Leipzig.Mit Deutschlands einst größtem Stadion ist es ein bisschen wie mit dem Leipziger City-Tunnel. Pläne für beide gab es schon Anfang des 20. Jahrhunderts, realisiert wurden sie weit später. Konkretere Vorstellungen, ein großes Stadion auf den „Frankfurter Wiesen“, wie das Areal des Sportforums einst hieß, gab es seit den 1920er Jahren, die Nationalsozialisten griffen sie in den dreißiger Jahren auf, doch es sollte bis nach dem Krieg dauern, bis das große Vorhaben unter neuen Machthabern realisiert wurde.
Stadionwall aus Kriegstrümmern
Dem sportbegeisterten SED-Chef Walter Ulbricht gefiel die Idee, vielleicht auch, weil er selbst nur einige hundert Meter entfernt vom vorgesehenen Standort geboren wurde und weil „Ulli“ und dessen Genossen große Aufmarschbühnen ebenso liebten wie die Nazis. Erste Entwürfe für 60.000 Zuschauer soll Ulbricht vom Tisch gewischt haben, mit der Ansage, man möge das erhöhen. Und so entstand auf dem Reißbrett der Architekten Eitel Jackowski, Karl Souradny und Heinz Schütze ein Plan für ein 100.000er Oval, eingebettet in weitere Stadien für Hockey (20.000), Schwimmen (8 bis 10.000) sowie weitere Sportarten nebst großer Festwiese.
Blick zurück: Der Bau des Leipziger Zentralstadions
Wenige Jahre nach dem Krieg sahen angesichts großen Wohnungsmangels viele den Bau eines Stadions allerdings skeptisch. Doch man machte aus der Not eine Tugend. Auf den Frankfurter Wiesen war ab 1945 etwa ein Drittel der Leipziger Kriegstrümmer gelandet, weil dort relativ nahe der Innenstadt Platz war. So wurde die Idee geboren, daraus den gewaltigen Stadionwall zu formen. Eigentlich baute man schon seit spätestens den dreißiger Jahren große Arenen aus Beton (z. B. das Berliner Olympiastadion, das Maracana in Rio de Janeiro). Doch in Leipzig entstand nach Anlaufschwierigkeiten ab 1955 in anderthalb Jahren die Riesenschüssel quasi aus Schutt.
Grandiose Europapokalspiele
Am 5. August 1956 waren 100.000 beim Einweihungsspiel zwischen dem amtierenden DDR-Meister Wismut Karl-Marx-Stadt (eigentlich Aue) und Honved Budapest dabei. Rekord gab es kurz darauf beim Match zwischen Wismut und dem 1. FC Kaiserslautern, als Fritz Walter vor 110.000 sein legendäres Hackentor erzielte und die Westdeutschen zum 5:3-Sieg führte. Am 8. September 1956 gab es dann auch für die DDR-Oberliga Zuschauerrekord, der ewig bestehen sollte: Zum Ortsderby SC Rotation gegen SC Lok Leipzig kamen offiziell 90 000, aber es waren wohl noch mehr.
DURCHKLICKEN: Der 1. FC Lok Leipzig im Europapokal
Es folgten grandiose Europapokalspiele des 1. FC Lok, viele Länderspiele der DDR-Auswahl und tolle Ortsderbys. Das Oval war zudem Schauplatz großer Leichtathletik-Wettkämpfe, für Feldhandball, die Friedensfahrt und nicht zuletzt für die Shows der DDR-Sportfeste.
Nach der Wende spielte der wiedererstandene VfB Leipzig hier eine Saison in der Bundesliga mit. Nach Jahren des Verfalls küsste Investor Michael Kölmel die Sportstätte mit dem Umbau zur WM-Arena mit Hilfe von Fördergeldern ab Januar 2000 wach und schließlich landete RB Leipzig in der heute gut 42.000 Besucher fassenden, modernen Fußball-Arena, die sich gekonnt in den alten Wall schmiegt.
DURCHKLICKEN: Bilder vom Baustellenrundgang am 26. Februar 2020
Infos rund ums Stadion:
Baubeginn: 15. April 1955 (offiziell)
Eröffnung: 4. August 1956 mit dem Spiel SC Wismut Karl-Marx-Stadt – Honvéd Budapest 1:3
Kapazität bei Eröffnung: 100.000 Sitzplätze (fast alle unüberdacht)
Modernisierungen: mehrere, unter anderem 1977 Aufrüstung der Flutlichtanlage auf 2000 Lux
Wiedereröffnung: März 2004 für knapp 44.345 Zuschauer als reines Fußballstadion für die WM 2006 (zuvor 2005 auch Austragungsort für Spiele um den Confed-Cup).
Umbaukosten: 116 Mio. Euro
Aktuelles Fassungsvermögen als Spielstätte für RB Leipzig: gut 42.000 Zuschauer, erneute Modernisierung läuft derzeit, Erhöhung der Kapazität auf über 50.000 geplant.
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