23. Oktober 2020 / 11:32 Uhr

Nach Attacke bei Kreisliga-Spiel: "Schiedsrichter dürfen nicht alleine gelassen werden"

Nach Attacke bei Kreisliga-Spiel: "Schiedsrichter dürfen nicht alleine gelassen werden"

Milan Ott
RedaktionsNetzwerk Deutschland
Nach zwei Jahren Auszeit pfeift Tim Everding heute wieder Spiele.
Nach zwei Jahren Auszeit pfeift Tim Everding heute wieder Spiele. © Getty Images/Bongarts, Milan Ott (Montage)
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Tim Everding wurde als Schiedsrichter-Assistent von einem Spieler angegriffen. Damals hörte er auf, inzwischen pfeift er wieder. Mit #GABFAF hat der 23-Jährige darüber gesprochen, wie er mit den Erfahrungen umgeht.

Dieser Artikel ist Teil der Amateurfußball-Initiative #GABFAF. Mehr dazu auf gabfaf.de.

Ein hitziges Herren-Kreisliga-Spiel in der Region Hannover, kurz vor Ende der Saison 2015/16. Beide Mannschaften scheuen sich nicht vor hartem Einsteigen. In der 89. Minute brennen dann bei einem Spieler die Sicherungen durch. Abseits des Spielgeschehens schießt er den Ball mit voller Wucht gegen den Kopf von Schiedsrichter-Assistent Tim Everding (23). Das Spiel wird abgebrochen. Das sorgt bei den Spielern und Fans nur für noch mehr Emotionen. Beide Trainer eskortieren das Schiedsrichter-Gespann zu den Kabinen.

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Er entschied sich dazu, die noch laufende Saison zu Ende zu pfeifen. Danach war für ihn klar, dass er das Schiedsrichtersein erstmal lassen will. „Heute würde ich aber anders entscheiden. Ich sehe es nicht ein, dass ein Einzelner über mein ganzes Hobby entscheidet“, sagt Everding. Nach zwei Saisons ohne das Pfeifen packte ihn seine Leidenschaft wieder, und er nahm an einer zweiten Ausbildung für Schiedsrichter teil. „Erst wenn solche Fälle zum Alltag werden, überlege ich es mir nochmal. Bis dahin bleibe ich weiter an der Pfeife.“ Unterstützung gab es zudem von der Schiedsrichtervereinigung, der Everding angehört. „Die versuchen den Schiedsrichtern immer zu helfen."

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Vorbereitet war er damals nicht. Everdings Schiedsrichter-Grundausbildung umfasste an acht Terminen ausschließlich Regelkunde. Auch bei seinem zweiten Ausbildungsgang wurde Gewalt gegenüber Schiedsrichtern nicht thematisiert. Jedoch wird auf regelmäßigen Lehrabenden über Handlungsweisen bei Gefahr auf dem Platz geschult und informiert.

Gesetze gelten auch auf dem Fußballplatz

Das Strafmaß sei zwar auch höher geworden, allerdings reicht das nach Everdings Meinung noch nicht aus. Ständiges Reklamieren sind für die meisten Schiedsrichter (leider) schon üblich, sodass sie meist viele Sprüche ignorieren. Bei Gewalttaten kommen die Übeltäter häufig mit milden Strafen davon. „Durch hohe Geldstrafen und lange Sperren werden die Spieler abgeschreckt, Schiris anzugreifen“, glaubt Everding. „Den Spielern muss klar werden, dass sie sich auf dem Rasen nicht so verhalten können wie sie wollen. Auch dort gelten die üblichen Gesetze."

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Nicht zuletzt deswegen informierte der Kreis Region Hannover seine Vereine Anfang des Jahres darüber, dass während und nach der Halbzeittagung für Kreis-Schiedsrichter (Herrenspielklassen) eine neue Verfahrensweise nach Gewaltvorfällen jeglicher Art gegen Schiedsrichter erarbeitet wurde. Strafbare Handlungen auf und neben den Fußballplätzen sollen zukünftig sehr viel häufiger zur Anzeige gebracht werden. In diesem Zusammenhang setze man sich unter anderem mit der Staatsanwaltschaft auseinander, um Abstimmungen vorzunehmen.

Dies ergänzend zu dem seit 2018 erfolgreichen Projekt „Täter-Opfer-Ausgleich“, begleitet von der Waage e.V. und einer strengeren Regelauslegung seit letztem Winter. Dies scheint bei vielen angekommen zu sein - die Gewaltvorfälle in der Region Hannover sind laut NFV-Aussage auf ein absolutes Minimum gesunken.

Bei Beleidigungen schreibt der Schiedsrichter einen Bericht, für das Sportgericht. Wenn sich ein Schiedsrichter aber in Gefahr befindet, soll er unverzüglich die Polizei kontaktieren. „Auch wenn man nur Bedenken hat, es könnte mir gleich etwas passieren, soll man keine Angst haben, sich bei der Polizei zu melden“, sagt Everding.

Vor allem Spiele der unteren Ligen im Herrenbereich, in denen der Schiedsrichter auf sich allein gestellt ist, bergen laut dem 23-Jährigem oft Gefahrenpotenzial. „Es ist egal welche Leistungsklasse ein Spiel hat, die Spielausgangslage ist oftmals ausschlaggebend“, glaubt Everding. Wenn Fans über die gesamte Spieldauer Gegner und Schiedsrichter provozieren, überträgt sich die negative Stimmung schnell auf die Spieler.

Auf jeden Fall wünscht sich Everding Sicherheitsbeauftragte, welche die Unparteiischen zu schützen. „Die Schiris, die jedes Wochenende auf den Plätzen stehen, dürfen nicht alleine gelassen werden. Sie benötigen Unterstützung – schließlich sind sie irgendwie immer alleine gegen alle.“

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