Wohin geht man mit einem Österreicher, einem gebürtigen Wiener, an einem Samstagvormittag, um ein entspanntes Gespräch zu führen? Ins Kaffeehaus natürlich. Keine Frage also, wo wir uns zum Interview treffen mit Rolf Martin Landerl (41), seit Saisonbeginn Trainer des VfB Lübeck, Wiener seit dem Nabelcut und von ganzem Herzen, aber weitgereister Weltbürger im Geiste. In einem Lübecker Café natürlich.
Die Regionalligasaison feiert Halbzeit, das letzte Training ist absolviert, Landerl ist entspannt. „Klar ist das Wiener Kultur, im Kaffeehaus sitzen, Zeitung lesen“, sagt er. „Melange“ würde er manchmal trinken, auch einen „Verlängerten“ – aber jetzt bestellt er einen Espresso und ein Wasser. Landerl ist nicht zum ersten Mal in Lübeck, hatte als Aktiver zwischen 2009 und 2011 schon 57 Spiele für den VfB absolviert, sein Sohn wurde damals in Lübeck geboren. International somit wie der Papa, der Doppelpassbesitzer ist. Denn seine Mutter stammt aus Finnland. Den Urlaub dort hat er immer genossen, den Fußball eher nicht. „Das passt nicht“, sagt er. „Alles ist fokussiert auf Helsinki, die Bedingungen stimmen nicht.“ Österreicher können das besser.
LN-Sportbuzzer:Herr Landerl – Ralph Hasenhüttl in Leipzig, Peter Stöger in Köln, Rolf Landerl in Lübeck. Entwickelt sich da gerade eine Österreich-Trainer-Erfolgsstory in Deutschland?
Rolf Landerl: Lassen wir den Landerl mal weg, bleiben wir bei den anderen beiden. Ralph Hasenhüttl hat sich über Unterhaching aus der Dritten Liga hoch gearbeitet, er hat eine klare Ansprache, aber ich kenne ihn nicht gut. Bei Peter Stöger ist das anders. Er war selbst ein starker Fußballer, technisch, taktisch versiert. Und in Köln hat er mit Manfred Schmidt einen Co-Trainer an der Seite, der in Analyse und Spielauswertung überragend ist. Übrigens ist Schmidt auch ein Wiener...
LN-Sportbuzzer:Gehen wir nach Lübeck zum VfB. Die Bäume wuchsen fast schon in den Himmel, warum hakte es dann zuletzt doch sehr?
Landerl: Wir haben 35 Punkte geholt, damit sind wir mehr als im Soll. Platz zwei hat ja niemand erwartet und niemand gefordert. Aber das könnte auch das Problem sein. Wenn du nicht mehr Achter oder Zehnter bist, sondern Zweiter, dann bis du plötzlich das zu schlagende Team. Das ist eine neue Situation, die kennen wir so nicht. Darauf müssen wir reagieren.
LN-Sportbuzzer:Was bedeutet das konkret?
Landerl: Nehmen wir die letzten drei Spiele. Das war ernüchternd. Da waren wir naiv, waren nicht flexibel, konnten uns nicht auf ungewohnte Bedingungen einstellen. Wir sind prinzipiell keine Ergebnisverwalter, wir wollen aktiv Fußball spielen – natürlich auch attraktiv für die Fans. Aber manchmal muss man eben auch umschalten, den einen Punkt in Egestorf zum Beispiel, den hätten wir mitnehmen müssen.
LN-Sportbuzzer: Auch, weil das nicht gelang, sind Sie nun schon einige Meter vom Spitzenplatz entfernt. Wo geht’s jetzt kurzfristig hin für den VfB?
Landerl: Unser Credo für das Frühjahr lautet: Der Titel ist nicht unser Ziel. Untertitel: Vielleicht können wir aber eine Überraschung schaffen.
LN-Sportbuzzer:...und vielleicht gibt’s ja sogar doch einen Titel: Hallenmasters in Kiel am 14. Januar 2017, wie ist der Stellenwert?
Landerl: Für die Jungs ist das eine großartige Sache. Fast 10 000 Zuschauer, eine tolle Atmosphäre – aber ich bin kein großer Freund des Hallenfußballs. Das hat sich zu aggressiv entwickelt, da ist auf dem Platz kein Spaß mehr da. Früher war die Bande ein Partner für den Doppelpass, heute ist sie ein Zweikampfmittel, da wird schon mal brutal abgerammt wie beim Eishockey. Kein Spieler von uns, der eine problematische Medizinhistorie hat, ob Knie oder Knöchel, wird in Kiel spielen.
LN-Sportbuzzer:Also am besten Schluss mit dem Indoor-Kick generell?
Landerl: Nein, das muss jeder selbst wissen. Aber es gibt ja eine andere Hallenvariante. Futsal! Ich bin ein Fan davon. Alle modernen Fähigkeiten, die wir heute ja immer fordern, werden da gefördert: Technisch versiert, flexibel im Kopf – der Ball ist immer im Spiel, du kannst nicht abschalten. Und taktisch stehst du immer in der Raute.
LN-Sportbuzzer:...und Sie stehen ständig unter VfB-Strom. Gibt’s kein Abschalten?
Landerl: Doch – das schaff’ ich schon. Das Wochenende sind wir mit der ganzen Familie auf Sylt, da war ich noch nie. Da wird der Fußball ganz wenig Platz haben.
LN-Sportbuzzer:Danke für das Gespräch.