27. März 2022 / 13:47 Uhr

Siebenmeter nach Schlusssirene: VfL Potsdam gewinnt die Nervenschlacht

Siebenmeter nach Schlusssirene: VfL Potsdam gewinnt die Nervenschlacht

Marius Böttcher
Märkische Allgemeine Zeitung
Augen auf und durch:  Tim Freihöfer beweist beim entscheidenden Siebenmeter seine Abgezocktheit.
Augen auf und durch: Tim Freihöfer beweist beim entscheidenden Siebenmeter seine Abgezocktheit. © Foto: Julius Frick
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Die Handballer des VfL Potsdam gewinnen den Auftakt-Thriller in der Aufstiegsrunde zur 2. Liga gegen den TuS Vinnhorst mit 27:26 – den entscheidenden Treffer erzielt Tim Freihöfer erst nach der Schlusssirene von der Siebenmeterlinie.

Wie laut, leidenschaftlich und ausgelassen fällt der Jubel erst aus, wenn sich der große Traum von der Rückkehr in die Zweitklassigkeit erfüllt? Die MBS-Arena am Potsdamer Luftschiffhafen verwandelte der VfL Potsdam jedenfalls schon am Samstagabend in ein Tollhaus. Nichts für schwache Nerven war das, was sich vor 1281 Fans auf der Handball-Platte abspielte.

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Die von Tim Freihöfer aber sind wie Drahtseile, wie der Linksaußen nach der Schlusssirene bewies. Mit seinem elften Treffer machte der Matchwinner den Auftakterfolg in der Aufstiegsrunde gegen den TuS Vinnhorst aus sieben Metern perfekt – 27:26 (12:10) endete das Duell der Adler gegen die Gäste aus dem Hannoveraner Stadtteil. Den ersten Schritt hat das Team von Trainer Bob Hanning gemacht, die Hürden in der heißen Phase der Saison, das hat sich gezeigt, sind nun aber deutlich höher.

Bob Hanning: "Genau so ist Aufstiegskampf"

Voll fokussiert startete der Gastgeber in die Partie. Den Gegner zwang man direkt im ersten Angriff ins Zeitspiel und zu einem Notwurf, welchen VfL-Keeper Lasse Ludwig parierte. Im Gegenzug, und da bestätigte sich die hochkonzentrierte Anfangsphase, schaltete David Cyrill Akakpo am schnellsten und erzielte das erste Tor des Tages. In der Abwehr agierte Potsdam zunächst konsequent, im Angriff variabel.

Folgerichtig flatterten die Adler, auch dank starker Torhüterleistung von Ludwig, den Gästen schnell davon – 6:1 (10. Minute). Rückraumspieler Tim Otto jagte seinen freien Versuch weit über den VfL-Kasten, erst nach 13 Minuten gelang dem Team von Trainer Davor Dominikovic, 174-facher kroatischer Nationalspieler, der erste Treffer, der nicht von der Siebenmeterlinie erzielt wurde. Die Vinnhorster taumelten gewaltig, fielen aber nicht. Auch nicht nach der berechtigten Roten Karte für Matheus Costa Dias, die eher als Hallo-Wach-Effekt diente.

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„Wir haben danach angefangen, Handball zu spielen und haben es geschafft, zurück ins Spiel zu kommen“, sagte Dominikovic. Nicht nur die Gäste-Abwehr steigerte sich, auch TuS-Schlussmann Stefan Hanemann nahm dem VfL einiges weg – unter anderem einen Siebenmeter von Kapitän Karl Roosna. „Wir haben in dieser Saison schon sehr viele Spiele über unsere rechte Seite entschieden. Dort haben wir diesmal einiges liegen gelassen“, bemerkte Hanning.

Akakpo, eigentlich Torjäger vom Dienst, erwischte beispielsweise nicht seinen besten Tag und trug sich nur dreifach in die Torschützenliste ein. So schrumpfte der Vorsprung der Hanning-Mannen bis zur Pause. Die Seiten wurden beim Stand von 12:10 gewechselt, weil Vinnhorsts Falk Kolodziej nach dem Ertönen der Pausensirene aus sieben Metern cool blieb.

