15. Mai 2020 / 01:24 Uhr

Wolfsburg-Profi Mehmedi: "Lieber so spielen als gar nicht zu spielen"

Wolfsburg-Profi Mehmedi: "Lieber so spielen als gar nicht zu spielen"

Engelbert Hensel
Wolfsburger Allgemeine / Aller-Zeitung
Sieht passend aus, ist aber kein aktuelles Bild: VfL-Profi Admir Mehmedi während des Winter-Trainingslagers in Portugal.
Sieht passend aus, ist aber kein aktuelles Bild: VfL-Profi Admir Mehmedi während des Winter-Trainingslagers in Portugal.
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"Die Politik und die DFL haben dafür gesorgt, dass es weitergehen kann", sagt Admir Mehmedi, Fußball-Profi beim VfL Wolfsburg, im SPORTBUZZER-Interview. Und er meint: "Da sind wir anderen Ländern voraus."

Er gehört du denen, von denen man zu Recht sagt, sie seien rumgekommen im Leben. Geboren wurde Admir Mehmedi als Sohn einer albanischstämmigen Familie in Mazedonien, als Zweijähriger kam er mit Bruder und Mutter nach Bellinzona in die Schweiz, wo der Vater bereits als Pizzabäcker arbeitete. Er spielte Fußball im Tessin und in Zürich, wurde mit 20 Jahren Profi bei Dynamo Kiew, war dann für den SC Freiburg und für Bayer Leverkusen aktiv. Seit Januar 2018 kickt Mehmedi nun für den VfL Wolfsburg, gehört mit 170 Bundesliga-Partien und 63 Länderspielen für die Schweiz zu den erfahreneren Akteuren im Kader der Niedersachsen. Mit AZ/WAZ-Redakteur Engelbert Hensel sprach der 29-Jährige vor dem Neustart der Bundesliga über Fußball in Zeiten der Corona-Krise.

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Vor dem Start der Vorbereitung im vergangenen Sommer haben Sie in einem AZ/WAZ-Interview gesagt: „Das wird eine spannende Saison...“

...spannend ist im Nachhinein jetzt wohl das falsche Wort. Keiner hat sich solch eine Zeit gewünscht, wie wir sie jetzt erleben müssen.

Wie war die Zeit ohne Fußball im Kreis der Familie. Schön? Oder waren Sie auch mal genervt?

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Nein, genervt war ich nie. Ich hatte viel Zeit für die Familie, plötzlich sehen dich deine Kinder mehr zu Hause, zudem konnte ich hier und da meiner Frau helfen. Meine Frau und ich haben viele Dinge besprochen, haben Zukunftspläne diskutiert.

So läuft beim VfL das Training mit Abstand

Koordinationstraining im Kraftraum: John-Anthony Brooks. Zur Galerie
Koordinationstraining im Kraftraum: John-Anthony Brooks. ©

Aber ist es nicht traurig, dass man für solch elementaren Dinge wie Familie sonst weniger Zeit hat?

Sie wissen doch, wie der Alltag bei uns Fußballern so ist. Man hat viele Spiele, ist hier und da mal down, wenn es nicht so läuft. Klar versucht man, diesen Frust nicht mit nach Hause zu nehmen, aber das gelingt einem nicht immer. So ist halt das Leben eines Fußballers. Jetzt wussten wir, am Wochenende ist kein Spiel, da konnten wir als Familie Dinge planen. Die letzten Wochen waren halt anders als sonst für uns. Manche Momente haben sich ein bisschen wie die Zeit nach einem Karriereende angefühlt.

Welche Momente?

Die, in denen du nicht weißt, wie es weitergeht. Zumal sich ja auch die Sachlage immer wieder geändert hat. Wenn du mittendrin in einer Saison von jetzt auf gleich aufhören musst, ist das schon krass.

Wie haben Sie das Training in den letzten Wochen empfunden?


Nach richtigem Fußball hat es sich erst wieder angefühlt, als wir wieder das Mannschaftstraining aufnehmen konnten. Es ist eben anders, wenn du beim Fußball Zweikämpfe führen darfst. Davon lebt der Fußball. Du kannst so viele Läufe machen wie du willst, aber das ist kein Ersatz für das Spiel an sich. Klar haben wir versucht, das Bestmögliche aus der Situation zu machen und fit zu bleiben, aber die richtige Fitness holst du dir in den Spielen. Es wird spannend sein zu sehen, wie wer bei der Rückkehr in die Bundesliga drauf ist.

Der VfL ist Tabellensiebter. Mit welchen Zielen gehen Sie die restlichen neun Spiele an?

Am besten wäre es, wenn wir noch einen Platz höher klettern könnten – sodass wir uns am Ende wieder für Europa qualifizieren. Aber mit Zielen sind wir selten gut gefahren, seit ich in Wolfsburg bin. Immer schön Schritt für Schritt. Und wir sollten gucken, dass wir schnell unseren Rhythmus finden. Gelingt uns das, bin ich überzeugt, dass wir eine sehr gute Rolle spielen werden.

