Am besten hat einer seiner Nachfolger das Phänomen Pelé erklärt: Romario, mit der "Seleção" 1994 Weltmeister, sagte einmal: "Ich hatte noch nie Idole. Aber da ich Brasilianer bin, bin ich wie alle anderen in diesem Land. Da wir gute Brasilianer sind, ist Pelé unser Gott, zumindest ist er meiner. Das Spiel dürfte eigentlich nicht Fußball heißen – es müsste Pelé heißen."
Am Donnerstag ist dieses brasilianische Fußballidol, gleichsam für viele der beste Fußballer, der je nach einem Ball getreten hat, im Alter von 82 Jahren in einem Krankenhaus in São Paulo an den Folgen von Darmkrebs gestorben.
Pelé hat geschafft, wovon jedes Kind träumt
Vor allem seine brasilianischen Landsleute empfinden eine Mischung aus Bewunderung und Hingabe, aus Faszination und Liebe für diesen Mann, der sogar Sportminister wurde. Er hat das geschafft, wovon jedes Kind träumt, das in einer der vielen Favelas aufwächst, in ärmlichsten Verhältnissen. Edson Arantes do Nascimento ist mit Fußball aus seinem Elendsviertel in die Glamourwelt aufgestiegen – zu einem der größten Sportler, die es jemals auf diesem Planeten gegeben hat.
Diese Sport-Persönlichkeiten sind 2022 gestorben
In den letzten Jahren ist es eine Glaubensfrage, wenn es um die Frage geht, wer der beste Fußballer der Welt ist. Team Messi oder Team Ronaldo? Doch unterhält man sich mit älteren Fußballern oder mit Experten, gibt es keine Diskussionen mehr. Dann heißt es auf die Frage nach dem besten Kicker aller Zeiten nur: Pelé.
Pelé, der wohl kompletteste Fußballer der Geschichte
Das wissen sie in Südamerika, wo sie ihn 1998 zum "Fußballer des 20. Jahrhunderts" küren. Ein Jahr später wird er von der FIFA zum "Weltfußballer des 20. Jahrhunderts" gewählt. Und im gleichen Jahr vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zum "Weltsportler des 20. Jahrhunderts" – und das, obwohl Pelé niemals an Olympischen Spielen teilgenommen hatte.
Doch was machte Edson Arantes do Nascimento so außergewöhnlich? Schaut man sich Spiele von damals an, wird klar, dass es das Gesamtpaket ist, was Pelés Ausnahmestellung als König des Fußballs begründet. Ein Spieler ohne Schwächen, komplett komplett. Über seine Technik, seine Tricks, die er sich in barfüßigen Kindesjahren auf der Straße beibringt, könnte man einen Film drehen. Wenn heutige Superstars den Ball elegant hinter das Standbein und somit vom Gegenspieler wegziehen, geht dies auf Pelé zurück. Seine Schnelligkeit und Beweglichkeit sind ebenfalls einzigartig, genau wie seine Beidfüßigkeit. Trotz seiner lediglich 173 Zentimeter Körpergröße ist er außerdem ein hervorragender Kopfballspieler.
Von Beginn an Brasilien-Star und Führungsspieler
Neben seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten wird Pelé auch deshalb zur Legende, weil er nur für einen Klub spielt: den FC Santos, mit dem er in 17 Profijahren 26 nationale und internationale Titel gewinnt. Erst nach seinem eigentlichen Karriereende kommt er zurück und wechselt zu Cosmos New York, wo er mit Franz Beckenbauer spielt und ebenfalls Meister wird. Bei den WM-Titeln 1958 und 1970 ist er die prägende Figur seiner Mannschaften – von Anfang an. Auch 1962 wird er mit Brasilien Weltmeister. Da hat er sich im zweiten Spiel des Turniers verletzt – die Seleção schafft den Titel ohne ihren Superstar.

Bei seinem ersten Turnier in Schweden ist Pelé der jüngste Spieler der WM. Im Halbfinale gegen Frankreich (5:2) erzielt der 17-Jährige binnen 22 Minuten einen Hattrick, und die Fußballwelt staunt über den leichtfüßigen Jungen aus dem brasilianischen Hinterland, der mit den gestandenen europäischen Stars Katz und Maus spielt. Im Endspiel wird der Gastgeber ebenfalls mit 5:2 bezwungen. Wiederum ist Pelé der überragende Spieler, krönt seine Leistung mit zwei Treffern. Brasilien ist erstmals Weltmeister, ein neuer Fußballgott geboren. Die ergreifenden Bilder des weinenden Pelé, der sich an Gilmars Schulter anlehnt, sind unvergessen. Innerhalb weniger Tage ist er zu einem Weltstar aufgestiegen.
Pelés Torquote bleibt unerreicht
Später knackt Pelé unzählige Rekorde. 1959 erzielte er für den FC Santos in einer Saison 127 Tore. Seine Torausbeute sprengt alle Dimensionen: In den 92 Länderspielen seiner Karriere kommt Pelé auf 77 Tore. Insgesamt soll er in seiner Karriere rund 1300 Tore in fast 1400 Spielen erzielt haben.
Besonderes Augenmerk liegt auf seinem 1000. Tor, auf das Brasilien wochenlang wartet. Es scheint wie ein Fluch, auch am Abend des 19. November 1969 in Rio beim Spiel des FC Santos gegen Vasco da Gama. Nach einem Eigentor seines Gegenspielers Rene und unglaublichen Paraden des Vasco-Torhüters dauert es bis zur 78. Minute, als Pelé im Strafraum zu Fall gebracht wird – es gibt Elfmeter.
1000. Tor rührt Pelé zu Tränen
Pelé schießt mit dem rechten Innenrist in die rechte untere Torecke. Torhüter Edgardo Andrada taucht dorthin ab, erreicht den Ball nicht mehr. Ein wilder Aufschrei entlädt sich im Stadion. Erlösung! Pelé läuft wie von Sinnen auf das leere Tor zu, um den Ball aus dem Netz zu holen. Aber just in jenem Moment, als er sich mit dem Ball in der Hand umdreht und ihn jubelnd gen Himmel reckt, brechen alle Dämme. Sekunden später ist er umringt von einem Menschenmeer an Fotografen und jubelnden Fans. Er wird in die Höhe gehoben, auf Schultern davongetragen. Nur mit Mühe kann er sich aus der Masse befreien.
Wenig später entreißen ihm Anhänger von Vasco da Gama das Trikot und stülpen ihm ein Shirt ihres Klubs mit der Rückennummer "1000" über. "Pelé, Pelé"-Sprechchöre durchfluten das Rund. Von Tränen gerührt dreht Pelé seine Ehrenrunde und lässt sich feiern. Erst in der Umkleidekabine findet die Legende wieder zur Ruhe. "Ich fühlte mein Herz schlagen und war froh, dass es nun endlich vorbei war."
Rund 53 Jahre später hat nun auch das Herz des wohl besten Fußballers aller Zeiten aufgehört zu schlagen.
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