18. Januar 2020 / 07:32 Uhr

RB Leipzigs Boss Oliver Mintzlaff: "Das Geld wurde uns nicht geschenkt"

RB Leipzigs Boss Oliver Mintzlaff: "Das Geld wurde uns nicht geschenkt"

Guido Schäfer
Leipziger Volkszeitung
Oliver Mintzlaff hat bei RB Leipzig stets alles im Blick.
Oliver Mintzlaff hat bei RB Leipzig stets alles im Blick. © Getty
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Oliver Mintzlaff ist der starke Mann im Hintergrund bei RB Leipzig. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Im exklusiven SPORTBUZZER-Interview spricht er unter anderem über Millionen aus Österreich, Transfergeschäfte, den Stadionausbau und sein Verhältnis zu Ralf Rangnick.

Leipzig. RB-Chef Oliver Mintzlaff, 44, war ein glänzender Lang- und Mittelstreckler, würde über 5000 und 10.000 Meter heute noch allen seinen Fußballern weglaufen. Ein Gespräch über die Segnungen von Leibesübungen, Dreier- und Viererketten, vergebene Liebesmühe bei Herrn Haaland, Umgang mit Erfolg und zwei warme Mahlzeiten, die sich Julian Nagelsmann täglich leisten kann.

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SPORTBUZZER: Sie laufen viermal wöchentlich durch Feld, Wald, Wiese, bevorzugt morgens um halb sieben. Um wie viel Uhr biegen die Glückshormone um die Ecke?

Oliver Mintzlaff (44): Ich laufe, weil ich fit und gesund bleiben will. Ein guter Lauf ist ein guter Start in den Tag. Ich warte nicht auf Glückshormone, bin auch so glücklich.

Sie haben mal gesagt, dass Sie keine intimen Fußball-Kenntnisse haben. Hat sich das geändert?

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Ich bin seit 22 Jahren im Fußball-Business, ich vestehe das Fußballgeschäft. Aber ich bin nicht derjenige, der festlegt, ob Christopher Nkunku einer für uns ist oder nicht. Das Wichtigste ist, dass du als Manager weißt, was du kannst und was nicht. Du musst gute Leute holen. Und die treffen die richtigen Entscheidungen.

Fällt es Ihnen auf, wenn Herr Nagelsmann von Vierer- auf Dreierkette umstellt?

Wenn ich das nicht sehen würde, wäre ich im falschen Beruf.

Viele Menschen heben RB auf Favoritenschild in Sachen Titel. Nervt oder freut Sie das?

Es spricht für unsere rasante Entwicklung. Wir sind in einem 10.000-Meter-Rennen bei Kilometer fünf und führen mit zwei Metern Vorsprung. Wir laufen ein gutes Rennen, müssen es aber zur Ende rennen. Wenn wir Sechster werden, war es ein bescheidenes Rennen. Wenn wir uns wieder für Champions League qualifizieren, wären wir in unserem vierten Bundesligajahr zum vierten Mal europäisch dabei. Alles was on top kommt wäre wie der Name schon sagt: on top, oben drauf.

DURCHKLICKEN: Das war die Hinrunde der Roten Bullen

Julian Nagelsmann strafte seine Zweifler bereits am ersten Spieltag mit einem 4:0 in der hitzigen Atmosphäre bei Aufsteiger Union Berlin Lügen und setzte ein deutliches Zeichen an die Konkurrenz. Die angestrebte Mischung aus RB-DNA und Nagelsmann Offensivfußball griff schon überraschend gut ineinander und die Ergebnisse stimmten auf Anhieb.
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Julian Nagelsmann strafte seine Zweifler bereits am ersten Spieltag mit einem 4:0 in der hitzigen Atmosphäre bei Aufsteiger Union Berlin Lügen und setzte ein deutliches Zeichen an die Konkurrenz. Die angestrebte Mischung aus RB-DNA und Nagelsmann Offensivfußball griff schon überraschend gut ineinander und die Ergebnisse stimmten auf Anhieb. © GEPA Pictures

Kommt der Erfolg wie eine Bugwelle über RB Leipzig?


