Leipzig. Als der US-Amerikaner Jesse Marsch zum Cheftrainer der Roten Bullen gekürt wurde, war er happy, stolz, euphorisch, motiviert bis unter den Seitenscheitel, verbreitete Aufbruchstimmung. All das hatte nach der bleiern nachwirkenden 1:4-Pokal-Final-Pleite gegen den BVB was von großer weiter Welt, erinnerte an Barack Obamas „Yes, we can!“ Ja, wir können, wir schaffen das! Pokale holen und stemmen! Mit Marsch-Fußball zurück zur RB-DNA! Mit Marsch-Fußball nasse Handtücher anzünden! Mit Marsch-Fußball in München und Dortmund Angst und Schrecken verbreiten!
Pause statt Puls
Der Marsch-Fußball hat weniger Verästelungen als jener unter Julian Nagelsmann. Marschs Stil beruht auf Leidenschaft, vielen intensiven Läufen und Zweikämpfen. Balljagd, Angriffspressing und blitzartiges Spiel in den Strafraum hörten sich mindestens so gut an wie Obamas Vorhaben. Und stießen an mindestens so viele Grenzen. Während der US-Präsident unter anderem an der NSA-Affäre und der Gemengelage zwischen Kongress und dem Weißen Haus zu beißen hatte, gingen Marsch erst die Mitstreiter, dann die Punkte und schließlich die Argumente für eine Weiterbeschäftigung aus. Als Boss Oliver Mintzlaff seinen (Wunsch-)Trainer und Freund am Samstag abend telefonisch mitteilte, dass es vorbei ist, war da am anderen Ende der Telefonleitung in Gohlis natürlich Enttäuschung übers Aus nach nur fünf Monaten.
DURCHKLICKEN: Sie saßen bisher bei RB auf der Bank
Aber auch die Erkenntnis, dass diese Trennung mit Blick auf die Tabelle und nicht erkennbarer Stoßrichtung alternativlos ist. Und da war auch Erleichterung über ein Ende mit Schrecken. Marsch war bei allem Bemühen und Enthusiasmus nie vorgedrungen in die Kleinhirne der Fußballer. Manche Spieler hatten schlicht keine Lust auf Bälle-Jagen und steten 180er-Puls. Andere konnten/wollten das zehrende Anforderungsprofil physisch nicht leisten. Wieder andere sehnten sich nach Nagelsmanns Kombinations-Orgie und den dabei erholsam wirkenden Pausen zurück. Am Cottaweg muss dringend feucht durchgewischt werden. Die Profis müssen sich gefälligst fragen, was sie für den kriselnden Verein tun können und nicht, was der Verein für sie tun kann.
M wie Marsch und Manchester
Dass RB einen Bundesliga-Novizen geholt und diesem keinen Sportchef mit Expertise und Strahlkraft zur Seite gestellt hat, war eine Unterlassungssünde. Bliebe die Frage: Welchen Trainer holt man? Beziehungsweise: Wen kriegt man, wenn es derart pressiert? Die Fähigsten sind in Amt und Würden. Ausnahmen wie Monsieur Zidane bestätigen diese Regel. Erik ten Hag (Ajax Amsterdam) wäre die größte und kostspieligste Lösung. In Mainz bauen sie Bo Svensson gerade ein Denkmal und in Dortmund steht schon eins von Pokal-Held Edin Terzic. Dass sich Roger Schmidt gen Eindhoven abgeseilt hat, spricht nicht für dessen XXL-Ambitionen.
Übrigens: Sascha Lense, Ex-Sportpsychologe der Rasenballer, gehört ab sofort zur Ralf Rangnicks Trainerteam bei Manchester United. Und Jesse Marsch, Rangnicks hochsymphathischer Assistent aus der RB-Saison 2018/2019, ist ab sofort zu haben. Good luck, Mister Marsch!