Krieg, Corona, Katar – selten gab es während einer Länderspielphase so viele Themen abseits des Fußballs wie aktuell. Natürlich hängen manche Dinge aber auch direkt zusammen. So bekamen die DFB-Stars am Dienstagabend im Frankfurter Teamhotel einen Vortrag von Experten der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch zur Situation im WM-Gastgeberland zu hören. Am Morgen danach reiste Serge Gnabry (trotz negativem Test) mit Corona-Symptomen ab und wurde durch Julian Brandt von Borussia Dortmund ersetzt. Inzwischen soll laut Bild übrigens auch Joshua Kimmich gegen Covid-19 geimpft sein, der aktuell auf die Geburt seines dritten Kindes wartet und danach entscheidet, ob er im Laufe der Woche noch zur Nationalmannschaft stößt.
Ein anderer ist dagegen präsenter denn je. Die Stimme von Thomas Müller ist bei jeder Trainingseinheit am lautesten zu hören. Immer wieder gibt "Radio Müller“ den Ton an, fordert seine Mitspieler auf, Gas zu geben. Nachdem Ex-Bundestrainer Joachim Löw ihn wie Mats Hummels und Jerome Boateng einige Monate nach dem Vorrundenaus bei der WM in Russland aussortierte, kehrte er zurück und ist neben Manuel Neuer, Matthias Ginter und Julian Draxler nun einer der vier verbliebenen Weltmeister im Kader von Hansi Flick.
Thomas Müller: WM 2018 "war eine komplette Katastrophe als Fußballnation"
Dank überragender Leistungen beim FC Bayern führt kein Weg am 32-Jährigen vorbei, der auch in dieser Saison schon wieder bei 34 Torbeteiligungen (zwölf Treffer, 22 Vorlagen) in 37 Pflichtspielen steht. Auch ein Blick auf seine Zahlen im DFB-Team zeigt, warum Müller nach dem Umbruch als Routinier und Führungsspieler so wichtig ist. In 110 Länderspielen kommt der Offensiv-Allrounder bislang auf 42 Tore und kann mit seinem nächsten Treffer mit Uwe Seeler gleichziehen. Nicht unwahrscheinlich, dass er bis zum Ende des Jahres sogar auf Platz vier der ewigen DFB-Torschützenliste vorrückt, wo aktuell Lukas Podolski (49 Treffer) steht – dann hätte Müller auch Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und Karl-Heinz Rummenigge überholt. "Mit diesen Legenden auf einer Stufe zu stehen ist natürlich eine tolle Sache, von der man als Kind nicht mal zu träumen gewagt hätte", sagt er.
Doch nicht nur das – mit dem Duell am Samstag gegen Israel (20.45 Uhr, ZDF) hat auch für ihn der Countdown Richtung Endrunde in Katar begonnen, das Turnier wird bereits seine vierte Weltmeisterschaft. 2010 wurde er in Südafrika Torschützenkönig, Müller erinnert sich in typischer Müller-Art: "Damals musste ich mich erst mal darauf konzentrieren, dass ich überhaupt mitmachen konnte, ohne zu stören und unfallfrei durch die Gegend zu laufen."
Hinter den Spitzen fühlt sich Thomas Müller pudelwohl
Vier Jahre später war er einer der Leistungsträger beim WM-Triumph von Rio, bevor es 2018 zum nicht für möglich gehaltenen Debakel kam. "Das war eine komplette Katastrophe als Fußballnation und sehr schmerzhaft", sagt er rückblickend. 2022 soll es nun wieder nach vorne gehen. "Auch wenn ich zugeben muss, dass ich mit dem Kopf noch nicht im November bin – wir wollen den WM-Titel ins Visier nehmen, das ist doch völlig klar." Dass Müller in den Plänen von Flick eine besondere Rolle einnimmt, ebenfalls. "Ich hatte mit Hansi im Verein sehr erfolgreiche Zeiten", begründet der Münchner. "Die Ansprüche und Ideen, was er von mir will, sind vielleicht noch etwas klarer als vorher."
Nicht mehr auf dem Flügel oder in der Sturmmitte, sondern etwas hinter den Spitzen fühlt er sich pudelwohl. "Ich komme mit den schnellen, gradlinigen Spielern ganz gut zurecht. Die Rolle als Zentrumspieler ist sicher noch mal deutlich gefestigter geworden", sagt Müller, der noch bis 2025 "auf höchstem Niveau" Fußball spielen und Titel gewinnen will.
Anzeige: Erlebe die gesamte Bundesliga mit WOW und DAZN zum Vorteilspreis