Leipzig. Da saß ein Mensch auf dem Podium. Nicht mehr und nicht weniger. Oliver Mintzlaff hat eine Seite von sich gezeigt, die bisher selten bis nie öffentlich zutage getreten ist. Verärgerung, ja. Angriffslust und auch Wut, ebenfalls. Die gab es öfter, wenn der RB-Boss Entscheidungen wie das lange Festhalten an Coach Jesse Marsch verteidigte. Aber ein Oliver Mintzlaff, der nach Worten und Fassung ringt, immer wieder Halt suchend seine Hände knetet und, tatsächlich, gegen Tränen kämpft, der ist neu. Das Schreckliche, das Unsagbare, der Krieg nahe der eigenen Haustür, die Hilflosigkeit angesichts dessen, werden eine Ursache dafür gewesen sein.
Die andere war die Gemengelage zwischen Freitag und Montag. In der heutigen schnelllebigen Zeit sind drei bis vier Tage (je nach Zählweise) nicht nur eine gefühlte Ewigkeit. So lange dauerte es von der Auslosung des Achtelfinales der Europa League gegen Spartak Moskau und dem im Nachhinein als absolut verunglückt anzusehenden ersten Statement inklusive des zügigen Versendens von Ticketinformationen bis zur Spielabsage durch den europäischen Fußballverband. So lange schwieg RB Leipzig beharrlich.



Während sich die Öffentlichkeit in dieser Zeit über das vermeintliche Nichtstun von RB ereiferte, handelten die Verantwortlichen, handelte Mintzlaff. Ohne darüber zu reden. So lautete die Absprache mit Alexander Ceferin und der UEFA, die selbst handeln wollten und den Club baten, die Füße bis dahin still zu halten.
Je nach persönlicher Veranlagung mag Oliver Mintzlaff Zuhörerinnen und Zuhörer berührt haben, als er nun endlich das Schweigen brach (oder brechen durfte?). Den Spiegel hielt der 46-Jährige seinen Kritikerinnen und Kritikern in jedem Fall vor. Motto: Wer ohne Kenntnis des Sachverhalts urteilt, der verurteilt (zu) schnell.