Auf die nächste Runde: Mit dem Start der Saison an diesem Wochenende beginnt für Jörg Schmadtke (55) und Marcel Schäfer (35) das zweite gemeinsame Jahr in der Fußball-Bundesliga. Der Sport-Geschäftsführer und der Sportdirektor des VfL haben in Wolfsburg viel verändert – und noch viel vor. In ihrem ersten gemeinsamen Interview sprechen Schmadtke und Schäfer über ihre Zusammenarbeit und ihre Pläne.
Herr Schmadtke, was haben Sie Marcel Schäfer schon alles beigebracht?
Schmadtke: Ich bin ja nicht dafür da, ihm etwas beizubringen. Wir besprechen uns natürlich, aber Marcel muss sein eigenes Profil schärfen. Ich habe ihm von Anfang an gesagt, dass er Marcel Schäfer sein und bleiben muss.
Keinen Ratschlag?
Schmadtke: Bleib‘ wie du bist, sei authentisch. Ich kenne in unserer Branche zu viele Leute, die schauspielern und sich damit am Ende selbst auffressen.
Schäfer: Wobei ich schon großen Wert darauf lege, dass wir uns austauschen und die Dinge besprechen, die ich gemacht habe und wie ich sie gemacht habe.
Machen Sie das alles auf Zuruf, oder gibt es fixe Termine?
Schmadtke: Wir haben zweimal pro Woche einen Regeltermin, manchmal zu zweit, manchmal ist noch jemand dabei.
Schäfer: Aber wir sprechen auch so viel miteinander.
Gibt es immer eine klare Aufgabenverteilung?
Schmadtke: Er macht die ganze Arbeit, und ich unterschreibe am Ende nur (lacht).
Klingt vernünftig.
Schäfer: Nein.
Schmadtke (zeitgleich): Ja. (beide lachen)
Schmadtke: Jetzt ernsthaft, Marcel ist schon näher an der Mannschaft dran, auch mal bei Sitzungen dabei, die der Trainer abhält. Ich bin da eher nur punktuell dabei, was sich aber aber automatisch ergibt, weil ich als Geschäftsführer auch noch ein paar andere Aufgaben habe.
Was kann man von Jörg Schmadtke kernen?
Schäfer: Gelassenheit, aber das ist ja ganz normal, wenn man wie er so lange im Geschäft ist und einen so großen Erfahrungsschatz hat. Ich kenne das als Spieler, vor dem 250. Bundesliga-Spiel ist man auch viel gelassener als vor dem ersten.
Jörg Schmadtke - Seine Karriere in Bildern:
Was können Sie von Marcel Schäfer lernen?
Schmadtke: Er versteht den Klub sehr gut, die Fans, die Region. Marcel war schon als Spieler ein sehr guter Beobachter, hat viel aufgenommen. Ohne ihn hätte ich manches erst einmal ausprobieren müssen, um zu erfahren, wie der eine oder andere im Verein, im Werk oder in der Stadt reagiert. So aber konnte ich Zeit sparen.
Kannten Sie sich denn schon zur aktiven Zeit?
Schäfer: Ja.
Schmadtke: Ich war Ratgeber im Hintergrund (lacht).
Tatsächlich?
Schäfer: Mir war ja relativ früh klar, in welche Richtung das bei mir nach der aktiven Zeit gehen könnte, da habe ich mir auch früh darüber Gedanken gemacht, was wichtig ist, worauf man achten sollte. Und das wollte ich gern mit jemandem besprechen, der einen ähnlichen Weg gemacht hat. So kam schon zu meiner Zeit als VfL-Spieler über einen gemeinsamen Bekannten der Kontakt zu Jörg zustande. Dass wir mal zusammen arbeiten werden, ahnten wir da noch nicht, aber hier hat sich der Kreis dann quasi geschlossen.
Und als es darum ging, die Sachen hier beim VfL gemeinsam anzugehen, waren Sie sich schnell einig?
Schmadtke: Marcel ist dann ja aus Florida rübergekommen, wir haben uns am Flughafen Frankfurt getroffen und uns ein paar Stunden lang intensiv ausgetauscht. Da muss man einiges klären. Da ist man nach einem Kaffee nicht durch.
Und in diesem Gespräch fiel die Entscheidung?