Im Leistungssport kann der Erfolg nie zu früh kommen. Wir müssen ihn nur richtig einordnen. Das tun wir auch im Misserfolgsfall. Den hatten wir in dieser Saison phasenweise auch schon. Wir neigen nicht zu extremen Aktionen.

Arbeitsplätze hat RB wie viele geschaffen?

Wir haben mittlerweile rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sind dahingehend Jahr für Jahr ein kleines Stück gewachsen.

Schneller, weiter höher also auch außerhalb des Rasens.

Wir haben viele Projekte in der Pipeline. Die hängen aber alle an vielen Schnittstellen. Wenn zum Beispiel die Stadionauslastung für Events im Stadion besser werden soll, brauchst du Technik, Licht, Personal, zahlreiche Termine - und es müssen viele Abteilungen miteinander kommunizieren und ineinander greifen. Wir wollen das alles umsetzen und wachsen, aber das geht nur Schritt für Schritt und nach Priorität. Unabhängig von der sportlichen Entwicklung.

Der Stadionausbau kommt wann und in welchem Umfang?

Wir lassen uns auch hier nicht vom Tagesgeschäft leiten. Wenn drei Spiele hintereinander nicht ausverkauft sind, heißt es, dass ein Ausbau der Kapazität nicht nötig ist. Wenn die Tickets gegen Bayern, Dortmund oder Union schnell weg sind, sollen am nächsten Tag die Bagger rollen. Wir müssen effektiv bleiben und sukzessive Verbesserungen herbeiführen.

Blick zurück: Der Bau des Leipziger Zentralstadions

Am 15. April 1955 begannen die Bauarbeiten, am 4. August 1956 wurde es eröffnet. Das Zentralstadion in Leipzig wurde auch als Stadion der Hunderttausend bekannt. Bis zu seinem Abriss im Jahr 2000 sah es zahlreiche hochklassige Fußballpartien und Sportveranstaltungen. Zur Galerie
Am 15. April 1955 begannen die Bauarbeiten, am 4. August 1956 wurde es eröffnet. Das Zentralstadion in Leipzig wurde auch als Stadion der Hunderttausend bekannt. Bis zu seinem Abriss im Jahr 2000 sah es zahlreiche hochklassige Fußballpartien und Sportveranstaltungen. © LVZ Archiv

Die Themen Schallschutz, Infrastruktur, Toiletten und Kioske stehen demnach in der Prioritätenliste vor einer Ausweitung der Kapazität.

Ja. Die Erweiterung kommt aber auch und ergibt sich primär aus der Verwandlung von Sitzplätzen in Stehplätze. Das bringt zusätzliche 5000 Plätze.

Dann würden 48.000 Fans in die Red-Bull-Arena passen. Ist die Saison 2022/2023 dafür ein realistisches Ziel?

Ja.

Ist RB Leipzig angekommen in deutschen Fußball-Landen?

Nach meinem Empfinden, ja. Wir werden normal und gut empfangen, unsere Arbeit, unser Auftreten und unser Klub werden anerkannt, Anfeindungen finden fast überhaupt gar nicht mehr statt. Wir bedienen keine Klischees, kaufen nicht die Bundesliga auf und arbeiten nachhaltig. Peter Gulacsi, Willi Orban, Stefan Ilsanker, Emil Forsberg, Yussuf Poulsen, Marcel Sabitzer, Marcel Halstenberg oder Lukas Klostermann haben schon in der zweiten Liga für uns gespielt. Es war Ralf Rangnicks Ansatz, dass wir mit vielen Spielern einen langen Weg gehen.

RB wird seit vielen Jahren vom reichen Onkel Mateschitz alimentiert, Herr Mintzlaff.

Das Geld wurde uns nicht geschenkt, das sind Darlehen, die getilgt werden müssen. Wenn sich Schalke bei Clemens Tönnies Geld leiht, müssen sie das auch zurückzahlen. Unsere Darlehen kommen nicht von der Sparkasse Leipzig, sondern zu marktüblichen Konditionen von Red Bull. Jedes Start-up-Unternehmen braucht eine Anschubfinanzierung.

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Diverse Ablöse-Millionen wurden in den Sand gesetzt. Siehe Omer Damari oder auch Atinc Nukan.

