Leipzig. Block 33, Reihe 11. Zehn Meter weiter vorne liegt der Rasen, der Ort des Geschehens. 20 Meter zur Seite fängt der Fanblock an. Der Ort, an dem die Stimmung entfacht wird. Einen viel besseren Platz für einen Stadionbesuch kann es kaum geben. Für einen Besuch nach so vielen Monaten erst recht nicht. Doch an diesem Abend brauchte es keinen besonderen Sitzplatz in der Red Bull Arena. Egal wo man im Oval war, man wurde elektrisiert. Die Stimmung war zurück, die Fans wieder da, wo sie hingehören. Und sie feierten eine Stadionrückkehr, die genauso auch in einem Drehbuch stehen könnte.
Gänsehaut bei Sprechchören
19 Uhr. Schon das erste ungewohnte Bild. Die Straßenbahnen in Richtung Sportforum sind gefüllt und in Rot-Weiß gehüllt, ebenso der Festplatz vor der Arena. Ein kurzes Umhören und Blicken in die unzähligen Gesichter, auch wenn mit Masken bedeckt, macht klar: Es überwiegt die Euphorie, endlich wieder richtig Fan sein zu dürfen. Rein ins Stadion, das sich zur Fanrückkehr im aufgehübschten Glanz zeigte. Alles wirkte moderner, alles war schneller zu erreichen, alles strukturierter. Vielleicht hatte der Offensivfußball, der an dem Abend geboten wurde, als Vorbild hergehalten? Auch Daniel Behnke, 46 und frischgebackener Dauerkartenbesitzer mitsamt seiner Lebensgefährtin, freut sich über die neue Innenausstattung seines jetzt wohl zweiten Wohnzimmers: „Ist schon echt schick geworden. Da geht man gerne ins Stadion.“ Auch wenn, so sagt er, es für ihn noch nicht an ein richtigen Stadionbesuch herankomme. Schließlich fehlten noch weitere 22.000, um die Tribünen gänzlich zu füllen.
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Spätestens mit der Ankunft der Ultras, an ihren schmerzlich vermissten Platz, und dem erklingen ihrer Sprechchöre, kam das erste Mal Gänsehaut auf. Erinnerungen an leere Stadien und Geisterspielatmosphäre waren sofort verdrängt. An den immer wieder erinnerten Mindestabstand schienen sich nicht mehr viele zu halten, zu groß war das Verlangen gemeinsam den Fußball-Abend zu feiern. Auch das Maskentragen klappte nicht mehr bei allen. Verhaltensregeln wie diese rückten in den Hintergrund, der Fußball in den Fokus. Ankunft am Platz. Die Rufe der Spieler, Gesänge der Fans, das Klatschen des Balls, ja selbst ein bisschen den Zigarettengeruch, der bei jedem Stadionbesuch in der Luft liegt, hat man irgendwie vermisst.
„Bessere Rückkehr hätte es nicht geben können“
Noch fünf Minuten bis zum Anpfiff. Der nächste Ansturm von Gänsehaut macht sich breit. „Stolz des Ostens“ - Hymne der Roten Bullen - beginnt aus den Lautsprechern zu schallen. Die Fans stehen, wedeln, singen. 23.100 waren im Stadion, es fühlte und hörte sich an, wie ein ausverkauftes Haus. Wohl die Macht der Ungewohntheit. Und die Stimmung hielt an. Über 90 Minuten. Einzig die Schweigeminute für Gerd Müller und die Halbzeitpause ließen die Red Bull Arena für kurze Momente herunterfahren. „Da kann man nur Gänsehaut haben. Das ist schon bombe, nach 300 Tagen endlich wieder hier zu sein da“, freut sich Chris, der mit Opa und Papa auch in Block 33 sitzt. Und er dürfte das gesagt haben, was die restlichen 23.099 auch dachten. Dennoch sei das Stadionerlebnis erst bei 60 Prozent, die Auswärtsfans vermisse er noch. Und der 22-Jährige, der seit der fünften Liga seinen Verein im Stadion unterstützt, sah ein Spiel, das die Fans wohl kaum besser zurück begrüßen hätte können.
Torchance um Torchance in Halbzeit eins, den Torschrei immer auf den Lippen. Bis zur 38. Minute als Dominik Szoboszlai das Stadion erlöste. Genau der Spieler, der das erste Mal in der RB-Arena spielte. Ein Willkommensgeschenk für die Fans, ein Willkommensgeschenk für sich selbst. Drei weitere Tore folgten, RB besiegte den VfB Stuttgart mit 4:0, das ganze Stadion stand, der in Euphorie getränkte Abend war perfekt. „Eine bessere Rückkehr hätte es nicht geben können“, freut sich Chris und geht, wie alle anderen wohl auch, mit einem breiten Lächeln in Richtung Ausgang. Ein Stadionerlebnis hinter sich, das sich - trotz allem - unfassbar schnell wieder normal anfühlte.
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