Schmadtke: Ja, aber ich hatte schon vorher ein sehr gutes Gefühl dabei. Aber man braucht immer das persönliche Gespräch, um zu erkennen, ob sein Gegenüber auch wirklich meint, was er sagt. Nur am Telefon geht das nicht.
Schäfer: Mir war das auch sehr wichtig. Ich musste und wollte wissen, was Jörg mit mir vorhat. Welchen Weg wollen wir gehen? Welchen Mehrwert kann ich dem Klub geben? Aber das beiderseitige Interesse war ja mehr als gegeben.
Es war ein kurzer Trip, oder?
Schäfer: Ich bin dann nach dem Gespräch noch kurz nach Hause, nach Aschaffenburg, und dann wieder zurück in die USA. Im Flugzeug konnte ich über alles nachdenken. Als meine Frau mich dort vom Flughafen abgeholt hat, musste ich gar nichts sagen, denn sie schaute mich nur an und meinte sofort: „Wir gehen, oder?“
Marcel Schäfer: Seine Karriere beim VfL Wolfsburg
Seit Sie das zusammen machen, vermittelt der VfL ein anderes Bild von sich, wirkt deutlich vernünftiger, ein bisschen bescheidener und wirtschaftlich solider als zuvor. War diese Ausrichtung schon Teil des Gesprächs in Frankfurt?
Schmadtke: Für uns beide war von vornherein klar, dass wir kaufmännische Grundprinzipien einhalten wollen und werden.
Das ist offenbar in den letzten Jahren in Wolfsburg nicht immer so gehandhabt worden, deswegen engt ein sehr teurer Kader den Handlungsspielraum für Manager und Sportdirektor immer noch sehr ein. Tritt der VfL nur bescheidener auf, weil für große Sprünge das Geld fehlt, oder ist das ein „echter“ Wandel der Vereinsphilosophie?
Schmadtke: So etwas läuft parallel. Aber nach kaufmännischen Grundprinzipen zu handeln, ist ja schlicht eine Notwendigkeit. Auch für uns.
In der Vergangenheit…
Schmadtke: ...war das Kostenbewusstsein hier nicht immer sehr ausgeprägt.
Weil viele immer noch glauben, dank VW sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten des VfL nahezu unbegrenzt. Ist es schwierig, immer wieder nach außen zu vermitteln, dass das nicht mehr so ist?
Schäfer: Wir haben es jetzt ein Jahr lang versucht und haben immer wieder betont, welchen Weg wir gehen möchten. Trotzdem werden wir gerade in einer Transferperiode immer wieder darauf angesprochen, ob wir nicht vielleicht diesen oder jenen Transfer in einer Größenordnung von 20 Millionen Euro oder mehr angehen wollen. Damit müssen wir umgehen, aber damit haben wir eigentlich auch kein Problem.
Wenn beispielsweise bei Transfers um Summen verhandelt wird, gibt es doch bestimmt immer noch Verhandlungspartner, die sagen „Komm’, ihr habt doch VW...“
Schmadtke: Ich bin jetzt 35 Jahre im Geschäft und jeder, der sich mit mir an einen Tisch setzt, weiß, dass ich verhandle. Ich sitze da nicht und sage: „Egal, wo soll ich unterschreiben?“ Und wer das nicht einsieht, sitzt eben nicht lange mit mir am Tisch. In Verhandlungen wäre das also kein Problem, kommt so aber eigentlich auch nicht vor – weil wir in der Lage sind, relativ schnell klarzumachen, was geht und was nicht geht. Worüber wir uns manchmal wundern, ist, dass uns immer noch Spieler angeboten werden, bei denen die Dimension eines möglichen Transfers nun wirklich überhaupt nicht zu uns passt.
Waren Sie überrascht, wie schlecht es aus kaufmännischer Sicht um den VfL steht und wie sehr das Ihre Arbeit beeinflussen wird?
Schmadtke: Von der Außenbetrachtung hatte es schon ein bisschen so gewirkt, als ob man sich hier als VfL-Manager ganz gut selbst verwirklichen könnte. Das ist aber nur teilweise so.
Wussten Sie das vorher oder haben Sie das erst im Amt erlebt?
