Nabil Bentaleb gilt seit jeher als hochveranlagt. Wenn man dies trotz der sportlichen Güteklasse eines Profis betonen und das Ganze oft auch noch mit dem Zusatz "eigentlich" garnieren muss, ist dies meist ein Indiz dafür, dass irgendetwas falsch läuft. Also: Trotz der Scharmützel der vergangenen Monate soll der eigentlich ja hochveranlagte Nabil Bentaleb Schalke 04 plötzlich wieder im Abstiegskampf helfen. Am Dienstag begnadigte der Bundesliga-Letzte den zuvor gut zwei Monate lang suspendierten Profi und genehmigte ihm wieder die Teilnahme am Mannschaftstraining. Sogar ein Einsatz am Samstag im Spiel bei Union Berlin scheint möglich. Es wirkt wie die nächste Verzweiflungstat eines Klubs, bei dem angesichts des drohenden Absturzes endgültig keine klare Linie mehr zu erkennen ist - sollte diese in den vergangenen Monaten überhaupt vorhanden gewesen sein.
Durch die Rückholaktionen von Sead Kolasinac und Klaas-Jan Huntelaar im Winter-Transferfenster schien man im Kampf um den Klassenerhalt vor allem auf eine Sache setzen zu wollen: Bedingungslose Identifikation mit dem Verein und mannschaftliche Geschlossenheit. Dieses Vorhaben scheint nun ad absurdum geführt. Man holt mit Bentaleb einen Profi zurück, der diese Eigenschaften gar nicht verkörpern kann – zu wechselhaft war die Liaison zwischen dem Algerier und seinem Klub. Nach einer guten ersten Saison, die er noch auf Leihbasis in köngisblau bestritt, kaufte Schalke den Mittelfeldspieler 2017 für 19 Millionen Euro. Doch anstatt die Regie im Spiel von S04 zu übernehmen, entwickelte sich rund um Bentaleb ein ganz anderer Film. Disziplinarische Maßnahmen reihten sich aneinander, er galt fast permanent als Verkaufskandidat, wurde zwischenzeitlich an Newcastle United verliehen.



Noch bei der Suspendierung im November hatte Sportvorstand Jochen Schneider eigener Aussage nach "feststellen" müssen, "dass Schalke und Nabil Bentaleb offensichtlich nicht zusammenpassen". Auch Trainer Christian Gross schloss eine Rückkehr des Spielmachers bei seinem Amtsantritt im vergangenen Dezember aus. Nun gilt plötzlich das Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht – gut vier Monate vor Bentalebs Vertragsende und dem Abgang des 26-Jährigen. Denn: Eine Zusammenarbeit über das Saisonende hinaus hatte Schneider ebenfalls schon vor Wochen ausgeschlossen.
All diese Fakten dürften auch innerhalb der Mannschaft wahrgenommen werden und Zweifel an der Glaubwürdigkeit oder Autorität der Verantwortlichen nähren. Und: Ob das Comeback Bentalebs mehr als nur ein paar Wochen andauert, ist mehr als fraglich. Sollten Schalkes Chancen auf den Klassenerhalt in den kommenden Wochen rechnerisch weiter schwinden und nur noch theoretischer Natur sein, dürfte man mit dem Aufbau einer neuen Mannschaft für die 2. Liga beginnen. Mit Schalke-DNA und hungrigen Spielern aus der Knappenschmiede. Für den eigentlich hochveranlagten Bentaleb wäre dann kein Platz – wieder einmal.
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