Leipzig. Lukas Klostermann hat es geschafft. Er gehört zur Stammelf bei RB Leipzig, zur Nationalmannschaft, mit der deutschen U21 holte er Olympia-Silber. Im Interview mit LVZ-Sportchefin Antje Henselin-Rudolph spricht der Verteidiger über seine Anfänge im Tor, den Zusammenhang zwischen Musik und Sport sowie die Herausforderungen im leistungsorientierten Nachwuchsfußball.
SPORTBUZZER: Weggefährten sagen, Sie seien über all die Jahre ein echter Westfale geblieben. Was macht einen echten Westfalen aus?
Lukas Klostermann: Grundsätzlich würde ich sagen, dass ich sehr heimatverbunden bin. Ich bin nach wie vor gern dort, habe noch viel Kontakt zur Familie, zu Freunden und alten Weggefährten. Ein Klischee für einen typischen Westfalen fällt mir gar nicht ein. Vielleicht die „westfälische“ Frohnatur. Und die Liebe zur Bratwurst. (lacht)
DURCHKLICKEN: Lukas Klostermann bei RB Leipzig
Sie haben Ihre sportliche Karriere eigentlich als Leichtathlet begonnen. Wie kam es zum Wechsel zum Fußball?
Ganz einfach gesprochen, weil es mir am Ende des Tages deutlich mehr Spaß gemacht hat. Ich war schon mit meinen Eltern immer auf dem Sportplatz, wahrscheinlich schon, als ich noch im Bauch war. Da hat sich das so ergeben, dass ich früh mit der Leichtathletik angefangen habe. Der Mannschaftssport hat mir dann aber mehr gegeben. In der Leichtathletik ist man im Wettkampf immer allein. Da fiel mir die Entscheidung nicht so schwer.
Welche Disziplin war Ihre Spezialität?
50-Meter-Sprint, Weitsprung, Hochsprung, Ballwurf – ich habe am Anfang alles so ein bisschen gemacht. Aber eher die Sprint- und Sprung-Disziplinen.
Es gibt ein Foto von Ihnen als kleiner Knirps im Torwart-Outfit.
Wir haben früher immer auf der Straße gespielt. Da wollte immer keiner so richtig ins Tor, denn wenn man sich da mal nach einem Ball strecken musste, war die Hose kaputt und der eine oder andere blaue Fleck kam dazu. Also habe ich mich immer ins Tor gestellt, am Anfang dann auch im Vereinstraining. Irgendwann hat es sich so ergeben, dass mich der Trainer mal im Feld ausprobiert hat. Das lief dann nicht ganz so schlecht und ich habe das Tor recht schnell wieder verlassen.
Wenn während des Spiels beide Torhüter ausfallen würden, wären Sie dann ein Kandidat?
Ich glaube, das wäre ich tatsächlich, auch wenn ich schon sehr, sehr lange keine Torwart-Handschuhe mehr anhatte. Ich weiß aber nicht, ob ich das wirklich unbedingt mal erleben muss.
Sie stammen aus Gevelsberg, haben aber im Nachwuchsleistungszentrum in Bochum trainiert. Das ist nicht direkt vor der Haustür. Sind Sie gependelt oder haben Sie in Bochum gewohnt?
Ich bin tatsächlich täglich gependelt. Wenn kein Stau war, was im Ruhrgebiet natürlich selten der Fall ist, habe ich für eine Strecke nur so gut 20 Minuten gebraucht. Ich konnte also weiter zu Hause wohnen.
Jeden Tag hin- und zurückfahren, Training, Schule – wieviel bleibt da übrig vom Teenager-Leben?
Zugegebenermaßen relativ wenig. Ich muss rückblickend sagen, dass das vom zeitlichen Aufwand her schon eine andere Hausnummer war als das Profi-Leben. Jetzt verbringe ich vor und nach dem Training viel mehr Zeit in der Akademie. Früher hatte ich teilweise bis 17 Uhr Schule, bin dann von dort abgeholt und direkt zum Training gefahren worden, konnte mich gerade noch umziehen und ging auf den Platz. Nach dem Training ging’s sofort zurück. An manchen Tagen war ich von 7 bis 21 Uhr nicht zu Hause. Das war schon die anstrengendste Zeit. So ähnlich geht es ja auch heute allen, die in der U17 und U19 spielen.
Haben Sie in der Zeit etwas vermisst?
