorgnis erregende Botschaften aus dem „ELF Voetbal“-Magazin: Er hat noch keine Wohnung in LE, keinen Deutsch-Unterricht genommen und weiß herzlich wenig über die Bundesliga. „Ich schaue diesen Wettbewerb kaum an.“
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Gestern und in den Tagen zuvor hörte sich das (wohl nach erhellenden Konsultationen mit leitenden RB-Kräften...) alles ganz anders an. Brobbey kennt beispielsweise die große Vergangenheit des HSV, die auch mit holländischen Legenden wie Ruud van Nistelrooy und Rafael van der Vaart zu tun hat. Und, ja, er ist nahezu ein Sachse, zufrieden, froh und glücklich. „Es ist super, hier zu sein. Ich werde hart arbeiten und mich für Einsätze empfehlen.“ Und Tore machen will er auch. Mindestens zwölf, sagt er.
„Jesse ist ein hervorragender Trainer“
Wer zwischen den Zeilen des damaligen Interviews auf Suche ging, vernahm Enttäuschung über den Weggang von Julian Nagelsmann. War für den jungen Mann damit die Geschäftsgrundlage flöten gegangen und schob er deshalb einen Hals? Ja, er war überrascht über die Nagelsmann-Rochade, man hatte ihm anderes in Aussicht gestellt, so Brobbey. Er habe sich danach eingehend über Jesse Marschs Philosophie erkundigt, sich dessen legendäre Pausenansprache an der Anfield Road bei Youtube reingezogen – und seinen Frieden in der Trainer-Frage gemacht.
„Jesse hat mich häufiger in Amsterdam besucht, er ist ein hervorragender Trainer.“ Nur mal so: Marschs „Auf-sie-mit-Gebrüll“-Spielstil passt viel besser zum schnellen Mann der schnellen Abschlusshandlung als Nagelsmanns schöngeistiges „Der-Weg-ist-das-Ziel“. Ist offenbar jetzt auch zu Brobbey durchgedrungen (worden). „Tore schießen ist mein Job, ich suche immer den direkten Weg zum Tor.“ Vergleiche mit Romelu Lukaku (Inter Mailand) hinken noch, sind aber auch nicht völlig weltfremd. „Er ist mein Vorbild, von ihm schaue ich mir viel ab. Er hat eine unglaubliche Power.“ Und einen Körper wie ein Yeti. Weil auch Brobbey groß und stark ist, haben sie ihn bei Ajax Brobbeast genannt. Idol II des Biests ist Didier Drogba von Chelsea. Dessen Hobby: Selbstvertrauen. Eine Mischung aus Lukaku und Drogba? Da käme eine geniale, nie zweifelnde Urgewalt auf die Bundesliga zu.
Ajax-Trio ist nicht ganz unschuldig
Brobbeys Verletzung in der mächtigen Oberschenkel-Muskulatur ist weitgehend behoben, Teile des Teamtrainings sind erlaubt. Der Freitag-Test gegen seine bitter enttäuschte Ex, Ajax Amsterdam, kommt aber zu früh. Apropos Ajax: Beim holländischen Kult-Club haben sie kurz vor knapp jede Menge Hebel in Bewegung gesetzt, um den ablösefreien Wechsel des Eigengewächses rückgängig zu machen. Drei berühmte Männer warfen ihren Hut in den Ring und Holzpantoffel nach Leipzig. Marc Overmars, Sportdirektor von Ajax, war auf 180. Erik ten Hag, Ajax-Cheftrainer, und Edwin van der Sar, Ajax-Geschäftsführer, hatten einen ähnlichen Blutdruck. Gut möglich, dass sich der 19-jährige gebürtige Amsterdamer auch wegen dieser orkanartigen Winde zu besagtem Interview hinreißen ließ.



Fakt ist: Weder Brobbey noch sein Berater Mino Raiola wurden bei RB wegen einer Rückabwicklung vorstellig. Und: Das erwähnte Ajax-Trio ist nicht ganz unschuldig am Abgang des Rohdiamanten. Eine Vertragsverlängerung zur rechten Zeit hätte zumindest eine Ablöse garantiert. Wobei man nicht weiß, wie viele lange Scheine Herr Raiola für eine Ausweitung der Vereinbarung aufgerufen hatte. Und zur Wahrheit gehört auch, dass der Wechsel zwar ablösefrei war, aber trotzdem einige Millionen Euro kostete. Begrüßungsgeld für Brobbeast und „Danke-Mino!“-Kohle für Raiola.
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