Gut zehn Minuten vor Beginn des anberaumten Gesprächstermins betrat Daniel Frahn am Montag den Presseraum des SV Babelsberg 03. Bevor sich der 32-Jährige, dessen Rückkehr zum Fußball-Regionalligisten in den vergangenen Tagen deutschlandweit diskutiert wurde, den Fragen der rund 20 Medienvertreter stellte, warf er einen Blick auf aufgehängte Zeitungsartikel von vergangenen Erfolgen der Kiezkicker – an denen auch er seinen Anteil hatte. 2010 schoss er den SVB als Torschützenkönig in die 3. Liga und kehrte am 31. Januar 2020 unter großem Aufsehen zurück.
„Ich freue mich, dass ein paar Medienvertreter gekommen sind, die sich vielleicht auch für die andere Seite interessieren. Ich möchte hier einiges klar- und richtigstellen“, eröffnete Frahn, der einen „Bolzplatzkind“-Hoodie trug und in den kommenden Wochen wieder für sportliche Schlagzeilen sorgen will, sein Statement und stellte seine Sicht der Dinge auf die Ereignisse der vergangenen Monate dar. „Ich habe Fehler, auch schwerwiegende Fehler gemacht, die ich zutiefst bereue, die mir unfassbar leid tun.“ Diesem Eingeständnis schob er mit Nachdruck hinterher: „Ich bin kein Nazi, war nie ein Nazi und war auch kein Sympathisant von rechter Gesinnung.“
Vom FV Turbine Potsdam bis RB Leipzig: Die Karriere von Daniel Frahn in Bildern.
Mit Blick auf die im Anschluss an seine Kündigung beim Chemnitzer FC geschehenen Ereignisse sagte Frahn: „Was passiert ist, ist für mich bis heute sehr schwer zu begreifen, da die Sachen einfach nicht wahrheitsgemäß dargestellt worden sind.“ So habe ihm vom CFC niemand gesagt, dass er sich mit der Person, mit der er in Halle war, nicht blicken lassen dürfe. „Das soll nichts rechtfertigen, weil ich für mich selber hätte überlegen müssen. Aber so, wie es nach außen dargestellt worden ist, ist es einfach nicht die Wahrheit.“
Der gebürtige Potsdamer wirkt in seinen Aussagen klar, antwortet auf Nachfragen der Presse offen und erläutert Hintergründe. So habe das ehemalige Mitglied von „Kaotic Chemnitz“, mit dem er zum Spiel nach Halle fuhr, bei der Aufstiegsfeier zweieinhalb Stunden in der Kabine der Chemnitzer Mannschaft verbracht, als auch Vereinsverantwortliche mit dabei waren. Später habe Frahn, wie auch andere Chemnitzer Spieler, von denen sich nach seiner Kündigung in den ersten zwei Monaten nur drei Spieler bei ihm gemeldet hätten („Das sind Sachen, die mir gezeigt haben, dass Fußball wenig mit ,elf Freunde’ sein zu tun hat, sondern nur ein Geschäft ist“), mit dieser Person „vier-, fünfmal online Fifa gespielt“. Dabei sei weder über Politik gesprochen worden, noch habe sich eine Freundschaft entwickelt.



Dass es sich um einen Rechtsextremen handele, habe sich Frahn erst im Nachhinein erschlossen. Trotzdem gibt er zu, dass er sich nach seiner Verfehlung im März 2019 „deutlich, deutlich mehr“ hätte informieren müssen. „Das hätte mir nicht passieren dürfen.“ Dass rechtsextreme Fans bewusst die Nähe zu Frahn gesucht hätten, um ihn für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, könne er schwer sagen, sich aber nicht wirklich vorstellen. Nachrichten mit Beschimpfungen oder Ähnlichem habe er in den vergangenen Monaten nicht erhalten.
Für die Zukunft versprach Frahn, der zusammen mit Sportvorstand Peter Könnicke und dem Vorsitzenden Archibald Horlitz, rund 70 Minuten Rede und Antwort stand, „Sachen deutlicher hinterfragen“ und „nicht mehr auf jeden Zug aufzuspringen“.



Ernsthafte Angebote anderer Vereine habe es nach seiner Entlassung beim CFC wenige gegeben. Der Berliner AK um Präsident Ali Han hätte ihn im August unter Vertrag genommen. Da wollte Frahn aber vor Gericht um sein Recht kämpfen. Der schottische Erstligist Heart of Midlothian hatte sein Interesse signalisiert. Seiner Präsidentin war dieses „Eisen aber zu heiß“. Umso dankbarer zeigt sich Frahn den SVB-Verantwortlichen, die ihm eine Chance geben. Dieses Vertrauen will er mit Leistung zurückzahlen und dafür sorgen, dass neue Erfolgsgeschichten an der Wand des Presseraums angehängt werden.
Frahn und der SVB – was bisher geschah
Nach drei Jahren bei Babelsberg 03 wechselt Daniel Frahn 2010 als frisch gebackener Torschützenkönig der Regionalliga Nord zu RB Leipzig. Nach fünf Spielzeiten bei den Roten Bullen, mit denen er von der Regionalliga in die 2. Bundesliga aufstieg, schließt sich der Angreifer Zweitligist 1. FC Heidenheim an, den er nach nur einer Halbserie Richtung Drittligist Chemnitzer FC verlässt. Im März 2019 hebt Frahn während einer Partie des Chemnitzer FC beim Torjubel ein T-Shirt mit der Aufschrift „Support your local hools“ (Unterstütze deine lokalen Hooligans) hoch.
Mit dem Verkauf des Shirts wurde der an Krebs erkrankte Neonazi Thomas Haller finanziell unterstützt. Am 3. August zeigt sich der verletzte Frahn beim Spiel in Halle im Fanblock mit regionalen Neonazi-Größen. Am 5. August kündigt Chemnitz den Vertrag des Kapitäns wegen der „offenkundig zur Schau gestellten Sympathie zu führenden Köpfen der rechts gesinnten Gruppierung ‚Kaotic Chemnitz’ und der aufgelösten Gruppe ‚NS-Boys’“, er habe sich „massiv vereinsschädigend“ verhalten. Das Chemnitzer Arbeitsgericht erklärte die folgende Kündigung Mitte Dezember für unwirksam, der CFC legt Berufung ein. Im Januar 2020 fragt Frahn beim SVB an, ob er sich mit dem Team fit halten könne. Nach einer Absage im Oktober stimmt der Club dieses Mal zu.
Am 29. Januar einigen sich Frahn und der CFC auf eine Vertragsauflösung, zwei Tage später unterschreibt Frahn einen bis Saisonende gültigen Vertrag beim SVB und stellt sich am Abend in einer ersten Fragerunde einigen Fans des Kiezvereins. Nachdem in den sozialen Netzwerken viel Kritik an der Verpflichtung Frahns geäußert wurde, wird dieser am 2. Februar im Heimspiel gegen Chemie Leipzig vom Großteil der Babelsberger Zuschauer im Karl-Liebknecht-Stadion freundlich empfangen. Aus dem Gästeblock gibt es lautstarke Pfiffe und „Nazis-Raus-Rufe“. Bei seiner Einwechslung halten die Chemie-Anhänger das Plakat „Daniel Frahn – heim ins Reich“ hoch. Am 13. Februar stellt sich Frahn Mitgliedern und Fans des SVB in einer weiteren Fragerunde.
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