Dem Präsidenten war die Freude über den Erfolg auch am Tag danach noch anzuhören. „Das war eine ganz große Willensleistung, eine Moralleistung“, sagte Rolf Kutzmutz mit rühriger Stimme, als er noch einmal vom 5:4-Sieg der Potsdamer Fußballerinnen nach Elfmeterschießen bei Bayer Leverkusen erzählte. Klar zu verstehen war Kutzmutz nicht immer, denn im Hintergrund rauschte es kräftig; der Präsident telefonierte per Freisprechanlage aus dem fahrenden Auto heraus. Das Wesentliche aber war zu verstehen: „Es ging nicht um einen Schönheitspreis oder Taktikschulungen, sondern um den Sieg“, sagte Kutzmutz: „Und das Team hat in diesem wichtigen Spiel gezeigt, dass es siegen kann!“
Viel besser hätte wohl kaum jemand das DFB-Pokal-Halbfinale der Potsdamerinnen am Montagabend bei Bayer Leverkusen zusammen fassen können. 1:1 hatte es nach 120 hart umkämpften, aber eben auch hart zerfahrenen Minuten gestanden. Vor 2000 Fans im Ulrich-Haberland-Stadion trafen jeweils per Elfmeter die Leverkusenerin Dina Blagojevic (66. Minute) und Potsdams Isabel Kerschowski (83.) während der regulären Spielzeit für ihre Farben. Die Verlängerung blieb torlos, erst das Elfmeterschießen brachte die Entscheidung – und die Erlösung für die Turbinen, die erstmals seit 2015 wieder das Finale von Köln erreichten. Dort heißt der Gegner und klare Favorit am 28. Mai VfL Wolfsburg, der im zweiten Halbfinale die Bayern (3:1) aus dem Wettbewerb nahm.
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Präsident Rolf Kutzmutz: "Am liebsten hätte ich selbst mitgeschossen, das war eine ungeheure Anspannung"
„Am liebsten hätte ich selbst mitgeschossen, das war eine ungeheure Anspannung“, sagte Kutzmutz über das Elfmeterschießen, in dem die erste Potsdamer Schützin, Melissa Kössler, scheiterte. Sie sollte die einzige Gästespielerin bleiben, die vom Punkt nicht traf – was fast schon an ein kleines Wunder grenzt, immerhin verschossen die Turbinen in der Bundesliga von sechs Elfmetern satte fünf. Aber diese Statistik war am Montagabend egal.
Nach Kösslers Fehlschuss trafen Isabel Kerschowski, Sara Holmgaard und Sophie Weidauer. Und weil auf Bayer-Seite die Ex-Turbine Caroline Siems und Milena Nikolic verfehlten, war es Kapitänin Sara Agrez vorbehalten, den Ball mit einem Linksschuss flach in die rechte Ecke zu schicken – und Turbine ins Finale. Der Rest war eine einzige große Potsdamer Pokalparty.
„Ich hatte ein gutes Gefühl, selbst nach dem ersten verschossenen Elfmeter“, erklärte Turbines Trainer Sofian Chahed im Gespräch mit der MAZ am Dienstag. Nach dem in der regulären Spielzeit mit viel Glück verwandelten Strafstoß Kerschowskis und den vergebenen Chancen der Leverkusenerinnen in der Verlängerung habe er gespürt, dass das Spiel pro Potsdam kippen würde. Die Nicht-Vorbereitung aufs Elfmeterschießen („Man kann keinen künstlichen Druck aufbauen und sowas trainieren.“) gab Chahed am Ende Recht. „So etwas ist extreme Kopfsache, da ist es manchmal besser, die Spielerinnen ins kalte Wasser zu werfen. Dann macht man sich vorher keinen Kopf“, erklärte der Coach, der als aktiver Spieler vier seiner vier Strafstöße im Tor unterbrachte.
Für Chahed ist der Finaleinzug der größte Erfolg als Trainer, „ein besonderer“, wie er mit Blick auf die strukturellen und finanziellen Möglichkeiten der Potsdamerinnen sagte, die im Vergleich zu Clubs wie Wolfsburg, Bayern oder Hoffenheim doch stark begrenzt sind.



Auf diesen Umstand weist auch Kutzmutz hin, der die Zusatzeinnahmen für den Finaleinzug gerne verbucht. 30.000 Euro sind garantiert, 10.000 gäbe es bei einem Cup-Erfolg obendrauf. Kleinvieh im Vergleich zu einem möglichen Einzug in die Gruppenphase der Champions League. Dort könnte Turbine mit Einnahmen von circa 400.000 Euro rechnen, was bei einem Etat von rund 1,7 Millionen Euro für den Gesamtverein eine wuchtige Summe wäre. „Für die Langzeitwirkung wäre ein Einzug in die Champions League wichtig“, erklärt Kutzmutz, „eine Hausnummer“. Der Präsident hofft deshalb, dass der Sieg im Pokal-Halbfinale Kräfte für die drei restlichen Ligaspiele freisetzt. Die dicken Brocken, die noch auf Turbine warten, sind die Spitzenteams aus Hoffenheim, Frankfurt und München.
Aktuell liegt Turbine (40 Punkte/Tordifferenz +29) in der Liga auf dem begehrten Champions-League-Qualifikationsplatz drei, weshalb Chahed dem Spiel am Samstag beim Vierten in Hoffenheim (37 Punkte/+24) große Bedeutung beimisst. „Nach dem letzten Elfer hatte ich schon wieder Hoffenheim im Kopf. Da brauchen wir wieder mentale Stärke.“
Turbine Potsdam: Wellmann - Gerhardt, Barth, Sissoko, Agrez - Orschmann (60. Kerschowski), Weidauer, Holmgaard (52. Holmgaard), Chmielinski (77. Deutsch) - Plattner (77. Graf), Kössler.
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