Insgesamt gesehen stehen wir im großen Plus, denn wir haben unfassbare Werte geschaffen. Man muss sich ja nur mal anschauen, wie sich der Marktwert unseres Kaders in den letzten Jahren entwickelt hat.

Wann fällt die 300-Millionen-Euro-Umsatz-Marke?

Am Umsatz XY im Jahr Z allein darf man die Größe und Leistungsfähigkeit eines Vereins nicht festmachen. Wenn wir morgen Tyler Adams für 100 Millionen Euro verkaufen würden, hätten wir 100 Millionen mehr Umsatz gemacht. Wenn wir ein Jahr später keinen verkaufen würden, hätten wir 100 Millionen weniger. Wir streben 300 Millionen Euro Umsatz an, das ist so. Und der soll sich grundsätzlich zusammensetzen aus den fünf großen Säulen Ticketing, Hospitality, Merchandising, nationale und internationale TV-Einnahmen und Transfererlöse.

Bis auf Naby Keita und Diego Demme floss bisher keine Transfer-Kohle in die Kasse.

Sie vergessen Davie Selke, Oliver Burke oder auch Bruma und Bernardo.

Burke habt Ihr für 15 Millionen Euro gekauft und für 15 wieder verkauft.

Ja, aber er wurde wie alle Spieler buchhalterisch abgeschrieben. Burkes Buchwert war zum Zeitpunkt des Verkaufs zwölf Millionen Euro, wir haben also drei Millionen Euro Gewinn gemacht.

Diego Demme war nach knapp sechs Jahren komplett abgeschrieben. 12 Millionen Euro aus Neapel, minus 350.000 Euro für Arminia Bielefeld und 150.000 Euro für den SC Paderborn - ein klasse Geschäft.

Wenn Julian nein gesagt hätte, hätten wir Diego bei all seinen Verdiensten und seiner Verehrung für den SSC Neapel nicht gehen lassen. Das Interesse von RB Leipzig steht im Vordergrund. Ich habe Diego noch nicht telefonisch erreicht, wir werden ihn als sehr verdienten Spieler vernünftig verabschieden.

DURCHKLICKEN: Diego Demme bei RB Leipzig

2014 Januar: Demme trainiert für RB (@GEPA Pictures) Zur Galerie
2014 Januar: Demme trainiert für RB (@GEPA Pictures) ©

Den Kontakt mit Herrn Mateschitz hat man sich wie vorzustellen?

Wir telefonieren öfter und sehen uns in regelmäßigen Abständen. Dann bekommt er ein Update.

Was war unter Ihrer Leitung schön, was weniger schön, was traurig?

Schwierig, einzigartige Momente wurden immer wieder übertroffen. Als Yussi gegen Leverkusen (April 2017; Red.) kurz vorm Ende das 1:0-Siegtor gemacht hat, bin ich ausgeflippt. Wir waren zu zehnt, Willi war vom Platz geflogen. Ein sehr emotionaler Moment für mich persönlich. Der traurigste Tag war, als unser Nachwuchstrainer Lars Weißenberger gestorben ist. Das hat uns alle sehr berührt.

Wie steht‘s um das nicht immer stressfreie Verhältnis mit den Fans?

Die Fans sollen und können mitsprechen, wir sind im regelmäßigen Austausch, mussten nacharbeiten in Sachen Personal, Aus- und Weiterbildung. Wir haben klare Eckpfeiler, die auch in unserem Leitbild fest verankert sind: Keine Pyro, keine Gewalt, keine Diskriminierung. Ansonsten sind wir in vielen Punkten diskussionsbereit. Es geht nicht ohne unsere Fans.

2016 sagte Aki Watzke, dass Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mchitarjan auf keinen Fall alle auf einmal gehen. Und dann waren sie doch weg. Timo Werner, Dayot Upamecano und Lukas Klostermann sind zur Bückware geworden. Wiederholt sich Geschichte?

Wir schreiben unsere eigene Geschichte, sind ein attraktiver Arbeitgeber für viele Spieler. Auch für Dayot, Timo und Lukas. Wir planen keinen großen Umbruch für den Sommer.

Jetzt können Sie es ja sagen. Wie liefen 2017 die Wechselgespräche mit Naby Keita, Liverpool und Jürgen Klopp?