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Auch im zweiten Durchgang musste sich jeder Treffer – wohlgemerkt hüben wie drüben – hart erarbeitet werden. Vor allem aber die Adler taten sich schwer, zum Erfolg zu kommen. Halbzeitübergreifend, genau genommen zwischen der 14. und 35. Minute, konnte Potsdam lediglich fünf Tore erzielen.

Bemerkenswert: Jeweils Tim Freihöfer brachte das Spielgerät im gegnerischen Tor unter. Jakob Bormann (zum 14:15) und Kolodziej (zum 16:17) ließen mit ihren Führungstreffern für den TuS die ansonsten stimmungsvolle MBS-Arena sogar zweimal verstummen. Auch Kreisläufer Milan Mazic war mit seiner Wucht fast nie unter Kontrolle zu kriegen. „Du weißt, was kommt, kannst es aber trotzdem nicht verteidigen“, kommentierte Bob Hanning, der dennoch stets Vertrauen in seine Mannschaft hatte: „Wir haben gewusst und gehofft, das Spiel über die Kraft hinten heraus zu entscheiden. Dass es erst im letzten Angriff passiert, hätten wir gerne vermieden. Es gehört aber eben auch dazu, genau so ist Aufstiegskampf.“

24 Sekunden vor dem Ende, beim Stand von 26:26, nahm der VfL-Trainer eine Auszeit, um den letzten Angriff zu besprechen. Dieser führte zwar nicht zum Torerfolg, brachte aber einen Siebenmeter. Die Uhr tickte runter, auf den Rängen saß längst niemand mehr, alle Blicke richteten sich auf Tim Freihöfer. Der 19-Jährige blieb auch bei seinem vierten Versuch aus sieben Metern die Coolness in Person, überwand Stefan Hanemann und verschwand kurz darauf in der Jubeltraube – umringt von seinen Teamkollegen.

Tim Freihöfer: "War mir sicher, dass ich ihn machen werde"

Nach der Partie verriet der Elffachtorschütze: „Wir hatten schon einen Punkt sicher, außerdem war ich mir sicher, dass ich ihn machen werde, weil ich davor auch schon gut getroffen habe.“ Zudem lobte Freihöfer die Moral seines Teams: „Wir haben einen unfassbaren Kampf abgeliefert. Der Auftaktsieg war unglaublich wichtig, selbst wenn wir nicht unser bestes Spiel abliefern, sind wir in der Lage, eine Partie für uns zu entscheiden.“


Trotz der bitteren Niederlage war auch Vinnhorst-Coach Davor Dominikovic nicht unzufrieden mit der Leistung seiner Schützlinge: „Potsdam hat verdient gewonnen, weil sie zu Beginn das bessere Team waren. Wir haben aber Charakter gezeigt. Ich bin stolz, Trainer des TuS Vinnhorst zu sein.“

Bob Hanning bestätigte, dass auch der Gegner die Berechtigung besitzt, die Finalspiele zu erreichen. „Es war ein intensives Spiel von zwei guten Handball-Mannschaften. Auswärts hätten wir dieses Duell nicht gewonnen, da bin ich mir sicher. Es brauchte die Kulisse, diese Unterstützung vom tollen Publikum“, lobte Hanning. Jene Kulisse müsse der VfL auch in den anderen Heimspielen nutzen, um den Traum von der Zweitklassigkeit wahr werden zu lassen – das nächste Mal am 24. April (16 Uhr), wenn der Wilhelmshavener HV zu Gast ist.

VfL Potsdam: Ludwig, Ferjan – Heinis, Struck, Simic, Kaludjerovic, Freihöfer (11/4), Nowak, Akakpo (3), Orlov (4), Urios Gonzales (1), Roosna (3/1), Sauer (1), Schley, Langhoff (4), Kraus.

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