Leipzig. Die Bewegung wirkt so einfach. Ein Fuß kommt vor den anderen. Viel mehr ist Laufen gar nicht. Und wer weder weit noch schnell unterwegs sein will, der fährt mit dieser einfachen Auffassung auch ganz gut. Komplizierter wird es, wenn es um das Tempo geht, wenn jede Sekunde zählt, wenn 100 Meter in 10 Sekunden absolviert werden sollen.
Das Training: 35 Kilometer pro Woche mindestens
Dann müssen Ablauf, Technik und Muskelkraft perfekt aufeinander abgestimmt sein. Ganz ähnlich ist es im Ausdauersport. Wer auf den Langdistanzen Fehler macht, der verliert nicht nur Zeit – er kommt im Zweifelsfall gar nicht erst im Ziel an. Die richtige Vorbereitung ist deshalb elementar, um einen Halbmarathon zu bestehen. Da sind sich die Leipziger Experten einig. Am Sonntag (Start 10 Uhr, Völkerschlachtdenkmal) wird für viele Hobbyläufer nach monatelangem Training abgerechnet.
R?ÜCKBLICK: Das war der Leipziger Halbmarathon 2018
„Drei, eher vier Einheiten pro Woche sollten es in den Monaten vor dem Halbmarathon schon sein“, sagt der Leipziger Sportmediziner Dr. René Toussaint. Der Orthopäde betreut in der Messestadt zahlreiche Leistungssportler, steht unter anderem als Mannschaftsarzt am Spielfeldrand der Bundesliga-Handballer des SC DHfK. Wie sinnvoll für die Langdistanz trainiert werden kann, weiß der Mediziner aber nicht nur in der Theorie. Der Hobbyathlet hat selbst zahlreiche Marathons absolviert, allein dreimal den legendären Lauf durch die Straßen von New York.
Eincremen nicht vergessen!
„35 Kilometer in der Woche. In der Größenordnung sollte man sich auf jeden Fall bewegen“, rät Jörg Matthé, der sich als Chef der Laufabteilung des SC DHfK und als Inhaber des Leipziger Laufladens wohl mehr mit dem Thema beschäftigt als jeder andere in der Messestadt.
Neben dem passenden Schuhwerk legt er auch sonst ein großes Augenmerk auf das richtige Equipment. Brust und Oberschenkel sollten vorab eingecremt werden, um unangenehme Hautreizungen zu vermeiden, die Startnummer unbedingt auf dem Bauch und nicht auf der Brust angebracht werden. Tipps und Tricks, die zunächst nicht offensichtlich wirken, an die ein Amateur gar nicht erst denken würde. Doch auch die richtige Kleidung für die angekündigten Temperaturen und eine Smart-Watch zur Überwachung des eigenen Tempos empfiehlt der Leipziger. „Sogar Profis begehen oft noch den Fehler, zu schnell zu starten. Das kostet dich hinten raus aber viel mehr Zeit“, so die warnenden Worte von Jörg Matthé.
Distanz nicht unterschätzen
„Mindestens 15 Kilometer sollte man vorab am Stück gelaufen sein“, sagt Nic Ihlow, der 2019 den Leipziger Marathon gewann – die volle Distanz, nicht die halbe. Der Student rät zu mehreren kürzeren Einheiten und zu einem langen Lauf pro Woche, gerne bis zu 18 Kilometer. „Das wird irgendwann auch mal langweilig, weshalb ich meistens eine Aufgabenliste mitnehme. Ich laufe dann zum Beispiel alle drei Kilometer in einem anderen vorgeschriebenen Tempo oder baue Übungen ein“, so der DHfK-Athlet, der seit über einem Jahr von Ronny Martick (lauftraining.com) gecoacht wird. „Die vollen 21 Kilometer musst du vorher natürlich nicht laufen. Das wäre doch etwas übertrieben“, gibt Ihlow Entwarnung.
Die Distanzen im Training sind ein großer Fokus der Gespräche. Auch Sportarzt Toussaint warnt davor, einen Halbmarathon auf die leichte Schulter zu nehmen. Sein erster langer Lauf ging über 25 Kilometer, noch bevor sich der Halbmarathon als Distanz etabliert hatte. „Ich habe mich mit einem Freund spontan dafür angemeldet. Wir sind vielleicht acht oder neun Kilometer Laufen gewesen, haben Handball gespielt – wir waren relativ sportlich für Zehntklässler, aber einfach nicht gut genug vorbereitet“, erzählt der 59-Jährige, der dieses Jahr erneut den Berlin-Marathon absolviert hat. Die Strecke hätten sie dennoch durchgezogen, unter großen Schmerzen und mit mehr als unangenehmen Folgen. „Die Treppe sind wir am nächsten Tag rückwärts gegangen.
Regeneration in der Woche vor dem Start
Vom Sportunterricht mussten wir freigestellt werden“, erinnert sich Toussaint und muss lachen. Ein langer Lauf, etwas langsamer als im Wettkampf angepeilt, ein Intervall-Lauf, um schnelleres Tempo zu trainieren, und mindestens ein weiterer entspannter Lauf sollten es sein – darin sind sich die drei einig. Und darin, dass mehr Training meistens nicht schaden kann. Zumindest nicht bis zur finalen Woche vor dem Wettkampf.
Denn dann gilt besondere Vorsicht. „In den fünf bis sieben Tagen vor dem Lauf sollte man vor allem regenerieren“, betont Nic Ihlow. Ein kleiner Lauf über fünf, sechs Kilometer könne die Muskeln anregen, bei der angesprochenen Regeneration helfen, fügt Toussaint hinzu. Viele Dehnübungen oder ein wenig Lauf-ABC seien immer eine gute Alternative. Das A und O: die Muskeln schonen, um mit voller Kraft in den Lauf zu gehen. „Wer eine Woche vor dem Wettkampf nicht vorbereitet ist, sollte auch nicht mehr versuchen, das Defizit aufzuholen“, so der Mediziner.
Getränke und Essen vorab probieren
Dazu gehört auch die richtige Ernährung. Viele Kohlenhydrate sollte es in den beiden Tagen vor dem großen Event sein, darin sind sich alle einig. Und noch wichtiger: „Keine Experimente“ – auch darin herrscht Einigkeit. Weder in den Tagen vor dem Lauf noch beim Wettkampf sollte ungewohnte Nahrung auf dem Speiseplan stehen, auch nicht bei Kraftriegeln oder Gels auf der Strecke. Diese empfiehlt auf den 21 Kilometern sowieso nicht jeder, denn zusätzliche Energiezufuhr sei nicht unbedingt notwendig.
"Manche Läufer schwören auf Cola."
Ganz anders als Getränke, vor allem bei höheren Temperaturen. „Die Getränkestationen sollte man auf jeden Fall nutzen. Nach fünf Kilometern kann man ruhig schon den ersten Schluck Wasser nehmen“, so Matthé, der jedoch betont, dass auch Trinken beim Laufen vorab ausprobiert werden sollte. „Von Kohlensäure rate ich eher ab“, fügt er hinzu. „Das vertragen viele Menschen nicht“, weiß Toussaint, „aber manche Läufer schwören auch auf Cola.“ In der Ernährungsfrage müsse am Ende jeder den richtigen Weg für sich finden. Der vielleicht schönste Tipp zuletzt: Zu einem Bier nach dem Wettkampf raten zwei der Gesprächspartner ausdrücklich! Und der Arzt rät zumindest nicht davon ab.
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