Wenn die Deutschen an Gary Lineker denken, denken sie zuerst an sein berühmtes Zitat, wonach Fußball ein einfaches Spiel von 22 Männern sei, an dessen Ende immer Deutschland gewinnen würde. Es ist ja auch ein guter Satz. Doch der Ex-Nationalstürmer ist mehr als ein unterhaltsamer Fußball-Chronist. Das hat er in den vergangenen Tagen bewiesen.
Per Twitter kritisierte Lineker ein neues Anti-Flüchtlings-Gesetz der britischen Regierung und verglich die Sprache der Minister in dieser Angelegenheit mit der Rhetorik von Nazi-Deutschland. Wobei er so geschickt war, den Begriff “Nazi-Deutschland” zu vermeiden. Lineker schrieb von “Deutschland in den Dreißigern”.
Dafür bekam er Ärger von der BBC, für die er “Match of the Day” moderiert, die englische Variante der Sportschau. Der Sender warf Lineker vor, gegen die Regeln der Unparteilichkeit verstoßen zu haben, denen sich die BBC verpflichtet sieht als öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der durch Gebühren der Zuschauer finanziert wird.
Lineker bleibt konsequent
Lineker hielt an seiner Kritik fest, sah keinen Grund, sich zu entschuldigen, weshalb “Match of the Day” am vergangenen Samstag ohne ihn stattfand – und auch ohne Studiogäste und Kommentatoren. Sie hatten sich mit Lineker solidarisch erklärt. Die Sendung war eine Farce. Anstatt der üblichen rund anderthalb Stunden dauerte sie 20 Minuten. Von den Zusammenfassungen der Spiele blieb ohne Kommentar und Analyse nichts in Erinnerung. Angeblich hat Liverpool in Bournemouth verloren.
Im Kern geht es bei der Affäre um Gary Lineker nicht darum, ob und wie sich BBC-Mitarbeiter in Sozialen Medien politisch äußern dürfen. In Frage steht die Glaubwürdigkeit des Senders. Schon seit längerer Zeit drängt sich nämlich der Eindruck auf, dass die BBC kuschen würde vor der an der Macht befindlichen Konservativen Partei.
Kritische Berichterstattung wird vernachlässigt
Die BBC maßregelt Moderatorinnen und Moderatoren für kritische Berichterstattung über die Tories und ignoriert bei der Berichterstattung über wirtschaftliche Probleme im Vereinigten Königreich weitgehend den Brexit, um die Konservativen nicht zu verärgern. So scheint es jedenfalls. Ziemlich sicher hätte Lineker keine Probleme bekommen, wenn er die Asylpolitik der Regierung gelobt hätte. Wobei ja auch das eine angeblich unzulässige Parteinahme bedeutet hätte.
Dazu muss man wissen: Die Tories setzen die BBC seit Jahren unter Druck, wollen das Gebühren-Modell abschaffen und dem Sender die Finanzierung kürzen. Und: BBC-Präsident Richard Sharp hat in der Vergangenheit großzügig an die Konservativen gespendet und Ex-Premierminister Boris Johnson bei der Beschaffung eines Kredits geholfen. Unparteilichkeit? Nun ja.
Die BBC wollte Lineker offensichtlich zensieren, weil dem Sender seine kritische Haltung zur Tory-Regierung missfällt, doch Lineker ist standhaft geblieben. Er hat an seiner Position festgehalten, dass man Menschen in Not helfen muss, anstatt ihnen mit einer entwürdigenden Politik zu begegnet (wobei Nazi-Vergleiche nie klug sind). Lineker hat sich für Menschlichkeit stark gemacht, und das gegen Widerstände. Dafür gebührt ihm Applaus. Eine TV-Persönlichkeit wie ihn kann man sich nur wünschen.
Den Machtkampf mit der BBC hat er übrigens gewonnen. “Match of the Day” findet künftig wieder mit Gary Lineker statt. Am Samstag soll er das FA-Cup-Viertelfinale zwischen Manchester City und dem FC Burnley moderieren (18.45 Uhr). "Nach ein paar surrealen Tagen freue ich mich, dass wir einen Weg gefunden haben. Ich bin erleichtert, wieder an der Arbeit zu gehen. Die Welt ist in Ordnung", sagte der frühere englische Nationalspieler bei LaLiga TV.
Anzeige: Erlebe die gesamte Bundesliga mit WOW und DAZN zum Vorteilspreis