Schmadtke: Ich bin ja ein paar Jahre dabei, von daher habe ich das eine oder andere schon vorher gesehen. Aber so richtig bekommt man das erst mit, wenn man schon unter Vertrag ist und alles kennengelernt hat.
Ist die Verantwortung fürs Ganze – auch und vor allem kaufmännisch – der schwierigste Bereich, wenn man vom Spielfeld ins Management wechselt?
Schmadtke: Für mich war das alles zwar kein komplettes Neuland, aber da waren schon Felder dabei, die sehr wenig direkt mit Fußball zu tun haben. Da hole ich mir dann immer Feedbacks und Ratschläge, gerade wenn es zum Beispiel um Bilanzen oder um Gehälter geht.
Wann kann Marcel Schäfer die sportliche Leitung des VfL allein übernehmen?
Schmadtke: In spätestens zwei Jahren kann er den Sport-Part allein verantworten.
Was machen Sie dann?
Schmadtke: Malen nach Zahlen (lacht).
Herr Schäfer, klingt das nach einer realistischen Perspektive?
Schäfer: Das weiß ich nicht – ich weiß nur, dass die Konstellation im Moment so ist, wie ich sie mir vorgestellt habe. Was in zwei, drei Jahren sein wird, ist offen. Aber ich würde mich freuen, wenn die Zusammenarbeit länger als zwei weitere Jahre dauert.
Schmadtke: Ich glaube, dass Marcel das schon früher könnte. Aber die nächsten zwei Jahre muss er mich noch ertragen.
Haben Sie sich mal wegen eines Transfers oder wegen einer Verhandlung gestritten?
Schäfer: Gestritten klingt immer so negativ. Natürlich ist man nicht immer gleicher Meinung, aber dann tauscht man eben die Argumente aus. So muss das ja sein.
Schmadtke: Ich habe ihm nach einer Gesprächsrunde mal gesagt, dass er da keinen guten Auftritt hatte. Wenn man gut und vertrauensvoll miteinander arbeitet, muss man so etwas auch sagen können, das macht gute Zusammenarbeit aus. Sachthemen sind Sachthemen, da geht es nicht um persönliche Befindlichkeiten. Und wenn man das trennen kann, dann ist das eben kein Streit, sondern ein fachlicher Austausch.
Schäfer: Wenn als Spieler was schlecht gelaufen ist, konnte ich da sofort in der nächsten Trainingseinheit dran arbeiten. Hier sind es natürlich längere Prozesse. Aber ich will ja lernen – und wenn ich etwas nicht gut gemacht habe, dann will ich das auch von Jörg genau so hören.
Vom Schwierigkeitsgrad her: Wie bewerten Sie die aktuelle Transferperiode und Ihre Einkäufe?
Schmadtke: Normales Handwerk.
Ist irgendein Neuzugang aus Ihrer Sicht besonders wichtig.
Schmadtke: Ich mag die alle.
In diesem wie auch schon im vergangenen Sommer waren die allermeisten Transfers recht früh klar. War das ein Ziel?
Schäfer: Wir haben im vergangenen Jahr damit gute Erfahrungen gemacht. Und in diesem Jahr haben wir ja auch noch einen neuen Cheftrainer, da war es schon besonders wichtig, den Kader schon zum Trainingsauftakt so weit wie möglich zusammen zu haben. Wenn jetzt noch fünf oder sechs kommen und fünf oder sechs gehen würde, wäre es deutlich schwieriger.
Schmadtke: Wir hätten in diesem Jahr die Möglichkeit gehabt, länger zu warten, weil wir aus der Stammformationen keinen Spieler verloren haben. Aber ein neuer Trainer kann seine Ideen besser einbringen, wenn er den Kader frühzeitig zusammen hat.
Man sieht Sie und den Trainer am Rande des Trainingsplatzes immer mal wieder zusammenstehen und reden. Worum geht es da?
Schmadtke: Meistens geht es um frische Eindrücke, manchmal auch um etwas langfristigere Dinge. Wir reden aber nicht nur am Trainingsplatz miteinander, sondern manchmal auch da, wo es keiner sieht.
Bilder zum Spiel des Halleschen FC gegen den VfL Wolfsburg
Reden Sie mit Oliver Glasner mehr als Sie mit Bruno Labbadia geredet haben?