Es ist extrem gut gelaufen, wir haben am Ende mehr bekommen als die festgeschriebene Ablösesumme.

Fotos: Naby Keita bei RB Leipzig

2016 Juli: Keita trainiert für RB (@GEPA Pictures) Zur Galerie
2016 Juli: Keita trainiert für RB (@GEPA Pictures) ©

Über 60 Millionen?

Ich erinnere mich gerade nicht so genau.

Wie problematisch war es, sich gegen Jürgen Klopp durchzusetzen?

Ich habe ein paar Mal mit Jürgen Klopp telefoniert. Er sagte 2017, Naby muss jetzt sofort nach Liverpool kommen, er sei mit dem Kopf schon an der Anfield Road. Es war nicht einfach Klopp zu erklären, dass das anders ist, dass wir Naby noch eine Saison brauchen. Jürgen war sehr hartnäckig. Am Ende haben alle gewonnen.

Erling Haaland ist kein Roter Bulle geworden. Ihr habt offenbar doch keinen Zugriff aufs Salzburger Tafelsilber.

Das hätte Ihnen schon früher dämmern können, Hinteregger, Mané, Schlager oder Lainer spielen bekanntlich auch nicht bei uns. Die Spieler müssen selbst eine Entscheidung treffen, wer für sie in Frage kommt, es gibt keine Knebelverträge. Wir legen in den Gesprächen mit Spielern, das in die Waagschale, was wir haben. Stadt, Klub, Trainer.

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Aber auch andere Mütter haben schöne Töchter, siehe Dortmund.

Da befinden wir uns in einem Wettbewerb. Um Haaland haben wir uns sehr bemüht, er hat sich anders entschieden.

Nagelsmanns Wunschspieler Benjamin Henrichs bleibt in Monaco. Unumgänglich?

Wir hätten den Deal abschließen können, wenn wir deutlich über unsere absolute Obergrenze gegangen wären. Aber wir haben klare Leitplanken und finanzielle Limits, die wir nicht überschreiten.

Stefan Ilsanker würde gerne wegwollen.

Wenn wir keinen Spieler holen, können wir keinen abgeben. Schon gar keinen Verteidiger.

Wie innig ist der Kontakt zu Ralf Rangnick?

Ich bin mit Ralf in engem Austausch, wir telefonieren mehrfach die Woche, seine Meinung ist uns und mir elementar wichtig. Wir holen keinen neuen Spieler und geben keinen ab, ohne seine Meinung zu hören. Und so lange ich hier verantwortlich bin, werden wir die Philosophie, die Ralf Rangnick zu RB Leipzig gebracht hat, weiter umsetzen.

Julian Nagelsmann ist für Oliver Mintzlaff der aktuell beste Trainer in der Bundesliga.
Julian Nagelsmann ist für Oliver Mintzlaff der aktuell beste Trainer in der Bundesliga. © Getty Images

Rangnicks Nachfolger Markus Krösche ...

... macht einen richtig guten Job, ich bin sehr zufrieden. Aber wir wären ja behämmert, wenn wir auf die Expertise eines Ralf Rangnick verzichten würden. Den Kader, den wir jetzt haben, haben weitestgehend Ralf und Paul Mitchell zusammengestellt.

Julian Nagelsmann hat auf Rangnicks Haus ein Penthouse gesetzt. Ist das Bild stimmig?

Und was für eines! Aber Ralfs Haus war auch schon ziemlich luxuriös und stand auf einem sehr stabilen Fundament. Dass Julian ein Ausnahmetrainer ist, muss ich ihnen nicht erklären.

Wann stand für Sie in Sachen Nagelsmann fest: Diesen und sonst keinen.

Als Ralph Hasenhüttl gesagt hat, dass er nicht in ein drittes Jahr geht, haben wir uns nur noch mit einem Mann beschäftigt: Julian Nagelsmann. Nach dem dritten Termin waren wir uns einig.

Er ist der beste und der bestbezahlte Trainer der Bundesliga.

Das erste würde ich unterschreiben. Und Sie dürfen davon ausgehen, dass sich Julian zwei warme Mahlzeiten am Tag leisten kann.

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