Seit der deutschen Fußball-Vereinigung 1991 haben 14 verschiedene Ost-Traditionsvereine in der 2. Bundesliga gespielt. In der kommenden Saison hält nur noch Erzgebirge Aue die Fahne des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) im Unterhaus hoch. Nur ein Ostclub in der 2. Liga – das gab es zuvor erst drei Mal. Die Gesamtstatistik wird durch die Erstligisten Union Berlin und RB Leipzig geschönt. Der Red-Bull-Club aus Sachsen hat zwar keine Tradition im Osten, aber wirtschaftlich ganz andere Möglichkeiten. Freilich gehört auch Bundesligist Hertha BSC zum NOFV, spielt aber in der Ost-Diskussion keine Rolle.



Sogar in der 3. Liga ist der Osten in der kommenden Spielzeit unterrepräsentiert. Nur Dynamo Dresden, Hansa Rostock, der 1. FC Magdeburg, der Hallesche FC und der FSV Zwickau sind dabei. 2015/16 waren es sogar acht Vereine zwischen Rügen und Vogtland. Chemnitz und Jena sind gerade abgestiegen, Lok Leipzig hat den Aufstieg aus der Regionalliga in der Relegation verpasst.
Das alles bewog den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), am Montagabend die Sendung „Der Ostfußball im Abseits“ ins Programm zu hieven. Die Diskussion über eine stiefmütterliche Behandlung der Ostclubs gibt es seit 1991. Damals waren gemäß der „Zwei-plus-sechs-Lösung“ Hansa Rostock sowie Dynamo Dresden in die Bundesliga und Stahl Brandenburg, der Chemnitzer FC, Carl Zeiss Jena, der VfB Leipzig, der Hallesche FC und Rot-Weiß Erfurt in die 2. Bundesliga einsortiert worden. Insofern sind die meisten Argumente wahr, aber schon abgegriffen.
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„Die Ostvereine haben Tradition und eine Fan-Basis, aber die Erwartungen passen nicht zu den Möglichkeiten“, sagte Chris Förster, Geschäftsführer des FC Carl Zeiss Jena. Holger Stahlknecht, Minister für Inneres und Sport in Sachsen-Anhalt, erklärte wirtschaftliche Nachteile damit, dass viele Unternehmen verlängerte Werkbänke seien. Soll heißen: Die Stammsitze vieler Firmen sind im Westen Deutschlands und dort sei oft auch ein Sportsponsoring angesiedelt. Allerdings verwies Stahlknecht auch auf Insolvenzen in Chemnitz und Erfurt – diese seien „reine Managementfehler. Wirtschaftliche Stabilität geht vor sportlichen Erfolg, sonst bricht der Laden zusammen“.
Sogar DFB-Präsident Fritz Keller ließ sich auf das Thema Ostfußball im Abseits ein. „Ich würde mir sehr wünschen, dass wieder mehr Vereine aus dem Osten in der ersten oder zweiten Liga spielen würden“, sagte er salomonisch. Der Ex-Präsident des SC Freiburg verwies aber auch darauf, dass das Tief im Osten viele Ursachen habe. „Es gibt großartige Vereine, aber sie müssen langfristig und solide arbeiten, es braucht innovative Konzepte.“ Außerdem gebe es auch im Westen darbende Großvereine. Keller: „Nicht nur im Osten sind namhafte Traditionsclubs verschwunden.“
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Dennoch beklagte Jenas Geschäftsführer Förster die fehlende Lobby der Ostclubs. Er verwies darauf, dass die Profiligen ihre Spielpläne in der abgelaufenen Saison ohne Rücksicht etwa auf Dresden und Jena durchgezogen hätten, obwohl der Corona-Neustart für sie erheblich erschwert war. Förster führte auch die Aufstiegsregelung in die 3. Liga an – diese bevorteilt die Regionalliga Südwest.
Derweil widerspricht Union Berlin allen Argumenten und hat sich mit dem Klassenerhalt in der Bundesliga zum Leuchtturm des Ostens hochgearbeitet.