Insgesamt 25 neu aufgehängte Tore auf 250 Metern, 19 mussten ab-, sechs aufwärts durchfahren werden. Dazu die unter der Wasseroberfläche verschraubten und gesteckten Plastikhindernisse, die Wellen und Walzen erzeugen und das 30 Grad warme Wasser hin- und herwechseln lassen. Das war die Herausforderung, die der Augsburger Slalomkanute Sideris Tasiadis im olympischen Finale von Tokio im Canadier zu meistern hatte. Ihm war klar: Wenn du ein, zwei Sekunden verlierst, holst du das auf dieser Strecke nicht mehr heraus.
Und dann kam Tor 19, das verflixte Tor 19. Tasiadis wusste sofort, dass er nach ein paar kleinen Schnitzern zuvor viel Zeit verloren hatte. Drei Sekunden, wie er später erzählte. Er war mit der Hüfte und damit auch dem Bootsschwerpunkt zu weit links gewesen, so zu spät ins Aufwärtstor reingekommen. Er brauchte drei Paddelschläge extra. Es waren die, die zu Gold fehlten, ihm aber Bronze bescherten. „Wenn du als Weltranglistenerster antrittst, dann willst du auch Gold bei Olympia. Ich habe es auch drauf, hatte es in der Hand. Aber jetzt ist es pure Freude, denn der Weg hierher war hart und sehr lang“, sagte der 31-Jährige. Den Olympiasieg holte sich der Slowene Benjamin Savsek.
Tasiadis gewann schon in London Olympia-Silber
Mit dem langen Weg meinte Tasiadis, Olympiazweiter von London, die Enttäuschung von Rio, als er in der Qualifikation und im Halbfinale Bestzeit fuhr und im Endlauf mit einem Leichtsinnsfehler die Medaille verpasste. Damit meinte der Sohn griechischer Eltern auch seine Extraschichten im Bootshaus und an der Werkbank. Er hatte ein Kajak so umgebaut, dass es zum Canadier wurde. „Ich bin davon ausgegangen, dass die Strecken immer schwerer werden, da brauchst du auch ein sehr gutes Boot, was schnell dreht, ein besseres Ansprechverhalten hat.“ Hinzu kam noch ein neues Paddel, das nur 250 Gramm wiegt.
Dazu zählte auch, dass er sich erst auf der letzten Rille bei der EM im Mai im italienischen Ivrea für Tokio qualifiziert hatte. Dort wurde der letzte freie Quotenplatz ausgefahren, dort gab er eine Kostprobe seiner Nervenstärke, als von vier Finalisten (zwei Italiener, zwei Deutsche) nur einer durchkam. Die Nervenanspannung bei Olympia war fast nix gegen den auf drei Jahre gestreckten Nominierungsprozess. Tiefpunkt war die WM 2019 in Spanien, wo Tasiadis in der Qualifikation ausschied, aber auch die beiden anderen DKV-Männer ihre Chance nicht nutzten. „Da waren wir total perplex, dass wir es nicht auf Anhieb geschafft haben. Wir alle haben uns gefragt: Wie kann das sein? Zum Glück ist es ja noch gut gegangen.“
Nur Savsek und Rohan schlagen Tasiadis
Doch für Bronze musste er nach seinem Lauf lange warten. Für die Top drei haben die Olympiaplaner im Slalom-Zentrum von Kasai ein Zelt aufgestellt. Mit dem Rücken zur Strecke verfolgte das Trio vor einem Bildschirm die Konkurrenten. Als Tasiadis den Stangenwald mit einem „Jaaaa“-Schrei durchfahren hatte, stand er als Führender in der Mitte. Doch dann schoben sich unter den Augen von IOC-Präsident Thomas Bach der Slowene Savsek und Lukas Rohan aus Tschechien an ihm vorbei. Zittern bis zum Schluss. Denn da kam noch der Franzose Martin Thomas, der Schnellste des Halbfinals. Tasiadis ist nach seinem Fehler „das Ding bis zum Ende durchgefahren. Ich habe noch mehr gefightet. Denn abgerechnet wird zum Schluss. Es müssen alle erst mal runterkommen. Ein falscher Schlag gesetzt, das war‘s.“ Zum Schluss machte der Franzose zu viele Fehler.
Der Polizeiobermeister Tasiadis sorgte so für die erste Medaille des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV). Internes Ziel der Mannschaft sind zwei – fehlt in drei Finalläufen noch eine. Tasiadis’ Freude fiel im ersten Moment etwas verhalten aus. War es doch der Ärger über das verpasste Gold? „Nein, nein“, wehrte er ab. „Das war mehr innerlich. Medaille ist immer Medaille, und nicht irgend so ein Ei.“