Die drei WM-Starter Christopher Linke, Hagen Pohle und Nils Brembach vom SC Potsdam machten am Samstag bei den Deutschen Meisterschaften im Bahngehen über 10 000 Meter Werbung in eigener Sache. Sie sorgten vor über 300 begeisterten Zuschauern – darunter auch Brandenburgs Sportministerin Britta Ernst (SPD) – für eine wilde Hatz über 25 Runden und beste Unterhaltung.
Von wegen, Gehen sei langweilig. Von Beginn an drückte Lokalmatador Pohle, der in Beeskow aufgewachsen ist und seine ersten Schritte in der Leichtathletik tat, auf seiner Heimbahn auf die Tempotube. Nach gut einem Kilometer wurde er von Linke an der Spitze abgelöst, der sich gleich einen Vorsprung verschaffte und in seinen Orange leuchtenden Sportschuhen durchzog. In 38:57,94 Minuten holte er sich den Meistertitel, auf den er seit 2011 ein Abo hatte, zurück. Denn bei der letzten Austragung 2017 hatte sich Pohle durchgesetzt. Der Beeskower wollte auch bei seinem Heimspiel nicht klein beigeben, war zwischenzeitlich auf Rang drei zurückgefallen. Doch gut einen Kilometer vor dem Ziel zog er unter den Anfeuerungsrufen der begeisterten Zuschauer schon seinen Endspurt an und wurde in persönlicher Bestzeit von 39:37,59 Minuten Zweiter vor Brembach, der in 39:50,04 Minuten ebenfalls noch unter der 40-Minuten-Marke blieb.
„Das war stark“, lobte Heim- und Bundestrainer Ronald Weigel seine Schützlinge. Drei Tage nach der Rückkehr aus dem Höhentrainingslager auf dem Belmeken/Bulgarien zeigte das Trio, dass es auf dem Weg zu den Leichtathletik-Weltmeisterschaften im Oktober in Doha/Katar im Soll liegt. „Mein Plan war es zu gewinnen“, meinte Linke. „Und dann wollte ich noch den Ü-30-Rekord meines Trainers von 39:36 Minuten unterbieten“, fügte er mit einem Schmunzeln an. Der 30 Jahre alte Sportsoldat hat selbst eine Bestzeit von 38:40,25 Minuten aus dem Jahr 2016. Den deutschen Rekord hält Weigel seit 1986 mit 38:12,13 Minuten.


„Ich bin in den letzten Wochen auf dem Belmeken 700 Kilometer gegangen, da sind die 10 000 Meter natürlich ein Klacks“, berichtete Linke. Der Olympia-Fünfte bereitet sich wie seine Trainingspartner auf die 20 Kilometer bei der WM vor und zählt dort ganz sicher zum Kreis der Medaillenkandidaten. Am 2. September reist er ins Trainingslager nach Südafrika, am 30. September geht es von dort direkt nach Doha. Weil der WM-Wettkampf wegen der Hitze erst um 23.30 Uhr Ortszeit beginnt, wird der Diagnostiktest an diesem Mittwoch in Leipzig auch zu nächtlicher Stunde stattfinden. „Ich bin gespannt, was da herauskommt. Ich fühle mich in guter Form“, bekräftigte Linke, dessen linke Hand einen Verband trug. „Ich bin am Vortag beim Training über einen Gullydeckel gestolpert.“
Beeskow begeistert die Geher mit toller Kulisse
Dann brach der Meister noch eine Lanze für die Veranstalter: „Großes Lob an die Beeskower, diese Kulisse hat mich überrascht.“ Auch „Vize“ Pohle huschte trotz der 25-Runden-Hatz ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht. Schließlich hatte er maßgeblich dafür gesorgt, dass diese Meisterschaften im Bahngehen nicht wieder ausfallen, sondern mit Beeskow einen würdigen Gastgeber finden. „Als die Zuschauer mich noch einmal im Endspurt gepusht haben, war das ein richtiger Gänsehaut-Moment. Das erlebt man als Geher nicht alle Tage. Der ganze Aufwand hat sich gelohnt“, meinte Pohle, der zwischenzeitlich schon 40 Meter hinter dem EM-Fünften Brembach lag, sich aber mit einem Kraftakt noch mal vorbei kämpfte. „Da hat die heimische Kulisse schon geholfen“, sagte Pohle, der immer wieder persönliche Glückwünsche und Umarmungen einzelner Zuschauer entgegen nahm.
Kritik am Verband
Linke nutzte die Bühne noch mal für eine Generalkritik am Deutschen Leichtathletikverband (DLV). „Der DLV hat keinen offiziellen Vertreter hierhergeschickt. Wir hätten auch bei den Finals im Berliner Olympiastadion gehen können. Denn das Anliegen dieser Finals war es ja, Disziplinen, die gewöhnlich nicht im Fernsehen gezeigt werden, zu präsentieren. Da gehören wir Geher ganz sicher dazu. Ich weiß nicht, warum der DLV diese Chance nicht genutzt hat.“ Daher sei das, was Beeskow auf die Beine gestellt habe, umso höher zu bewerten. „Die Organisation war super“, bestätigte auch Brembach.
Teresa Zurek (ebenfalls SC Potsdam), die sich in Abwesenheit von WM-Teilnehmerin Saskia Feige, den Titel bei den Frauen über 5000 Meter souverän in 22:08,89 Minuten sicherte, stieß ins selbe Jubelhorn: „Das Publikum war echt klasse, es hat Spaß gemacht, hier zu gehen. Leider habe ich die Norm für die WM über 20 Kilometer verpasst. Aber ich bereite mich nun auf die Militär-WM im Oktober in China vor“, schilderte die Sportsoldatin ihre nächsten Pläne.
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