Leipzig. Eigentlich ist ein nicht durch eine Verletzung erzwungener Torwart-Wechsel in der Schlussphase eines Fußball-Spiels ein Unding, eine Respektlosigkeit gegenüber dem Gegner. Davon konnte am Sonntagabend allerdings keine Rede sein. In der 87. Minute brandete rauschender Beifall auf in der Red Bull Arena. Nicht wegen des guten Spielvortrags der Gastgeber, die zu diesem Zeitpunkt 4:0 gegen den FC Augsburg führten (und mit diesem Ergebnis auch die Partie beendeten). Sondern wegen eines 36-Jährigen, der sich an der Seitenlinie auf seine Einwechslung vorbereitete.
Gulacsi musste Ball ins Aus spielen
Als Philipp Tschauner, eigentlich dritter Keeper von RB, sich von der Bank auf den Weg machte, wurde er nicht nur einmal umarmt. Coach Domenico Tedesco gab ihm noch ein paar warme Worte mit auf den Weg. Leipzigs Nummer eins und Kapitän Peter Gulacsi rannte zur Seite, übergab Tschauner die Binde. Der hatte mit seinen Torwarthandschuhen Probleme, die zu befestigen. Team-Manager Babacar N’Diaye half in diesem Fall vermutlich besonders gern. Denn der Einsatz des gebürtigen Schwabachers, der 2019 an die Pleiße gewechselt war, war der Erste und zugleich der Letzte in einem Pflichtspiel für RB. Tschauner beendet nach der Saison seine aktive Karriere, wechselt ins Torwarttrainer-Team des Clubs. Vor dem Anpfiff war der offiziell verabschiedet worden.



Die Einwechslung war eine Überraschung. „Richtig erfahren hab‘ ich es erst in der 74. Minute. Da kam der Torwarttrainer (Frederik Gößling, d. Red.) zu mir und hat gesagt, wenn es so bleibt, bekommst du deine Minuten“, schilderte Tschauner nach dem Abpfiff die Situation. „Wir wollten eigentlich sogar ein paar mehr Minuten machen, aber die Jungs haben dann sehr um den Ball gekämpft.“ Tatsächlich musste Gulacsi von seinem Strafraum aus zur Mittellinie eilen und den Ball ins Seitenaus schießen, um den Wechsel möglich zu machen. Zu eifrig waren seine Teamkollegen zuvor damit beschäftigt gewesen, doch noch das 5:0 nachzulegen.
Neuer Kassenwart gesucht
Zu halten hatte Tschauner bei seinem Pflichtspieldebüt nichts mehr. Ein paar Ballkontakte ermöglichten ihm die Mitspieler dennoch. Den Fans gefiel's. Sie feierten den Keeper. Der erhielt im Anschluss viel Lob von Tedesco. „Die starke Rückrunde macht man immer an Vielen fest, vor allem an denen die Tore schießen, an denen, die verteidigen. Aber es gibt immer welche, die wenig oder gar nicht spielen. Tschauni ist einer davon. Er ist für uns einfach ein Glücksfall. Er ist in der Kabine ganz ganz wichtig. Jeder Spieler, egal ob deutschsprachig oder nicht, vertraut sich dem Tschauni an. Er hat für alle ein offenes Ohr“, so der Coach. Ganz nebenbei verwaltet der 36-Jährige auch die Mannschaftskassen. „Das Mindeste, was wir dann im Trainerteam machen können, ist ihm zu ermöglichen, nochmal zu spielen.“

Auch wenn sich die Profis nun einen neuen Kassenwart suchen, ganz auf Tschauner verzichten müssen sie nicht. Denn der bleibt dem Club erhalten, hat einen Anschlussvertrag, der zunächst für drei Jahre läuft. Wie genau sein neuer Job aussehen wird, steht noch nicht fest. „Wir werden uns in der Woche vor dem Spiel in Bielefeld zusammensetzen und das Aufgabengebiet definieren. Da haben wir ja jetzt etwas mehr Zeit. Wahrscheinlich wird es etwas im Torwart-Nachwuchsbereich sein. Vielleicht auch bei mehreren Mannschaften.“ Er freue sich auf diese Phase. „Die drei Jahre will ich genießen.“
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