Schmadtke: Nein, dass der Eindruck entsteht, ist so eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Seit diese Sache mit der fehlenden Chemie zwischen mir und Labbadia einmal ausgesprochen war, gucken halt alle so lange hin, bis sie was zu erkennen glauben. Dabei war ich im vergangenen Sommer genauso oft beim Training und es wurde genauso viel gesprochen. Das hat da eben nur noch keinen interessiert. Wahrscheinlich schauen jetzt alle darauf, wie die Chemie zwischen uns ist.
Eine schlüssige Dramaturgie wäre es, wenn Sie jetzt sagen, zwischen mir und Oliver Glasner ist die Chemie super.
Schmadtke: Aha.
Wie ist die Chemie zwischen Ihnen und Oliver Glasner?
Schmadtke: Super.
Wenn man mal alles, was da vielleicht auch in medialer Übertreibung hochgekocht ist, außer Acht lässt: Was ist der Unterschied im Umgang zwischen Oliver Glasner und Bruno Labbadia?
Schmadtke: Ich glaube, dass der Oliver etwas offner ist für unseren Input.
Was ist jetzt der Anspruch an ihn und das Team?
Schäfer: Wir wollen uns weiterhin stabilisieren. Im vergangenen Jahr war die Erwartungshaltung nicht so hoch und wir haben sie übertroffen. Jetzt geht es darum, dauerhaft eine Rolle in der oberen Hälfte der Tabelle zu spielen. Wenn man sich die letzten zehn, zwölf Jahre anschaut, war es ja mehr eine Achterbahnfahrt – vom maximalen Erfolg bis kurz vorm Abstieg.
Darf man es insgesamt als Erfolg sehen, dass sich der VfL jetzt 22 Jahre in der Bundesliga gehalten hat?
Schmadtke: Ja, und ich glaube, dass man das bundesweit auch so wahrnimmt und den VfL als etablierten Bundesligisten sieht. Hier vor Ort ist das vielleicht ein bisschen anders, da sieht man eher die Ausschläge, registriert stärker die Aufs und Abs.
Wie ist Ihr aktuelles Gefühl für den VfL?
Schmadtke: Wir sind gut vorbereitet, sonst hätten wir ja nicht gesagt, dass unser Transfergeschäft abgeschlossen ist. Wir sehen, wie die Mannschaft arbeitet, wie sie auf den Trainer reagiert. Der Eindruck ist gut, das war er auch in Halle. Ich habe irgendwo gelesen, wir seien an einer Blamage vorbeigeschrammt, das sehe ich gar nicht so. Ich fand uns nie gefährdet. Wir haben die Körperlichkeit des Spiels angenommen, und die war stellenweise schon extrem. Und wir waren fit, wovon man zu diesem Zeitpunkt der Saison nicht unbedingt ausgehen muss. Der Spielstil war erkennbar, auch wenn nicht alles perfekt war.
Sprechen Sie über Ihren Eindruck mit dem Trainer?
Schäfer: Mit ihm, aber auch mit den Spielern, wenn wir denken, dass sie dieses oder jenes verbessern könnten. Da versuchen wir, Unterstützung zu geben. Das ist natürlich in erster Linie Aufgabe des Trainers, aber die Spieler erwarten auch ein Feedback von uns. Wir sind offen, wir reden miteinander.
Ist das eine Art von Umgang, der auch für den „neuen“ VfL steht?
Schäfer: Das gehört dazu, klar. Wir sehen uns als familiärer Verein, das wollen wir auch mit Leben füllen – bodenständiger sein, mit mehr Demut rangehen, mehr Präsenz in der Region zeigen, in der Transferpolitik zurückhaltender sein. Das sind ja nicht nur leere Worte.
Bodenstädigkeit und Demut – ist das ein Wolfsburger Weg oder haben Sie das so in anderen Vereinen auch mal erlebt?
Schmadtke: Jeder Verein muss seinen eigenen Weg finden, sonst wäre unser Job doch auch langweilig. Dann könnte man ja einmal eine Blaupause entwickeln, nur das Emblem austauschen und die dann überall drauflegen. Das wäre fad. Was immer gleich ist: Man braucht eine Gruppierung, die von einem gemeinsamen Ziel überzeugt sein muss.



