Zweimal gewann Sebastian Vollmer mit den New England Patriots den Super Bowl – als wichtiger Beschützer von Quarterback-Star Tom Brady. Im Interview erklärt der Ex-Footballer, warum sein Kumpel Brady auch in der Nacht zu Montag mit den Patriots wieder im NFL-Finale gegen die Los Angeles Rams (0.30 Uhr, Pro7) steht und dort der Favorit auf den Titel ist. Zudem zeigt Vollmer auf, wann Brady seine Karriere beenden könnte.
SPORTBUZZER: Sebastian Vollmer, die New England Patriots stehen wieder einmal im Super Bowl – gegen die LA Rams. Hätten Sie vor der Saison darauf getippt?
Sebastian Vollmer: Ja. Die Patriots waren vor der Saison mein Titeltipp. Mit den Rams hatte ich auch gerechnet, weil die sich personell sehr gut verstärkt hatten.
Dennoch gab es bei Ihrem Ex-Team, den Patriots, viel Wirbel. Unter anderem nahm Quarterback Tom Brady lange nicht am Training teil …
Das war natürlich gutes Futter für die Medien, über den Untergang einer Dynastie zu spekulieren. Aber Tom ist 41 Jahre alt und muss sich auch mal Auszeiten nehmen. Er braucht immer wieder neue Motivation, und die hat er wieder gefunden vor der Saison. Wenn man ständig gewinnt, ist es schwierig, sich immer neu zu motivieren.
Das Football-ABC
Brady spielt um seinen sechsten Ring. Was macht ihn so gut?
Es ist an erster Stelle Gott gegebenes Talent – wie bei Lionel Messi im Fußball oder LeBron James im Basketball. Sie sind für ihre Positionen prädestiniert und haben spezielle Voraussetzungen, die genau dazu passen. Zudem ist Brady im Zusammenspiel mit Trainer Bill Belichick herausragend. Die beiden verstehen sich blind. Er ist unglaublich fokussiert und nervenstark. Das macht ihn einfach aus: In den wichtigen Momenten, in den großen Spielen ist er da. Das macht er seit fast zwei Jahrzehnten. Brady ist besessen von Football. Er gibt seine Familie im gewissen Sinne auf, um zu gewinnen. Das Gleiche verlangt er von seinen Mitspielern. Er ordnet fast alles dem Football unter – wann er aufsteht, wie er isst, die Massagen, die Nachbereitungen. Auch im Privatleben dreht sich alles um den Sport.
Sie sind gut befreundet mit Brady, waren auf dem Spielfeld sein Beschützer.
Tom ist einer meiner besten Freunde. Er ist ein besonderer Sportler, aber vor allem ein toller Mensch. Wir beide mochten uns von Anfang an, und so hat sich schnell eine Freundschaft entwickelt. Als ich als Rookie in die Kabine kam, wusste er alles über mich. Er wusste, auf welcher Schule ich war, wann ich gedraftet wurde, wie die Frau heißt. Er ist sehr freundlich und nimmt somit den Rookies die Angst. Man sieht sich den ganzen Tag: Auf dem Feld haut man sich zusammen die Köpfe ein und geht hinterher zusammen duschen, essen.



Was machen Belichick und Brady zusammen anders als andere Trainer-Quarterback-Gespanne?
Sie arbeiten seit Jahren zusammen – das ist vermutlich der beste Grund für den Erfolg. Zudem profitieren sie voneinander. Brady kommt in jedes Meeting extrem gut vorbereitet. Da können sich die Trainer nicht erlauben, über einen Spielzug des Gegners nichts zu wissen oder sich den noch mal eben auf Video anzugucken. Brady weiß alles! Er zwingt alle um sich herum, auf dem allerhöchsten Niveau zu arbeiten. Ich möchte nicht derjenige sein, der den Fehler macht, weshalb die Patriots ein Spiel verlieren. Überspitzt gesagt, basiert das System der Patriots auf Angst. Wer nicht mitzieht oder aus der Reihe tritt, ist raus. Man darf sich nichts erlauben. So sind alle Spieler immer voll dabei.
Wie müssen wir uns das vorstellen?
Bill Belichick gibt sich mit nichts zufrieden. Wir haben mal ein Spiel mit 59:0 gewonnen und wir wurden danach richtig zusammengepfiffen. Genauso baut er die Spieler nach Niederlagen wieder auf. Es wird ständig an Kleinigkeiten gearbeitet. Deshalb sind die Patriots über so eine lange Zeit auch mit unterschiedlichen Spielern so stark.
Kritiker behaupten, dass die Patriots auf dem Spielfeld bevorzugt werden. Sie haben selbst gesagt, dass Brady mehr geschützt wird als andere Quarterbacks.
Das ist nicht nur bei Brady so – ich glaube, dass die etablierten Stars schon eher geschützt werden als andere. Das liegt aber in der Natur der Sache, weil die Starspieler viel mehr im Fokus stehen. Da achtet man mehr auf Fouls.
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Im Super Bowl gibt es ein Generationenduell. Jared Goff, Quarterback der Rams, ist 17 Jahre jünger als Brady.
Qualitativ ist Goff nicht auf Bradys Niveau. Er muss versuchen der „Gamemanager“ zu sein. Goff darf sich keine Fehler erlauben und muss das Laufspiel einsetzen. Wenn er Risiko geht, wird es in die Hose gehen.
Glauben Sie, dass Brady im Falle des sechsten Sieges seine Karriere beenden wird?
Vorstellbar ist das, hängt aber auch vom Team ab. Wenn sein wichtigster Zielspieler Rob Gronkowski aufhört, könnte ich mir auch vorstellen, dass Tom aufhört. Ich weiß, dass Tom noch spielen will. Er weiß, dass er auf sehr, sehr hohem Niveau spielen kann. Aber er gibt seit vielen Jahren viel auf, bekommt Druck von allen Seiten: Seine Frau Gisele will, dass er aufhört, seine Kinder würden sich freuen. Er ist selten zu Hause. Er muss die Frage für sich beantworten, ob es das noch wert ist.
Und Bill Belichick?
Ich könnte mir vorstellen, dass er noch weitermacht, um der Welt zu beweisen, dass er auch ohne Tom gewinnen kann. Auf der anderen Seite ist es riskant, weil sonst jeder sieht, dass der Erfolg doch an Brady lag. Ich würde mir wünschen, dass beide zusammen aufhören.