Thomas Müller wirkte - wenig überraschend - aufgebracht. "Der Herr Hellmann mit seinem 'Thomas-Müller-Spiel' war sehr witzig, aber gut...", setzte der Routinier nach der bitteren 1:3-Niederlage des FC Bayern München gegen RB Leipzig im Bundesliga-Spitzenspiel des 33. Spieltages an. Sky-Moderator Sebastian Hellmann hatte zuvor mit dem in den vergangenen Wochen von Bayern-Trainer Thomas Tuchel geprägten Ausspruch zum Interview mit Müller übergeleitet. Die für den Ausgang des Meisterkampfes potenziell vorentscheidende Niederlage fand Müller offenbar nervig genug. Er brauchte nicht auch noch eine Erinnerung daran, dass der erst seit Ende März amtierende Tuchel in den vergangenen Wochen die eine oder andere Partie eben nicht zu einem "Thomas-Müller-Spiel" auserkoren und den Weltmeister von 2014 mitunter auf die Bank verbannt hatte.
Gegen Leipzig beorderte der Coach seinen Offensiv-Star aber in die Anfangsformation - was das aus Münchener Sicht frustrierende Endergebnis gegen Leipzig nicht verhinderte. Dabei schien nach dem 1:0-Führungstreffer von Serge Gnabry alles nach Plan zu laufen für den Tabellenführer. Bis Konrad Laimer, dessen ablösefreier Transfer zu den Bayern im Sommer als so gut wie sicher gilt, einen RB-Konter mit dem 1:1-Ausgleich abschloss und die Wende zugunsten der Gäste einleitete. Eine Szene, die Müller erkennbar schwer im Magen lag. "Abgezockt sieht anders aus", leitete der 33-Jährige seine Analyse des ersten Gegentreffers ein: "Wir sind 1:0 vorne, aus einem eigenen Eckball im eigenen Stadion einen Konter zu kassieren, wo der Gegner fast mit vier Mann aufs Tor läuft..."
Müller: RB hat Bayern nicht "irgendwie weggespielt"
Zwei verwandelte Elfmeter später war der Patzer des Rekordmeisters, der zuletzt zehn Mal in Folge den Titel gewonnen hatte, besiegelt. "Wenn man sich die zweite Halbzeit mal reinzieht, wie RB drei Tore gegen uns schießt: es ist ja nicht so, dass die uns irgendwie weggespielt haben. Ich hatte nicht den Eindruck, dass RB besonders gut war. Aber gerade in der zweiten Halbzeit waren wir – und vor allem auch mit Ball im Spielaufbau – sehr schwach und haben mit eigenen Fehlern RB eingeladen. Zwei Elfmeter und ein Konter nach einem eigenen Eckball – das spricht, glaube ich, für sich", bilanzierte Müller.
Doch mit einer Aufarbeitung der Minderleistung gegen die Sachsen wollte sich Müller nicht begnügen. Stattdessen holte er verbal schon einmal zum Schlag gegen Borussia Dortmund aus, das mit einem Sieg beim FC Augsburg am Sonntag (17.30 Uhr, DAZN) die Tabellenspitze übernehmen kann. Dann noch am kommenden Samstag (15.30 Uhr, Sky) ein Heimerfolg gegen Mainz 05 - und der Meister heißt erstmals seit 2012 nicht FC Bayern. Also alles ganz einfach? Nicht für Müller. "Wir müssen jetzt schauen, diesen Nackenschlag wegzustecken. Es ist noch eine Woche. Wir haben nächste Woche ein Spiel (beim 1. FC Köln, Anm. d. Red.). Wenn wir dieses Spiel gewinnen, dann hat Dortmund ganz großen Druck. Sie müssen beide Spiele gewinnen, und das will ich erst einmal sehen", erhöhte Münchens "Raumdeuter" den Druck auf die Borussia. "Wenn sie das machen, dann gratuliere ich recht freundlich. Aber bis dahin werden wir bei uns bleiben und alles dafür tun, dass wir nächste Woche drei Punkte holen", fügte er hinzu.
Die Chance, die Meisterschale auch zum elften Mal in Folge nach München zu holen, sei "absolut, natürlich" noch da, betonte Müller. Dass auch er Zweifel hegt, konnte er aber bei aller Angriffslust nicht gänzlich verhehlen. Auf die Nachfrage, wie es sich anfühlen würde, nach zehn Jahren erstmals nicht den Titel zu holen, antwortete er unter anderem: "Ich weiß nicht, wie ich mich dann fühlen werde. Aber bis dahin gibt es Vollgas von uns. Das ist jetzt vielleicht ein bisschen Selbstschutz, Selbstreflex, aufgesetzt vielleicht, aber bewusst. Ich fühle es aber trotzdem." Fast trotzig schloss er: "Ich habe schon einige Meisterschaften erlebt – auch in Zeiten, als der FC Bayern noch nicht so eine ganz riesige Favoritenrolle in der Liga hatte. Da geht schon noch was…"
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