Leipzig. 19. August 2017, Gelsenkirchen, erster Bundesliga-Spieltag. Schalke spielt gegen den fidelen und favorisierten Vize-Meister RB Leipzig. Die vom just verpflichteten Domenico Tedesco trainierten Schalker schießen im sommerlichen Abendrot dreimal aufs Tor der Hasenhüttler, Naldo köpft Bierkästen aus dem Strafraum, S04 gewinnt gegen attraktiv-brotlose Leipziger 2:0.
Diese effektive Schmucklosigkeit zieht sich durch die Schalker Saison, endet im Mai 2018 auf Platz zwei und macht aus dem jungen Übungsleiter Tedesco einen Helden der im Pott verehrten Maloche. Die entzückten Schalker Bosse verlängern den Vertrag mit dem 31-Jährigen bis Sommer 2022.



Der Kontrakt würde heute noch laufen, wenn da nicht eine suboptimale S04-Spielzeit 2018/2019 und Tedescos Engagement in Moskau gewesen wäre. Dass der Fußball, der Schalke zum Vize-Titel geführt hat, kein ansehnlicher war, weiß er selbst. Man habe sich erfolgreich am Machbaren versucht, sagt Tedesco. Statt dem Kader Unmögliches überzuhelfen und in Schönheit zu verenden.
Vorzeigbare Bilanz
Womit wir im Hier und Heute und bei Tedescos siebtem RB-Pflichtspiel wären. Das Leipziger 2:0 gegen Wolfsburg hätte auch aus der königsblauen Feder der Saison 2017/2018 stammen können. Kampf, Krampf, Effizienz, Sieg. Sie sind längst nicht da, wo sie hinwollen, die Roten Bullen. Tabellarisch und fußballerisch. Aber sie punkten – trotz prekärer (und sich entspannender) Personallage. Schönheit und Anmut? Müssen sich hinten anstellen. Bis alle Fußballer topfit bzw. da sind, Unterschiedsspieler wie Emil Forsberg den Unterschied machen können, Selbstvertrauen und Selbstverständlichkeit Hand in Hand gehen. Club-Chef Oliver Mintzlaff nach dem goldenen Januar mit vier Siegen: „Unser Ziel bleibt die Champions League.“
Die Bilanz seines wichtigsten Mitarbeiters Tedeso ist vorzeigbar: 4:1 gegen Gladbach, 1:1 in Augsburg, 0:2 gegen Bielefeld, 4:1 gegen Mainz, 2:0 in Stuttgart, 2:0 gegen Wolfsburg. 13 Punkte aus sechs Spielen, 2,16 Punkte pro Spiel. Nicht zu vergessen: Das Errei-chen des Viertelfinals im DFB-Pokal.
Platz Vier?
Wenn es in der Liga so weiter geht, kommen ziemlich genau 30 weitere Zähler dazu. Wären gesamt: 61. Reicht das zu Platz vier, der ins Champions-League-Glück führt? Wolfsburg wurde 2020/21 mit 61 Punkten Vierter. Gladbach kam 2019/20 auf 65, Leverkusen 2018/19 auf 58, Dortmund reichten 2017/18 schmale 55 Zähler.
Doch wer sagt eigentlich, dass es „nur“ Platz vier wird und sich der Punkteschnitt bei „nur“ 2,16 einpendelt? Die letzten 35 Minuten der Wolfsburg-Partie zeigen, was mit diesem Kader möglich ist. Der eingewechselte Dani Olmo sorgt mit seiner Ballfertigkeit und Schläue für einen Quantensprung. Der eingewechselte Nordi Mukiele ist dynamischer Wegbereiter des 1:0 (Willi Orban/76.) und 2:0 (Josko Gvardiol/84.). Und auch die eingewechselten Tyler Adams, Lukas Klostermann und Yussuf Poulsen kommen zu richtigen Zeit, um mit ihrer Galligkeit und klarer taktischer Mission das Spiel auf die eigene Seite zu zerren und dort zu lassen.
Ja, Domenico Tedesco kann auch anders, schöner. Hat er in Moskau nachgewiesen, will er auch mit seinem erlesen besetzten RB-Kader zeigen. Schon beim 654-fachen Meister? Am 5. Februar spielen Peter Gulacsi und Co. beim FC Bayern München. Ein Wiedersehen mit Julian Nagelsmann, Marcel Sabitzer und Dayot Upamecano. Bis dahin trainieren die Roten Bullen durch, wird an der Fitness und an den berühmt-berüchtigten Automatismen gewerkelt.