Wer sind die Konkurrenten im Kampf um die Europa League?

Schalke, Hoffenheim, Freiburg, Leverkusen. Wichtig wird sein, wie man als Mannschaft mit der Situation umgeht. Welche Mannschaft akzeptiert die Bedingungen? Welche Mannschaft ist bereit, das so anzunehmen, wie es ist? Diese Mannschaft wird sich am Schluss für den Europapokal qualifizieren.

Die Spiele müssen ohne Fans ausgetragen werden…

...dabei lebt der Fußball doch von den Emotionen. Man sagt das immer so dahin, aber es stimmt wirklich. Unser Sport lebt von den Fans. Ich weiß nicht, wie es sein wird, obwohl wir das Spiel in der Europa League gegen Donezk hatten, das auch ohne Zuschauer stattfand. Normal wird‘s nicht sein.

Hätte man es lassen sollen?

Nein, lieber so spielen als gar nicht zu spielen. Die Politik und die DFL haben dafür gesorgt, dass es weitergehen kann. Da sind wir anderen Ländern voraus.

Rangliste: Die Bundesliga-Schweizer des VfL Wolfsburg

Schweizer beim VfL Wolfsburg Zur Galerie
Schweizer beim VfL Wolfsburg ©

Hätten Sie Verständnis dafür, wenn einer Ihrer Mitspieler sagt, er könne mit der Situation nicht umgehen und wolle deshalb nicht spielen?

Natürlich, jeder darf seine Meinung äußern und darf seine Bedenken haben.

Sie haben keine Bedenken und wollen spielen?

So ist es.

Haben Sie keine Angst, sich in den Spielen mit dem Virus zu infizieren?

Klar habe ich Respekt, denn es kann immer etwas passieren. Aber Angst habe ich nicht, das ist in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht auch das falsche Wort.

Fortsetzung oder Abbruch: So ist der Stand in den internationalen Topligen

Das Coronavirus legt den Fußball in Europa lahm - mit Ausnahme der weißrussischen Liga müssen alle Wettbewerbe pausieren. Die Länge der Zwangspause ist dabei unterschiedlich bemessen. Der <b>SPORT</b>BUZZER fasst den Stand zusammen - wie lange pausieren die Ligen in Europa? Zur Galerie
Das Coronavirus legt den Fußball in Europa lahm - mit Ausnahme der weißrussischen Liga müssen alle Wettbewerbe pausieren. Die Länge der Zwangspause ist dabei unterschiedlich bemessen. Der SPORTBUZZER fasst den Stand zusammen - wie lange pausieren die Ligen in Europa? ©

Haben Sie Familienmitglieder, die zur Risikogruppe gehören?

Mein Vater und meine Mutter sind in einem Alter, in dem man aufpassen muss. Ich war seit vier, fünf Monaten nicht mehr in der Schweiz, wir halten Kontakt per Video-Telefonaten. Ich vermisse meine Familie, aber wichtiger ist, dass alle gesund sind und wir uns alle an die Regeln halten.

Wie oft waschen Sie sich in diesen Zeiten die Hände am Tag?

Oft. Gefühlt mache ich das immer, wenn ich eine Tür anfasse. Und ich desinfiziere meine Hände.

Ist es richtig, dass die Liga wieder startet? Es gibt reichlich kritische Stimmen.

Jeder darf seine Meinung sagen. Die DFL und die Klubs haben alles daran gesetzt, dass die Liga fortgesetzt werden kann. Ich vertraue diesen Menschen. Das Konzept ist sehr gut. Und jetzt sollte man abwarten, wie es wird, wenn die Spiele laufen.

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Ist der Fußball mit seinen explodierten Ablösen und Gehältern in seinen wirtschaftlichen Zwängen gefangen? Und müsste er da vielleicht auch wieder raus?

Das Geschäft hat sich so entwickelt, das muss man einfach akzeptieren. Wenn plötzlich ein Spieler für 200 Millionen Euro wechselt, dann steigen die Preise auch für andere Spieler. Ob das richtig oder falsch ist, kann ich nicht beurteilen. Aber so ist nun mal der Markt und jeder Verein muss sich anpassen. Was nach der Krise sein wird, ist schwer zu sagen. Man hätte im Leben nie gedacht, dass mal so etwas wie Corona kommt und dann alles stillsteht. Es geht um Existenzen, nicht nur im Fußball.

Sie sind jemand, der sich gern auch sozial engagiert.

Das stimmt, ich habe auch vor Kurzem etwas gemacht. Aber das war jetzt nicht nur wegen Corona. Meine Eltern sind in Nordmazedonien aufgewachsen, das ist ein Land, in dem es viel Armut gibt. Ich versuche, da gezielt zu helfen. Auch in der Schweiz habe ich jüngst geholfen. Aber ich möchte nicht, dass das öffentlich wird. Ich finde es nicht gut, wenn die ganze Welt weiß, dass der Mehmedi Betrag X gespendet hat. Das brauche ich nicht.

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