Zwei Dinge fallen im Gespräch mit Jesse Marsch auf. Der Trainer von Red Bull Salzburg setzt nahezu makelloses Deutsch gepaart mit einem US-amerikanischen Einschlag gekonnt ein, um sein Verständnis von Fußball auszudrücken. Und: Er lacht sehr viel. Beides zusammen macht ihn nahbar. Im SPORTBUZZER-Interview spricht der 47-Jährige über seinen Klub, mit dem er an diesem Donnerstag in der Europa League auf Villarreal trifft, die Entwicklung von Stars wie Erling Haaland – und seinen Traum von der Bundesliga.
SPORTBUZZER: Wann immer in der Bundesliga ein Trainer gesucht wird, fällt Ihr Name – aktuell in Gladbach. Freuen Sie sich darüber oder nervt Sie das?
Jesse Marsch (47): Auffällig ist auf jeden Fall, dass mein Name immer direkt hinter dem von Marco (Rose; d. Red.) fällt (lacht). So war es hier in Salzburg auch. Ich finde die Bundesliga eine super Liga. Ich mag das Niveau, die Stadien, die Fußballkultur. Mein Jahr als Co-Trainer in Leipzig war großartig. Es ist immer ein Kompliment, wenn ich meinen Namen im Zusammenhang mit einem Trainerposten in Deutschland lese. Das hätte ich nie in meinem Leben gedacht. Deshalb sehe ich die Bundesliga als eine überragende Chance für mich. Es wäre für mich irgendwann ein logischer Schritt. Aber mein Fokus liegt aktuell ganz klar beim FC Red Bull Salzburg, wir haben viel zu tun.



Verfolgen Sie denn einen konkreten Karriereplan?
Nein, das tue ich nicht. Denn sobald ich mich zu sehr mit Dingen befasse, die weit in der Zukunft liegen, kann ich hier in Salzburg keine gute Arbeit mehr leisten. Aber was ich mir auch einmal gut vorstellen könnte, wäre die US-Nationalmannschaft.
Das Konzept von Red Bull Salzburg ist im europäischen Fußball bestens bekannt. Toptalente werden in jungen Jahren geholt, in der Akademie ausgebildet und kommen über das "Farmteam" FC Liefering in den Erstligakader. Wie sehr steckt das auch in Ihrer Trainer-DNA?
Ich kenne diese Philosophie schon seit fünf, sechs Jahren. Ich habe bei den New York Red Bulls gearbeitet, dann als Co-Trainer unter Ralf Rangnick in Leipzig und bin schließlich nach Salzburg gekommen. Die Vereine sind alle unterschiedlich, aber überall ist die Vorstellung sehr ähnlich, wie Talente entwickelt werden sollen.
Welche Schwierigkeiten gibt es dabei, im Rahmen des großen Ganzen auch jeden Einzelnen bestmöglich zu entwickeln?
Unser Ziel beim FC Red Bull Salzburg ist es, immer das Beste aus den jungen Spielern herauszuholen. Die Arbeit geht eben nicht erst los, wenn sie 18 Jahre alt, sondern schon früher, wenn sie 15 oder 16 sind. Umso früher sie in dieses Umfeld kommen, umso besser sind die Chancen, dass wir sie ideal ausbilden können. Wir arbeiten daran, dass sie unsere Mentalität und Spielphilosophie verinnerlichen. Das bedeutet, dass ein Trainer hier manchmal sehr viel Geduld mitbringen muss. Das Wichtigste für mich ist die Persönlichkeit der Jungs. Es geht darum zu erkennen, bei wem ich strenger und bei wem ich lockerer sein muss. 30 Prozent meiner Arbeit ist fußballspezifisch und 70 Prozent ist die Entwicklung der Persönlichkeit. Nur mit Taktik kommt man nicht weiter. Nur wenn jeder Einzelne bereit ist, für das Team zu arbeiten, können wir Erfolg haben.
Das ist ein zentraler Punkt: Salzburg hat hohe Ziele – in der Liga und international. Wie schaffen Sie es, das zusammenzubringen, wenn immer wieder die besten Spieler gehen?
In der österreichischen Liga ist es zwar nicht einfach, aber die jungen Spieler können auch mal einen Fehler machen und trotzdem Erfolg haben. Der Druck ist da, immer Meister zu werden, das ist klar. Und all das ist dann die Vorbereitung auf die absoluten Topspiele – zuletzt waren es jene in der Champions League. Dadurch haben wir in ganz Europa noch mehr die Augen auf uns und unsere Spieler gelenkt.
Wie sehr verfolgen Sie den Weg ihrer ehemaligen Spieler, zum Beispiel den von Erling Haaland bei Borussia Dortmund?
Ich pflege noch guten Kontakt zu Erling. Wir schreiben häufig Nachrichten oder telefonieren. Das gilt auch für Dominik Szoboszlai, der gerade zu Leipzig gewechselt ist, oder Takumi Minamino (FC Liverpool/ausgeliehen an Southampton, d. Red.). Wenn wir sie unterstützen können, sind wir für sie da.
Waren Sie von Haalands schnellem Erfolg beim BVB überrascht?
Am Anfang seiner Zeit in Dortmund hat er mich das auch gefragt. Und ich habe ihm gesagt: Nein, es hätte mich eher überrascht, wenn du nicht erfolgreich gewesen wärst (lacht). Ich wusste, dass die deutsche Bundesliga zu ihm passt.
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