Im Grunde nicht. Natürlich war es schon ein bisschen schwierig, gerade so zwischen 16 und 18 Jahren, wenn die Geburtstage an den Wochenenden gefeiert wurden oder man einfach mal so weggehen wollte. Ich fand es generell schwierig, dass die Spiele immer Sonntagfrüh waren. Da konnte man tatsächlich das ganze Wochenende nichts machen.. Es wäre einfach ganz schön gewesen, immer mal einen freien Sonntag zu haben, um Dinge außerhalb des Fußballplatzes zu erleben. Das bleibt schon ein bisschen auf der Strecke.


Was würden Sie Nachwuchsspielern in diesem wichtigen Alter zwischen 16 und 18 Jahren mit auf den Weg geben?
Es ist wichtig, den Jungs zu vermitteln, dass es ein sehr harter Weg zum Profi ist. Sie sollten nicht nur von diesem Traum leben, den ja alle haben und der alle auch antreibt. Ich denke, es ist nicht verkehrt, wenn man einen Schulabschluss hat und so noch einen anderen Weg einschlagen kann, wenn es nicht klappen sollte. Der Schulabschluss ist übrigens auch nicht schlecht, wenn es klappt. Denn es gibt ja auch noch ein Leben nach der Fußball-Karriere. Wer da vorher schon ein bisschen was dafür gemacht hat, hat dann bessere Karten. Ich würde den Jungs also mit auf den Weg geben, ab und zu nach links und rechts zu schauen.
Julian Nagelsmann hat mal über sie gesagt: „Dem Lukas kann ich sagen, er soll jetzt alle Treppen in der Red Bull Arena laufen. Der würde das machen, wiederkommen und fragen, was als nächstes kommt. Wenn ich dann sage, jetzt panierst du mir ein paar Schnitzel, würde er das auch machen.“
Das war dann doch etwas übertrieben (lacht). Natürlich versuche ich immer umzusetzen, was der Trainer von mir möchte. Aber das versucht jeder Spieler in den meisten Fällen. Ich hatte bisher glücklicherweise oft Trainer, deren Spielphilosophie ich geteilt habe. Wo ich auch verstanden habe, was der Sinn und Zweck hinter dem Ganzen ist. Da fällt es mir leichter, alles umzusetzen. Bestimmt hat Julian das auch so gemeint.
Wann würden Sie „Nein“ zum Trainer sagen?
Natürlich, wenn es komplett sinnfrei wäre. Insofern war das mit den Treppen vielleicht ein nicht so gutes Beispiel. Denn ich weiß nicht, ob ich das ohne Widerwort oder Nachfrage einfach machen würde. (lacht)
Sie besitzen auch musikalisches Talent und spielen Schlagzeug.
Ich habe lange gespielt und will mir gerade auch wieder eins zulegen. Ich hatte früher immer ein richtiges Schlagzeug. Das ist jetzt in einer Mietwohnung wahrscheinlich nicht so gern gesehen. Bei uns in der Nachbarschaft spielt einer Trompete, immer abends um 20 Uhr. Das hören schon immer alle.


Gibt es einen Bereich, in dem Musik und Fußball voneinander profitieren?
In jungen Jahren vor allem bei der Koordination und dem Körpergefühl. So ein bisschen Rhythmus- und Taktgefühl schadet im Fußball nicht. Vielleicht auch noch beim Zusammenspiel mit anderen. In einer Band oder einem Orchester müssen auch alle so ein bisschen aufeinander achten, brauchen eine gemeinsame Idee. Auf dem Platz ist das auch so. Wenn da einer die ganze Zeit hoch pressen will und alle anderen wollen sich tief hinten reinstellen, gibt das auch ein komisches Bild. Es ist in beiden Fällen gut, wenn man aufeinander achtet, weil es sich entweder deutlich besser anhört oder deutlich besser aussieht.
Sie sind im Sommer 2014 mit 18 Jahren nach Leipzig gekommen, haben jetzt Vertrag bis 2024. Welche fußballerischen Träume haben Sie?
Natürlich, dass wir hier mal einen Titel gewinnen können. Das steht ganz oben auf der Liste. Das ist aber nicht nur ein Wunsch von mir. Den haben alle hier, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da ist der DFB-Pokal natürlich der kürzeste Weg. Wir waren jetzt schon zweimal nah dran. Ansonsten will ich natürlich gesund bleiben. Ich habe ja leider schon Phasen gehabt, wo das länger nicht der Fall war.
Gibt es den Wunsch nach einem Wechsel zu einem ganz großen Verein?
Das würde ich nicht grundsätzlich sagen. Eigentlich ist mein Wunsch, den Verein hier zu einem ganz großen zu machen. Dafür arbeite ich jeden Tag.